Gannerhof

Foto von Matteo Marioli
Text von Alexander Rabl

Nichts deutet derweil darauf hin, dass es ein heißer Sommer wird, außer die Statistik. Man wird also das Kühle der Berge aufsuchen wollen, und wer gerne da ist, wo die anderen nicht sind, fährt ins Villgratental. Während er sich in den vergangenen Jahren ein wenig auf geschmacklichem Selbsterfahrungstripp befand, scheint Josef Mühlmann jetzt etwas genauer zu wissen, wohin die Reise in seinem Gannerhof geht, einem Pionier der alpinen Gastronomie in Österreich und eines der ersten weit über dem Durchschnitt stehenden Restaurants in Osttirol.

Im Villgratental ist High-End-Cuisine nicht die beste Idee, weshalb Mühlmann, der jetzt wieder die Küchenmannschaft al­leine dirigiert, einen Gang zurück­geschalten hat. Nach einem Tag in der Natur passen die in fettem Teig gebackenen Brennnesseln, die es zum Einstieg ins Menü gibt, danach eine prachtvolle Scheibe vom 18 Monate gereiften Speck, dem das eingelegte Gemüse aus dem Garten neben dem Haus Säure und Frische verleiht. Überhaupt dieser Garten, eine Quelle der Freude. Die Forellen bekommt Mühlmann von seinem Bruder, der auf der wunderschönen Unterstalleralm eine kleine Zucht betreibt. Sie leben dort in eiskaltem Gebirgswasser, und das merkt man dem nicht zu klein geschnittenen Tatar auch an, das mit einer Espuma aus Gartenkohlrabi, Kräutern und Gräsern serviert wird – wunderbar.

Aus Gerste kocht Mühlmann ein Orzotto, wie man es in Italien nennt, gibt dazu salzigen Speck und das Öl vom im Frühling in großen Mengen gesammelten Bärlauch, ein Armeleuteessen eleganter Art. Die hier unverzichtbaren Osttiroler Schlipfkrapfen kommen mit geräuchertem Bergkäse und heißer Butter, Mühlmann macht sie etwas eleganter als auf der Berghütte, behält aber die geschmackliche DNA bei, was schließlich das Wichtigste ist. Zum rosa Rückenstück von der Gams gibt es Wacholderrosinen und Ofensellerie, eine bezwingend gute Paarung aus Säure und dezenter Süße. Kitz schmort der Küchenchef am Knochen und serviert es in einem hellen Sud mit Kräutern und Kartoffeln – das Einfache, das Gute.

„Kindheitserinnerung“ nennt er schließlich das Dessert aus Getreidemus und einem Eis aus Milch. Glücklich, wer solche Erinnerungen an die Kindheit sein eigen nennen kann. Auffallendes hat sich beim Wein getan. Die sehr patriotisch gestimmte, aber eher der Klassik zugetane Weinkarte bietet jetzt auch Ausflüge ins benachbarte Italien, vornehmlich Südtirol, und einiges, das man in Österreich unter Natur- beziehungsweise Alternativweine einreihen kann.

Küche: 4
Atmosphäre: 4,5
Weine: 3,5

Gannerhof
Gasse 93, 9932 Innervillgraten
T 04843/52 40
gannerhof.at

Crème brûlée
© Matteo Marioli
Küchenteam
© Gannerhof