Die Königin der Costa Brava

Vierhundert Meter unter dem Meer, wo sie leben, ist nicht viel. Kaum Licht, kein Fernsehen und auch keine Fresszeitschriften, aus denen sie entnehmen könnten, wie schön die Welt der Genießer da oben ist, an der Costa Brava, in Palamos, dem Paradies für Fischliebhaber. Mit ihren kleinen schwarzen Augen suchen sie nach Plankton und anderen Nahrungsmitteln. Deren spezielle Art verleiht ihrer Schale und ihrem Fleisch die knallrote Farbe, derentwegen man sie auch die roten Garnelen nennt. Unvergleichlich.

Text von Alexander Rabl Foto: Miguel Gonzales/Laif

Gambas de Palamos – wenn sie aus dem Meer gefischt werden, gehört ihnen die Welt der Esser. Dann sind sie die Stars der Katalanen. Schon ja, diese lieben wie alle Spanier vor allem auch den Fußball und im Unterschied zu, sagen wir den Österreichern, ist ihnen das nicht zu verdenken. Doch gleich nach FC Barcelona kommt dann die rote Gamba. Sie zählt zu den Königinnen auf den Speisekarten. Und Krise hin oder her, obwohl die Riesengarnelen aus Palamos ein richtiges Loch ins Portemonnaie reißen, essen die Spanier diese lieber selbst, als sie außer Landes zu lassen. Deswegen gibt es sie auch kaum anderswo.

Wenn jemand wie Juan Roca in einem Interview von der regionalen Küche schwärmte, müsste man lachen. Ja was denn sonst. Die Roca-Brüder arbeiten mitten in einem Paradies. Hier wächst alles, was das Herz begehrt. Und wenn es nicht wächst, schwimmt es. Richtig schön fette Sardellen, Muscheln, göttliche Seezungen, Langostinos auch (bei uns heißen sie Kaisergranat), aber vor allem und zweifellos der Star des Menüs mit gefühlten hundert Gängen im Celler de Can Roca ist sie – die rote Garnele aus Palamos.

Bei den Rocas kommt sie roh auf einen Teller aus grauschwarzem Marmor, der die Farbe noch einmal besonders zur Geltung bringt. Sie badet in einer roten Sauce, die aus den Resten der Garnelen, Paradeiser und vielleicht noch anderem gewonnen wurde. Ein kleiner Badeschaum rundet ab, ein Schwamm aus Grünzeug und ein Tupfer von ebensolchem ergänzt. Und dann besonders köstlich: die gebackenen Beinchen und ein Stück vom Kopf, ebenfalls gebacken. Crackers mit Meeresgeschmack.

Im 3-Sterne-Restaurant oder in der einfachen Bar. Die Gambas haben immer ihren Preis und der ist hoch. Sagen wir: Das Doppelte des teuersten Fisches auf der Karte, und Sie liegen richtig. Im Hafen von Arneys liegt das Restaurant de Port, und obwohl es keinen Meeresblick bietet, ist es an einem Mittwochmittag knallvoll. Eine Portion Gambas macht 60 Euro. Sardinen gibt es um 10. Von Kopf bis Schwanz lautet die Devise beim Essen. Der Kopf wird, nachdem man mit einer Vierteldrehung den Schwanz entfernt hat – die übliche Vorgehensweise –, mittels Zunge und Zähnen von sämtlichen essbaren Weichteilen befreit. Sie sagen igitt? Es mundet herrlich. Wenn Sie noch nie das Hirn und andere Weichteile von Garnelen gegessen haben, sei hiermit eine große Empfehlung ausgesprochen. Der Darm muss natürlich raus. Ein Gefitzel, aber es muss sein.

Die Frage, ob gegrillt, gebraten oder doch lieber gekocht, stellt sich an dieser Stelle. Der perfekt agierende Maître im Relais & Château Mas de Torrent, einem gastronomischen Gegenentwurf zum gerade erwähnten Hafenlokal, beantwortet sie eines Mittags im wunderbaren Restaurant am Pool, in dem sich die Gäste von den Anstrengungen des Sonnenbades erholen. „Beim Grillen wird das Aroma nach außen transportiert. Beim Kochen bleibt es in den Garnelen drin.“ Das hat was, und der Gast entscheidet sich für die gekochte Variante. Im Mas de Torrent werden die Garnelen gekocht, gekühlt auf viel Eis und garniert mit gesalzenen Algen serviert. Prachtvoller Anblick.
Dazu nichts als Brot, wer’s braucht, und ordentlich vom lokalen, Gamba-rot glänzenden Rosé. Im Mas de Torrent lässt sich die Wartezeit auf einen spontanen Tisch bei den Rocas in Girona stilvoll verbringen. Das Städtchen liegt eine entspannte Autodreiviertelstunde von Torrent entfernt, und es soll ja Leute geben, die das Cliffhanger-Feeling genießen, auf der Warteliste eines Toprestaurants zu stehen und jederzeit um gegen elf Uhr vormittags den wichtigen, den einen Anruf zu erhalten: „Wir haben jetzt einen Tisch für Sie.“ Dies nur nebenbei.

Hummer ist okay. Aber Hummer ist kein Thema, wenn man der roten Gambas habhaft werden kann. Carme Ruscalleda in Sant Pol de Mar ist berühmt für ihre kontrastreich gedachte Küche, für Gerichte, die wie ein buntes Gemälde auf den Tisch kommen. Aus ihrem ­Restaurant blickt der Gast aufs Meer. Manchmal fährt die ­Eisenbahn vorbei. Frau Ruscalleda hat der Gamba einen Stammplatz im Menü eingeräumt. Einmal serviert sie diese leicht erwärmt auf einem Röllchen aus knusprigem Landbrot, dazu eine gelbe Sauce auf Gemüsebasis. Dann wieder kühl mit einem Cannellone aus Meerwasser, welcher mit Kräutern und Gemüse gefüllt ist. Meerwasser, ein Umfeld, an das die Gambas de Palamos gewohnt sind. Wenn auch ihr Habitat nicht ganz so elegant ist wie die Speiseräume bei Frau Ruscalleda in Sant Pol.

Adressen

Bar Restaurant
del Puero
08350 Port d’Arenys
Catalunya
Tel.: +34/(0)937/92 14 83

Carme Ruscalleda
08385 Sant Pol de Mar
Catalunya
Tel.: +34/(0)937/60 06 62

Mas de Torrent
17123 Torrent
Catalunya
Tel.: +34/(0)972/30 32 92

El Celler de Can Roca
Can Sunyer, 48
17007 Girona
Tel.: +34/(0)972/22 21 57