Eine Weltreise durch New York

In Manhattan kann man alle Küchen dieser Erde kennenlernen. Oft besser als dort, wo sie zu Hause sind.

Text von Hans Mahr Foto Getty images

Ein New York-Besuch ohne Steak? No way. Jeden Tag Lunch, aber kein Pastrami-Sandwich bei Katz’s Delicatessen? Geht gar nicht. Mindestens ein Mal zum derzeit weltbesten Restaurant Eleven ­Madison pilgern? Na klar, Ehrensache für Gourmets.

Dabei hat New York so viel mehr zu bieten als Schmelztiegel der Kulturen und Nationen. Um Grillparzer zu zitieren: Dieses New York ist „eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält“. Und nirgends ist das so richtig wie bei Küche und Keller. Wer die großen Küchen dieser Welt kennenlernen will, kann sich eine Weltreise ersparen und einfach die Ethno­küchen in Manhattan abklappern. Denn die Qualität in den New Yorker Häuserschluchten steht den originären Vorbildern „zu Hause“ um nichts nach. Von der Asia-Küche bis zur trendigen Latin Cuisine, von Steak Frites bis zum Wiener Schnitzel, in New York ist alles „zu Hause“. Und öfters haben die internationalen Trends sogar ihren Anfang in Manhattan genommen …

Nobu Matsuhisa war ein erfolgreicher Restaurateur in Peru, wo er einheimische Zutaten mit der traditionellen Japan-Küche ­gemischt hat. Diesen persönlichen Stil hat er schließlich nach Los Angeles ­gebracht. Kein Geringerer als Hollywoodstar Robert de Niro hat ihn entdeckt und vor 25 Jahren dazu überredet, sein erstes Nobu in New York aufzumachen. „Ich war anfangs sehr skeptisch, dass das klappen wird“, hat mir Nobu einmal erzählt, „und schon gar nicht, dass ich ­irgendwann einmal mit meiner Küche auf der ganzen Welt präsent sein werde …“ Ist er aber, derzeit hält er bei 40 Restaurants, von New York bis Sydney, von Honolulu bis Kapstadt. Und die ganze Welt genießt sein Signature Dish „Black Cod in Miso“, zarter und gleichzeitig gschmackiger kann man Kabeljau nicht zubereiten – in New York entweder ­Uptown auf der 57th Street oder Downtown bei der Wall Street zu probieren.

Wenn wir schon bei Japanisch sind: Auch Masa Takayama hat die New Yorker Foodszene verändert. Sein Gourmet-Tempel Masa im Time Warner Building gleich beim Central Park hat drei Michelin-Sterne und ist sauteuer, laut New York Times das teuerste Lokal Amerikas. Wer 595 Dollar pro Person für das Omakase-Menü (und zwar ohne Steuern und ­ohne Trinkgeld) für abenteuerlich hält, dem bieten sich in Manhattan zwei ­Alternativen: das Kappo Masa in der noblen Gagosian Gallery und das neu eröffnete Tetsu in Tribeca, ebenfalls von Chef Masa Takayama betrieben für Menschen mit kleineren Geldbörsen. Dort kann man sich um wohlfeile 80 Dollar ein ordentliches Menü zusammenstellen: vom Kokos-Lobster über Popcorn-Shrimps bis zu den Baby-Rippchen in Tamarind. Den Grünen Veltliner Honivogl von Freund Franz Hirtzberger, dort um 400 Dollar für die Magnum angeboten, trinke ich lieber in der Heimat und hab mir stattdessen ein Glas kalifornischen Chardonnay gegönnt.

Natürlich bekommt man im Nobu oder im Masa auch gutes Sushi, aber das beste und gleichzeitig bezahlbare habe ich bei Sushi Yasuda entdeckt. Ein kleiner spartanischer Laden in der Nähe der Grand Central Station, den man am besten zum Lunch aufsucht. Ein feines Sushi-Menü um ­ 35 Dollar, perfekt und auch für den Normalbürger erschwinglich.

Genug von Japan, der neueste New Yorker Ethno-Trend bringt uns nach Korea. Wie Pilze nach dem Regen schießen sie in New York aus dem Boden, aber nur wenige haben wirklich Qualität. Hip und gut (Warnung: auch verdammt laut) präsentiert das Cote die koreanische Steak-Kultur. Nach Speck mit eingelegten Jalapeños wird der ­kleine Gittergrill am Tisch angeheizt, das Rib Eye in kleine Würfel geschnitten, und jeder brät sich sein Fleisch selbst – zusammen mit viel aufgeschnittenem Gemüse und Kartoffeln. Dazu ein Rotwein aus Napa oder ­Sonoma, und der Spaß ist perfekt.

Der Korea-Gegenpol liegt in Tribeca. Im coolen, schicken Jungsik wird die Originalküche modern interpretiert – und der Schwerpunkt liegt beim Fisch. Das neungängige Tasting Menu bringt Oktopus, Black Cod und Tuna in weißen Porzellanschüsselchen, nicht nur fürs Auge ein Genuss. Ich habe mir aber lieber den ganzen Red Snapper bestellt, der am Tisch mit heißem Öl übergossen und fertig gegart worden ist.

Ich muss Sie enttäuschen, Kimchi gab’s weder da noch dort. Das stellt zwar für Europäer den Inbegriff der Korea-Küche dar, die Koreaner selbst halten Kimchi aber eher für „Fast Food“, das man am Bahnhof konsumiert. Ich hab’s trotzdem bekommen, und zwar im Atoboy in der Nähe vom Union Park, allerdings nur als Beilage zum Yellowtail. Für die Einführung in die koreanische Küche ist das Atoboy bestens geeignet. Drei kleine Teller (zum Beispiel Lotuswurzel mit Meeresalgen, Lachs mit Ricotta und Melone, Beef Tatar mit Baby-Anchovis) und eine große Schüssel Reis für 42 Dollar, da kann man sich günstig dem Fernöstlichen annähern.

Eine der Asia-Küchen hat in New York natürlich schon Einheimischen-Status. In Chinatown auf Entdeckungsreise zu gehen, macht einen New York-Aufenthalt erst perfekt. Mein Lieblings-Chinese heißt Pings und ist ein unscheinbarer Laden in der Mott Street, über die Treppe rauf in den ersten Stock. Alle Tische voll mit Chinesen, richtigen Chinesen, nicht Touristen – was schon einmal für das Lokal spricht. Sie müssen ja nicht die delikaten Entenzungen oder die glitschige Seegurke bestellen, sondern am besten die Jumbo-Prawns mit Erdnuss-Sauce oder einen ganzen Fisch Hongkong-Style (also scharf gegrillt) mit einer leichten Chilisauce. Dazu ein Tsingtao-Bier, und ich verspreche, Sie werden Mr. Ping lieben.

Wer Lust auf chinesischen Hot Pot hat, der steuert am besten das MáLà Project gleich beim Times Square an. Vorher Dim Sum, die köstlichen Teigtaschen, und dann aussuchen, was in den Topf kommt: Acht verschiedene Zutaten sollten es schon sein, aus 59 verschiedenen können Sie wählen. Von Fischbällchen, Froschschenkeln (muss das wirklich sein?) und Tintenfisch über Hühnerhaxerln, Schweinebauch, Lamm, Rind bis zu Pak Choi, Shiitake-Pilzen und Kartoffeln. Und dazu ankreuzen, ob Sie es mild, spicy oder super spicy haben möchten – aufpassen, denn die Sichuan-Küche ist für ihre Schärfe bekannt.

Für die Fans der Pekingente gibt’s nur eine Empfehlung: Das beste Pekinger Restaurant hat seit Kurzem eine Dependance in New York. Im Dadong Roast Duck beim ­Bryant Park wird die Ente so serviert, wie man sie aus Peking liebt: am Rost derart gegart, dass die äußere Fettschicht abschmilzt und die Haut trotzdem knusprig bleibt. Solch akribische Küche gibt’s natürlich in Chinatown nicht …

Wir bleiben in Asien. Der Indien-Boom ist zwar schon etwas abgeflaut, aber der Appetit danach hält an. Wer Indisch auf Spitzenniveau wie in Bombay oder Delhi genießen will, der muss ins Junoon (das Hindi-Wort bedeutet „Leidenschaft“) in der 24th Street pilgern. Oktopus aus dem Tandoori-Ofen, Masala-Rippchen oder ein Lobster in Kokosmilch, ­Indisch auf Sterneniveau eben. Einfacher, aber trotzdem hervorragend wird in der Bombay Bread Bar gekocht. In dem Tribeca-Ecklokal reicht man knackige Nan- oder Papadam-Brotfladen, wahlweise mit Käse, Schinken oder Lauch, damit der erste Hunger gestillt wird. Nachher gibt’s Lamm-Curry, Black Pepper Shrimps und Chicken Tika – am besten alles in die Mitte stellen und teilen.

Wirklich „in“ ist ja seit einigen Jahren die ­lateinamerikanische Küche, im Speziellen die mexikanische abseits von Burritos, ­Enchiladas und Bohnenmatsch. Küchenchef Enrique Olvera war der Vorreiter dieser neuen, modernen Gastronomie, ohne horrende Kalorien und mit mehr Geschmack. In Mexico City hat er mit seinem vielgepriesenen Pujol Anfang des Jahrtausends Furore gemacht, heute steht er auf Platz 13 der World’s 50 Best-Liste. Olvera hat die mexikanische Küche praktisch neu erfunden. Hauchdünne Tortillas mit Lamm und Avocado, die schwarzen Bohnen nicht matschig zerkocht, sondern knackig zur Ochsenzunge und natürlich seine „Mole Madre“, eine wunderbare Chili-Gewürz-Sauce, die mit Brot aufgetunkt wird.

Vier Jahre ist es her, da hat er mithilfe von Investoren seine „New Mexican Cuisine“ nach New York gebracht, ins Cosme am Broadway. Man kann sich also eine Reise nach Mexiko ersparen, wenn man den ­Talentiertesten seiner Chefs kennenlernen will. Und weil der Erfolg auch in Manhattan so groß ist (mindestens drei Wochen Vorreservierung!), hat Olvera auch ein Zweitlokal aufgemacht: das Atla in der Lafayette Street. Aber selbst dort muss man sich zu Mittag anstellen, um die Kräuter-Guacamole, die Karfiol-Tacos oder den Lobster-Toast probieren zu können.

Wie die chinesische Küche hat auch die italienische eine lange Einwanderer-Tradition in New York. Früher musste man nach Little Italy fahren, um Spaghetti Carbonara „wie bei Mamma“, eine „echt neapolitanische“ Pizza oder einen klassischen Branzino in der Salzkruste zu bestellen. Heute haben sich die italienischen Restaurants über ganz New York ausgebreitet. Das für mich beste ist allerdings eine rein amerikanische Erfindung. Im Marea am Central Park trifft sich die Hautevolee von Manhattan zum Lunch und auch gerne nach dem Theater. „Sleek“ ist die Bezeichnung, die die Amis gern für ein Lokal dieser Art wählen. Laut Langenscheidt „elegant, gepflegt, rassig“. Und genau so ist auch die Speisekarte: Die Crostini gibt es mit Anchovis oder Vitello Tonnato, das Crudo vom Oktopus mit Paprika und Haselnüssen, bei den Antipasti kann man zwischen Gnocchetti mit Shrimps oder Chili und Spaccatelli mit Krabbenfleisch und Basilikum wählen. Dass die Fisch-Hauptgänge vor Kreativität nur so strotzen (der Heilbutt mit Kren, Chicorée und Buttermilch!), macht das Marea noch verlockender.

Wem eher der Sinn nach traditionellerem Italienischem ist, dem sei das Del Posto (auch nicht in Little Italy, sondern in Chelsea) ans Herz gelegt. Dort ist alles so, wie’s einmal war. Üppig gedeckte ­Tische, seidene Vorhänge, viel Marmor, und der Pianist sorgt für die musikalische Untermalung. „Ideal zur Silbernen Hochzeit oder zum Geburtstag der Mutter“, pflegt ein Freund von mir zu sagen. Aber keine Angst, die Küche ist von heute, und Melissa Rodriguez, die dort den Ton angibt, hat einen Michelin-Stern.

Aber natürlich will der darbende Gourmet auch einmal eine ordentliche Pizza essen, vor allem, wenn die Kinder an der Hand raunzen. Zwei Tipps, je nachdem, ob man gerade uptown oder downtown in Manhattan unterwegs ist: Don Antonio auf der 50th Street ist ein Ableger der berühmten Pizzeria in Neapel, 55 verschiedene Pizzen werden angeboten. Die berühmte „Montanara“ ist einfach himmlisch – oder himmlisch einfach: Pizzateig mit einer speziellen (geheim gehaltenen) Tomatensauce, Büffelmozzarella und viel Basilikum. That’s it. Downtown geht man am besten zu Luzzo’s auf der 1st Avenue. Aus einem 100 Jahre alten Pizza-Ofen kommen neapolitanische Klassiker wie „La Quadrata“ oder die „Pizza Fritta“ mit Schinken und schwarzem Pfeffer. Draußen vor der Türe wartet eine Menschenschlange auf den nächsten freien Tisch, daher lieber etwas außerhalb der Essenszeiten kommen, um sich die Warterei zu ersparen.

In der Spitzengastronomie New Yorks war die französische Küche immer schon stark vertreten. Le Bernardin (mit dem österreichischen Weltklasse-Sommelier Aldo Sohm) oder das Daniel sind seit Jahrzehnten top, auch nach Pariser Kriterien. Aber die moderne „Bistronomy“ hat erst in den letzten Jahren Einzug gehalten. Zwei ehemalige Köche aus dem Balthazar, der ersten richtigen Brasserie New Yorks, haben sich im Frühjahr selbstständig gemacht und mit dem Frenchette am West Broadway einen neuen französischen Hotspot geschaffen. Vor ihnen ist schon Spitzenkoch Daniel Rose, der bereits in Paris mit seinem Spring für Furore gesorgt hat, in seine amerikanische Heimat zurückgekehrt und hat im Le Coucou die leicht verstaubte originale Brasserie/Bistro-Küche deutlich aufgefrischt. Den Kalbskopf gibt’s bei ihm mit Kaviar, das Entlein mit Foie gras, und in der Fischsuppe schwimmen Barsch, Aal und Tintenfisch. Ja, und dann gibt es in New York auch zwei Österreicher, die seit Jahren die rot-weiß-rote Fahne hochhalten. Kurt Guten­brunner ist für sein Wallsé seit 18 Jahren Michelin-besternt. Hat er früher eine moderne, internationale Küche serviert, besinnt er sich aktuell mehr auf seine österreichischen Wurzeln. Maronisuppe, Zwiebelrostbraten, Schnitzel und Sachertorte stehen auf der Speisekarte, zum Trinken gibt’s ausnahmslos österreichische Weine. „Ich hab schon seit Längerem den Trend zur klassischen Küche bemerkt, darauf muss man sich einstellen“, sagt er. Und der Erfolg im Wallsé gibt ihm recht – wie auch im Café Sabarsky, das er in der Neuen Galerie (unbedingt die nach New York übersiedelte „Adele“ von Gustav Klimt besichtigen!) mit Apfelstrudel zur Wiener Melange führt. Auch der zweite Austro-Amerikaner Edi Frauneder setzt auf Österreichisches. Im Freud (dort dinieren auch Präsident Van der Bellen und Kanzler Kurz, wenn sie in New York sind) und in seinem Edi & The Wolf fühlt man sich wie in der Heimat. Frauneder bestätigt: „Am besten geht das Schnitzel. Österreich ist zu einer Marke geworden, und das muss man ausnutzen!“ Österreichisch als Ethno-Küche, Schnitzel als Gourmet-Trend – wer hätte das gedacht. Aber im großen Schmelztiegel New York ist eben alles möglich.

Japanisch

Tetsu www.tetsunyc.com

Kappo Masa www.kappomasany.com

Sushi Yasuda www.sushiyasuda.com

Nobu www.noburestaurants.com

Koreanisch

Cote www.cotenyc.com

Jungsik www.jungsik.com

Atoboy www.atoboy.com

Chinesisch

Pings www.eatpings.com

Málà Project www.malaproject.nyc

Dadong www.dadongny.com

Indisch

Junoon www.junoonnyc.com

The Bombay Bread Bar www.thebombaybredbar.com

Mexikanisch

Cosme www.cosmenyc.com

Atla www.atlanyc.com

Italienisch

Marea www.marea-nyc.com

Del Posto www.delposto.com

Luzzo’s www.luzzospizzanyc.com

Don Antonio www.donantoniopizza.com

Französisch

Le Bernardin www.le-bernardin.com

Daniel www.danielnyc.com

Balthazar www.balthazarny.com

Le Coucou www.lecoucou.com

Frenchette www.frenchettenyc.com

Österreichisch

Wallsé www.kurtgutenbrunner.com

Café Sabarsky www.kurtgutenbrunner.com

Freud www.bar-freud.com