Keplingerwirt
Sankt Hans im Glück
Linz hat die Torte, Gramastetten seine Krapferl und Ottensheim die Brezerl. Das kulinarische Wahrzeichen, Grammeltascherl mit Rieslingkraut, liegt jedoch in St. Johann am Wimberg, auch liebevoll „Sankt Hans“ genannt. Hüter der Rezeptur ist das Landhotel Keplinger, seit Jahren eine Bastion des guten Geschmacks. Es war wohl irgendwann in den 80er-Jahren, als Erika und Heinrich Keplinger das Gericht entwickelten und damit einen kulinarischen Meilenstein ins Mühlviertler Hügelland setzten. Freilich, gut essen konnte man hier schon immer. 1540 wurde der Betrieb erstmals als Taverne geführt. 1938 kauften die Keplingers, damals einfache Bauersleute, das Wirtshaus und entwickelten es mit ein paar Zimmern behutsam weiter, stets darauf bedacht, den Familienbetrieb hochzuhalten und den Gästen mit Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Sympathie zu begegnen. An den Mühlviertler Tugenden hat sich bis heute wenig geändert. Nach wie vor ist der Keplingerwirt ein Familienbetrieb. Seniorchefin Erika steht mit 72 Jahren noch immer in der Küche und ist die Erste, die das Licht anmacht. Unterstützt wird sie von Tochter und Küchenchefin Andrea (war einst bei den Obauer-Brüdern), während Sohn und Juniorchef Heinz im Service arbeitet und die andere Tochter, Birgit, für das Hotel verantwortlich ist.
Geblieben sind die Grammeltascherln mit Rieslingkraut. „Die nehmen wir nicht von der Karte. Das können wir unseren Gästen nicht antun“, sagt Heinz Keplinger. Etwas Ähnliches wird man auch nicht bekommen. Die Kombination aus Erdäpfelteig, Grammeln und Kraut mit Speck ist normalerweise ein Indiz für aromatische Küche zum Niederlegen. Der Keplingerwirt zaubert aus den Zutaten ein leichtes Wohlfühlgericht. Der Teig, seidig weich und dünn wie ein Libellenflügel, umhüllt zart schmelzende Grammeln und wird von leicht säuerlichem Kraut ideal begleitet. Gibt’s als Vor- und als Hauptspeise und steht stellvertretend für die Küchenausrichtung. Ehrliches Handwerk, kombiniert mit besten Mühlviertler Produkten. Man benötigt keine Show und keinen großen Schnickschnack, um die Gäste zu begeistern. Beef Tatar als Amuse wird selbstverständlich per Hand gehackt und mit gebackenem Wachtelei zu Tisch gebracht. Sehr gut: knusprige Saiblingsnockerl mit perfekt geputzten Eierschwammerl aus dem Böhmerwald, die wie frisch gebrockt schmecken – so, als hätte man gerade selbst den Wald durchforstet.
Piberbacher Lachsforelle, zart gedämpft, um den Geschmack zu bewahren, kommt im fruchtig-aromatischen Paradeiser-Basilikum-Sud mit feiner Säure besonders gut zur Geltung, dazu luftiger Parmesanschaum und Melanzani-Teigtascherl aus Nudelteig. Die Keplingers scheinen die Mühlviertler Instanz in Sachen Teigtaschen zu sein. Es würde nicht verwundern, wenn sogar Italiener etwas neidig nach Österreich blicken. Erdäpfel-, Topfen- oder Nudelteig – alles gelingt mit traumwandlerischer Sicherheit. So wie die Frischkäseravioli mit Paradeiserragout, Rucola und Parmesan – ein Wohlfühlgericht.
Heidelbeertascherln, Mus, Röster und Sauerrahmeis sind sowieso stets eine Bank. Oder man taucht gleich in die ganze Palette ein und bestellt die Nachtischvariationen, unter anderem mit Topfenknödel und Buttermilch-Limetten-Creme. So viel vorweg: Es lohnt sich. Ebenso empfehlenswert ist, auf die Weinempfehlungen zu vertrauen. Manch Unbekanntes ergänzt die großen Kapazunder, alle fair bepreist und von Janik Schwarz, der österreichischen Nachwuchshoffnung, perfekt erklärt. Der 18-Jährige ist unter anderem Jungsommelier des Jahres und verleiht dem Restaurant noch mehr Glanz. St. Hans darf sich glücklich schätzen.
Küche: 4
Atmosphäre: 4
Weine: 4
Keplingerwirt
St. Johann 14
4172 St. Johann am Wimberg
T 07217/71 05
keplingerwirt.at