Hauptstadt der Skigourmets

Anderswo mögen die Abfahrten schöner sein, aber das kulinarische Angebot macht Kitzbühel zum winterlichen Gourmetziel Nummer eins.

Hauptstadt der Skigourmets

Text von Hans Mahr Fotos: beigestellt
Hand aufs Herz – wer verbringt schon seinen Winterurlaub allein des Skifahrens wegen in Kitzbühel? Auch wenn mich meine Kitzbüheler Freunde noch so prügeln werden: Trotz Hahnenkamm sind die Pisten im Arlberggebiet einfach schöner, in den französischen Hochalpen gibt’s länger Schnee und für die Extremsportler sind die US-Wintersportorte samt Helitransport eine größere Herausforderung. Doch in Kitzbühel lässt sich’s nicht nur gut Ski fahren, sondern vor allem auch gut essen und trinken!!
Nirgendwo in den Alpen ist die Dichte der hervorragenden Restaurants und Wirtshäuser so hoch wie zwischen Horn und Hahnenkamm. 18 Sterne haben die A la Carte-Tester über Kitzbühel und Umgebung ausgeschüttet. Mit triftigen Gründen: In Kitzbühel gibt es nämlich beide Feinschmeckerwelten, die einfache, aber doch hervorragende Tiroler Küche und eine Gourmetküche mit Tiroler oder zumindest österreichischen Einflüssen.
Fangen wir mit dem "Bodenständigen" an. 37 Gäste nebst einem riesigen Kachelofen finden in der Wirtsstube des Bärenbichl, 20 Minuten außerhalb von Kitzbühel zwischen Aurach und Jochberg, Platz. Während sich der Senior schon etwas zurückgezogen hat und sich auf das Brennen von wunderbaren Schnäpsen (besonders zu empfehlen: die Vogelbeere, die Schwarze Ribisel sowie die Kletzenbirne) konzentriert, haben Junior und Ehefrau die Küche fest im Griff. Regionale Schmankerln und Tiroler Hausmannskost werden hier geradezu zelebriert. Erdäpfel-Tascherln, Blunzenscheiben, Kalbsbeuschel als Vorspeise, Spinatknödel, Kasspatzln, Tiroler Knödel (auch als "Bärenbichl-Dreierlei" auf der Karte) zum Hauptgang – da kann man aufs Kalorienzählen getrost vergessen. Aber keine Angst, für konservative Gemüter gibt’s auch Schweinsbraten, Ente und Tafelspitz. Nicht zu vergessen die Himbeer- und Moosbeernocken, die direkt in der Gusseisenpfanne an den Tisch gebracht werden. Ein zweiter Schnaps als Abschluss, und die Tiroler Welt ist in Ordnung. Allerdings empfiehlt sich eine frühzeitige Reservierung, denn seit der Geheimtipp nicht mehr ganz so geheim ist, ist vor allem zu hohen Festtagen kein Platzerl mehr in der guten Stube frei.
Nicht weit davon, in Jochberg gleich neben der Kirche, hält auch der Schwarze Adler die Tiroler Traditionen hoch. Schweinshaxerlsulz, Gröstl, Ente und Backhendl kommen in gediegener Qualität auf die alten Holztische und können mit den besten österreichischen Weinkreszenzen runtergespült werden. Nicht zu vergessen, dass der Traditionsgasthof weit mehr Gäste aufnehmen kann als das kleine Bärenbichl und somit auch in letzter Sekunde Reservierungen Erfolg haben können.
Ebenfalls mit stark heimischem Einschlag lockt die Gigglingstube in Aurach. Wenn auch der eine oder andere Tester im letzten Jahr "Langeweile" monierte, kann ich da nur aus Erfahrung dagegen halten. Die g’schmackigen Aufstriche auf hausgemachtem Bauernbrot zum Einstieg (Tomaten, Oliven, Grammeln), herrliche Rindfleischsuppen, der traditionelle Ochsenschlepp mit Erdäpfelpüree oder wahlweise eine 1-A-Forelle lassen keinen Wunsch offen. Während der Sohn in der Küche brilliert, kann man sich von Andreas Wahrstätter senior getrost den Wein empfehlen lassen. Zwischen der Wachau und der Toskana ist alles vorhanden, was Spaß macht.
Keine Gourmet-Tour in Kitzbühel und Umgebung darf die beiden Tiroler "Fusionsküchen" auslassen. In der Schwedenkapelle und beim Neuwirt gibt es wunderbare internationale Sternenküche mit Tiroler Einschlägen. Irmi Sitzwohl, den Wienern noch aus der Glanzzeit des Novelli ein Begriff, hat die etwas verstaubte Schwedenkapelle (am Wochenende jazzt der Hausherr selbst), gleich in der Nähe von der Fleckalmbahn wachgeküsst. Ihre mediterran-alpine Küche ist unbestritten vom Besten, was einem in Kitzbühel unterkommen kann. Sie spannt den Bogen vom Oktopus-Gröstl, Blutwurstravioli und Ochsenschwanzrisotto bis zur Thunfischroulade und einer Ente mit Currylinsen. Optimal ist, vorher anzurufen und sich bei Frau Sitzwohl samt ihrer kongenialen Pâtissière Lisi (die Schoko-Variationen mit Glühweineis sind ein Gedicht) ein Menü zusammenstellen zu lassen. Darüber kann man dann garantiert mehr reden als über die letzte Fleckalmabfahrt.
Ebenso ganz oben ist Stefan Hofer, den der rührige Kitzbüheler Fremdenverkehrschef Christian Harisch vom Arlberg in das Gourmetrestaurant Neuwirt seines Hotels Schwarzer Adler gelotst hat. Hofer balanciert zwischen mariniertem Schwertfisch und karamellisierter Gänsestopfleber, zwischen glaciertem Seeteufel mit Safran-Couscous und Krautsalat mit Branzino, zwischen Rebhuhn mit Wirsingtascherl und Lammkarree in Tandoorikruste. Der verdiente Lohn kam vor einigen Wochen aus dem fernen Frankreich: Nach drei Sternen von A la Carte gibt’s jetzt auch einen von Michelin. Und von den Stammgästen ein Danke, dass er auch Schnitzel, Ochsenbäckchen und Backhendl auf der Karte gelassen hat.
Bei den Streifzügen in und um Kitzbühel gibt’s aber noch andere Entdeckungen zu machen. Der Tennerhof unterhalb des Kitzbüheler Horns glänzt seit langem mit fantasievoller Küche (mit viel frischem selbstangebauten Gemüse und Biofleisch aus der Gegend) und der Tischlerwirt in Reith ist nicht nur bei den deutschen Stammgästen ein Dauerbrenner. Küchenchef Reinhard Brandner wird immer mutiger, er vermählt gutbürgerlich mit einer sehr stark aromageprägten Cuisine. Ehrlich gesagt, das Steinbuttfilet, der Saibling – alles war wunderbar, aber die Erdbeer-Topfenknödel zum Abschluss bleiben am stärksten in Erinnerung.
Im nahen Kirchberg muss man unbedingt Simon Taxacher im Rosengarten erwähnen, der sich nunmehr schon seit Jahren nach oben kocht. Er hat am konsequentesten die Tiroler Ecke verlassen und wagt sich voll aufs internationale Parkett. Manchmal traumhaft, manchmal mit ein bisschen zu viel "Rundherum" an Beilagen, das von der Hauptsache, dem exzellenten Fleisch und Fisch, eher ablenkt. Aber selbst in solchen Fällen versöhnt Ehefrau Christiane mit großer Weinauswahl und dem wahrscheinlich besten Schnapsangebot der Region.
Und weil schon so viel Positives über die "Hauptstadt der Skigourmets" geschrieben worden ist, noch eine Bitte an die Kitzbüheler Wirtsleute: Es gibt nicht nur Stammgäste. Auch Gäste, die man nicht kennt oder deren Kinder vielleicht etwas laut sind, haben das Recht auf freundliche Bedienung und gutes Essen. Denn vielleicht werden sie einmal zu Stammgästen …
Nur ein Satz noch zu den unzähligen Skihütten des Kitzbüheler Umlandes: Mit wenigen schmackhaften Ausnahmen (die Melkalm und das Sonnenbühel seien lobend hervorgehoben) präsentiert sich das Angebot für den Skifahrer fast durchgehend mittelmäßig bis schrecklich und eigentlich als Schande für die Region. Es kann doch eigentlich nicht so schwer sein, auch bei vollem Betrieb neben der Piste ein ordentliches Blutwurstgröstl, nicht tiefgefrorene Knödel und Würstel von ordentlicher Qualität anzubieten, oder?

Adressen

A la Carte-Restaurants

Schwedenkapelle, Klausenbach 67, 6370 Kitzbühel, Tel.: 05356/658 70

Neuwirt, Florianigasse 15, 6370 Kitzbühel,
Tel.: 05356/69 11

Tischlerwirt, Hallerndorf 15, 6370 Reith bei Kitzbühel, Tel.: 05356/654 16

Bärenbichl-Stube, Bärenbichelweg 35, 6373 Jochberg, Tel.: 05355/53 47

Rosengarten im Taxacherhof, Aschauerstraße 46,
6365 Kirchberg in Tirol, Tel.: 05357/25 27

Tennerhof, Griesenauweg 26, 6370 Kitzbühel,
Tel.: 05356/631 81

Skihütten

Alpengasthof Melkalm, Familie Pölzelbauer,
Hahnenkamm 32, 6370 Kitzbühel

Sonnbühel, Kontakt: Wolfgang Tomschy, Hahnenkamm 11, 6370 Kitzbühel, Tel.: 05356/627 76