Neue Küche in der Neuen Welt
Für genaue Beobachter der internationalen Gourmettrends ist Australien seit einigen Jahren die absolute Top-Destination. In den Metropolen des fünften Kontinents isst man erstaunlich gut.
Neue Küche in der Neuen Welt
Text von Hans Mahr Fotos: beigestellt
Bei meinem ersten Australien-Besuch vor 20 Jahren war ich froh, in Sydney und Melbourne zumindest ein ordentliches Steak zu bekommen. Guter Wein war nur von ganz wenigen Gütern zu erhalten und der Inbegriff der "normalen" Kulinarik war ein lärmendes und stinkendes Pub. Zwei Jahrzehnte später ist Australien eine Hochburg für Feinschmecker und Genießer.
Damit wir uns richtig verstehen: Es geht um die großen Metropolen an den Küsten des fünften Kontinents, nicht ums Landesinnere (im "Outback" geht’s weiterhin noch recht rustikal zu). Aber zwischen Brisbane, Sydney und Melbourne, in Adelaide und in Perth gibt’s heutzutage ein kulinarisches Angebot, das sich vor den europäischen Metropolen nicht verstecken muss.
Gourmet-Hauptstadt ist natürlich Sydney. Mit der "Modern Australian Cuisine" (viel frischer Fisch, asiatische Gewürze, wenig Fett und viel spielerische Kreativität) hat die Restaurant-Szene Sydneys einen derartigen Aufschwung genommen, dass der "Good Food Guide 2006" (der beste australische Führer) auf über 300 Seiten angewachsen ist.
Der unbestrittene Star der Gourmet-Küche ist ausgerechnet ein Japaner: Tetsuya Wakuda "fusioniert" die japanische Küche mit Australien und serviert ein zwölf Gänge umfassendes Degustationsmenü. Lobster in einer Muschelterrine, Tuna-Tatar im Rosa-Pfeffermantel, Meeresforelle mit Avocado-Kaviar – ein wahrer Geschmackstornado, wie man ihn sonst nur in Paris oder London erlebt. Aber auch das Kalbfleisch mit Wasabi-Butter oder das Wagyu-Beef in einer Limetten-Sauce zeigen, dass die Künste des Australo-Japaners nicht nur auf Seafood beschränkt sind.
Knapp dahinter (was Originalität betrifft) haben sich zwei Restaurants platziert, die erst in den letzten Monaten so richtig gourmet-mäßig aufkochen. Das Est. in einem alten Bankhaus mit Säulen und Stuck und das Quay direkt im neuen, von einer offenen Glasfassade dominierten Hafengebäude mit Blick auf die Sydney-Oper. Beide sauteuer (deutlich über 100 Euro), beide top-"in" und beide wirklich gut. Nicht auslassen sollte man im Est. die Bay-Krabben im Ingwer-Jus und die sensationellen Wachtelravioli mit Abalone im Quay.
Absoluter Liebling der In-Crowd ist aber das neue Flying Fish an der Spitze von Darling Harbour. Im Erdgeschoß eine Austernbar, von der man den Sonnenuntergang genießen kann, bevor man im
ersten Stock des renovierten Docks ein Feuerwerk an Aromen und wilden Kombinationen genießen kann: Tuna mit Schweinespeck, Scampi mit Kapern, Kabeljau mit scharfen Calamari – neun Gänge um 80 Euro. Vom Charme und vom Preis-Leistungs-Verhältnis ist das Flying Fish für mich die Nummer eins in Sydney.
Wer an den berühmten Bondi Beach fährt, dort, wo sich die Beach-Beautys von Sydney ihren Sonnenbrand holen, hat zwei Möglichkeiten: Im Glaspavillion am Wasser liegt das italienisch ausgerichtete Iceberg. Nicht schlecht, aber die Bar mit ihrem wunderbaren Blick ist – ehrlicherweise – aufregender als das Essen. Den kulinarischen Genüssen sollte man eher im kleinen Mu Shu, etwas weiter vom Strand entfernt, zusprechen. Der interessante Asien-Mix von Austern mit Wasserkastanien bis zum Schweinemagen mit Chiligemüse ist einen Ausflug nach Bondi Beach wert.
Weiter geht’s nach Melbourne, der wahrscheinlich europäischsten Metropole Australiens, wo in wenigen Wochen die Formel-1-Piloten ihre Runden ziehen werden. Schumacher, Klien und Co. wird man auch dieses Jahr wahrscheinlich im Donovan’s direkt am St. Kilda Strand treffen. Zuerst bei einem Drink im Strandsessel auf der Terrasse (inklusive dramatischem Sonnenuntergang), dann im gemütlichen Restaurant bei frischem Fisch (Lachs aus Tasmanien, Lobster aus Victoria, Barramundi aus Queensland) oder herzhaften Steaks (meist aus Westaustralien).
Wer’s ein bisschen moderner will, besucht das Taxi am Yarra River. Dort kocht der Brite Michael Lambie eine gewagte, aber originelle "Fusion" aus Japan, Australien und Europa. Meine Lieblingsgerichte: ein vierfaches Sashimi vom Thunfisch (vom Tatar bis zum Salat) und dünne Schnitten vom Wagyu-Beef mit schwarzen Bohnen.
Melbourne hat auch die größte Chinatown Australiens – und daher auch die beste chinesische Küche. Das Flower Drum liegt im Herzen der Stadt und serviert Krabbenknödel, geschnetzelten Butterfisch und Peking-Ente. Von der Qualität her gibt es wahrscheinlich außerhalb von China nur wenige Lokale, die auf derart hohem Niveau moderne Gourmet-Ansprüche erfüllen.
Wem es wirklich um frischen Fisch geht, der sollte den Abstecher nach Tasmanien am Südzipfel des Kontinents wagen. Ein Gutteil der Spitzenrestaurants Australiens wird von Hobart, der kleinen Insel-Hauptstadt, mit jedem erdenklichen Seafood versorgt. Vor Ort, im Prosser’s on the Beach wird fast alles direkt aus dem Wassertank in die Küche und dann auf den Teller expediert. Chef Stuart Prosser taucht in seiner Freizeit selbst nach Langusten und Jakobsmuscheln und kauft selbst um 5 Uhr früh auf dem Fischmarkt ein. Einfach, aber schmackhaft sind auch die Fish and Chips in den Buden im Hafen von Hobart, in Bierbutter herausgebraten, mit dicken Kartoffelchips und nicht wie in England mit Essig versaut. Als Mittagssnack einfach unschlagbar.
Noch zwei weitere Städte locken mit Kulinarischem: In Adelaide, unweit des Barossa Valleys, dominiert zwar die Qualität des Weins, aber auch die Küche hat einiges zu bieten. Im Magill Estate, das dem Weingut Penfolds gehört, zeigt ein Franzose (Jerome Tremoulet), dass man auch Frankophiles mit "Modern Australian" mischen kann. Ein Beispiel gefällig? Bäckchen vom Angus-Rind im Jus von Weintrauben und dazu einen "Grange" – den gibt’s dort glasweise.
Auch in Perth an der Westküste geht es natürlich vor allem um den Wein (der Margarete River ist nahe). Trotzdem kommen Seafood-Liebhaber auf ihre Rechnung. Die Oyster-Bars des Restaurateurs Warren Mead gibt es gleich vier Mal – die schönste mit spektakulärem Blick auf den Swan River. Die Austern von der nahen Coffin Bay kommen mit Sake, mit Sesam, mit Soja, mit Ingwer, mit Kokosmilch oder eben ganz "natur" und sind die besten Australiens. Und die Fische gibt es wahlweise gekocht, gedämpft, gebraten oder gegrillt. Dazu einen frischen Sau-
vignon blanc oder einen der neuen australischen Rieslinge – Genuss ohne Firlefanz und Gourmet-Mühsal.
Apropos Wein: Nirgendwo auf der Welt bekommen Sie bessere und günstigere Weine als in den australischen Restaurants. Drei Tipps: Bleiben Sie bei australischen Produkten, sie sind es wert. Zweitens: Verlassen Sie sich nicht auf die liebenswerten, aber oft recht unkundigen Sommeliers, sondern eignen Sie sich einige Grundkenntnisse an und wählen Sie selbst. Und drittens: Sie brauchen nicht zu tief in die Tasche greifen, bereits um 50 Australische Dollar (35 Euro) gibt es absolute Spitzenprodukte – und bei diesen Preisen kann man ja auch zwei Flaschen probieren …
Adressen
Sydney
Flying Fish Lower Deck, Jones Bay Wharf, 19–21 Pirrama Rd, Pyrmont,
Tel.: (02) 9518 6677.
www.flyingfish.com.au
Tetsuya’s 529 Kent Street,
Tel.: (02) 9267 2900
www.tetsuyas.com
Quay Upper Level, Overseas Passenger Terminal, West Circular Quay,
Tel.: (02) 9251 5600.
www.quay.com.au
Est. Level 1, 252 George Street,
Tel.: (02) 9240 3010.
www.merivale.com
Mu Shu 108 Campbell Pde, Bondi Beach,
Tel.: (02) 9130 5400.
www.mushu.com.au
Icebergs Dining Room & Bar
1 Notts Ave, Bondi Beach,
Tel.: (02) 9365 9000.
www.idrb.com
Melbourne
Donovans 40 Jacka Blvd, St Kilda,
Tel.: (03) 9534 8221.
www.donovanshouse.com.au
Taxi Level 1, Transport Hotel, Federation Sq,
Tel.: (03) 9654 8808.
www.transporthotel.com.au
Flower Drum 17 Market Ln,
Tel.: (03) 9662 3655
Hobart
Prosser’s on the beach Beach Road, Sandy Bay,
Tel.: (03) 6225 2276.
www.prossersonthebeach.com
Adelaide
Magill Estate 78 Penfold Rd, Magill,
Tel.: (08) 8301 5551.
www.penfolds.com.au
Perth
Perth The Oyster Bar Mead’s,
15 Johnson Pde, Mosman Bay,
Tel.: (08) 9383 3388.
www.meads.com.au