Oh, wie schön ist Panama

Eine Fact-and-food-finding-Misson in Panama, ganz ohne Briefkastenfirmen. Dafür mit der ­vielleicht besten Küche in Mittelamerika, dem ­Besuch der Kuna-Indios im San-Blas-Archipel und der vergeblichen Suche nach der Tigerente.

Text von Hans Mahr Foto Getty images

Der quirlige Guide klopft sich auf die rechte Schulter. „Das ist der Pazifik!“, deutet er bedeutungsschwer an. Und dann – tapp, tapp – die linke Schulter: „Hier haben wir den Atlantik!“, und zu guter Letzt legt er die flache Hand auf seinen Kopf: „Da ist Panama!“

Aha, verstanden. Das Meer auf beiden Seiten liegt tiefer, und deshalb müssen die Schiffe im Dock des Panamakanals auf der einen Seite 37 Meter raufgehievt und 80 Kilometer weiter am Ende des Kanals wieder runtergelassen werden. Kostenpunkt pro Tanker: rund eine Viertelmillion Dollar pro Passage. Ist schon faszinierend, so eine Fahrt auf dem Panamakanal, sechs Stunden vom Atlantik zum Pazifik, vorbei an idyllischen Dörfern, Dschungel und den herzigen Äfflein, die tatsächlich scharf auf Bananen sind.

Panama hat auch den Ruf der spannendsten Küche Mittelamerikas. Eine Mischung aus mexikanischer und lateinamerikanischer Küche mit afrikanischen, karibischen und chinesischen Einflüssen – entsprechend der bunten Einwohnermischung, den Nachkommen derer geschuldet, die als Arbeiter beim Bau des Panamakanals hier an der engsten Stelle zwischen zwei Weltmeeren nach Mittelamerika gekommen und dann für immer geblieben sind.

Das Maito am Rande der Casco Viejo, der Altstadt von Panama City. Eine schmucke blassblaue ebenerdige Villa, nicht sonderlich elegant, eher gemütlich mit viel Bambusmobiliar. Aber bitte nicht täuschen lassen – das Maito ist die Nummer 17 auf der Liste der World’s 50 Best Restaurants und die Nummer eins in Mittelamerika. Und dementsprechend hervorragend zeigt sich auch die Küche. Nicht wie üblich panamaisch schwer und fettreich, sondern schlank und wunderbar leicht. Palmenherzen mit Cashewnüssen, die Tuna-Ceviche mit Maracuja, die Tintenfische auf Schwarzem Reis mit Knoblauchsauce, der Cobia-Fisch in einer Mais-, die Schweinerippchen in einer Biersauce. Und die ganz Mutigen trauen sich auch über die Meeresschnecken.

Zum Schluss einen 18 Jahre alten Rum, und der erste Abend in Panama City ist perfekt. Am nächsten Tag werden wir zu Mittag ins Lo Que Hay geschickt – auf Deutsch heißt das „was da ist“. Und „da ist“ eine Menge. Ein kleines Lokal mit sieben Tischen in der verwinkelten Altstadt, offene Küche, laute Musik, ein bisschen crazy, aber tatsächlich die Empfehlung wert. Yuca-Tortilla (Yuca ist eine kartoffelähnliche Wurzelknolle) mit Tuna-Sashimi, Schweinebauch mit Bohnen, frittiertes Chicken mit Gemüse und einiges mehr verkündet die auf der Schiefertafel farbig aufgemalte Speisekarte.
50 Meter vom Meer entfernt, noch in der Altstadt, wartet das originellste Lokal auf den neugierigen Europäer. Das Tomillo liegt mitten in der Ruine einer alten Kirche. Rechts und links bröckelnde Mauern, vorne eine moderne Bar und unter freiem Himmel elf lange Holztische, an denen man sich die diversen Tapas sowie Fleisch- und Fischteller für die ganze Familie servieren lassen kann. Unbedingt zu empfehlen: die Tuna-Ceviche mit Süßkartoffel, Quinoa und ein paar essbaren Blümchen. Oder Pepperoni-Gnocchi mit scharfer Tomatensauce, angeblich so, wie sie die ­Mutter von Chef Milanes gekocht hat. Und als – teilbare – Hauptgänge Mero Mero, eine Seafood-Terrine mit Passionsfrucht, oder das Puerco carnita, eine Art Focaccia mit Schweinefleisch, Spinat und Mozzarella.

Ähnlich abenteuerlich präsentiert sich auch die Speisekarte im nahen Caliope, das am nächsten Tag getestet wird. Dort gibt’s zumindest trinkbaren Wein und als gastronomischen Höhepunkt „Belly Dance“ – gebratenen Schweinebauch mit Karfiolsauce, Fenchelsalat und schwarzem Olivenpulver. Klingt komisch, schmeckt aber doch recht eindringlich.

Genug vom vielen Fleisch, eigentlich müsste ja gerade zwischen Pazifik und Atlantik guter Fisch angeboten werden. Na ja, gar nicht so einfach, wie man sich das als Tourist vorstellt. Im schicken Yachthafen auf der vorgelagerten Isla Flamenco kommt vorherrschend zwischengefrorenes Seafood auf den Teller, das kann man sich sparen. Spaß macht am meisten, wie üblich in Küstenländern, der Fischmarkt, der „Mercado de Mariscos“. Der Markt selbst ist nur bis halb drei am Nachmittag offen, aber rundherum in den vierzehn Fischrestaurants im Freien kann man bis zehn Uhr abends „Seafood total“ schlemmen. Garnelen, Tintenfisch, Muscheln und Fisch, Fisch, Fisch – „apanada“, also gebacken und frittiert, „a parilla“, gegrillt, oder „al ajillo“ in einer über die Maßen intensiven Knoblauchsauce. Trotz dieser muss man sich die Marktküche einfach mal geben, wenn man nicht zu hohe gastronomische Ansprüche stellt. Frisch ist er, der Fisch, und billiger kriegt man ihn nirgendwo. Noch zwei Tipps für alle, die Meeresfrüchte suchen: Familiär und kostengünstig lässt es sich im El Trapiche (drei Mal in Panama City) dinieren, peruanisch-japanisch und damit höherpreisiger im Nazca 21.

Die größte Überraschung in puncto Seafood befand sich dann ­abseits der malerisch-verstopften Altstadt im Norden von Panama City. Im Viertel Curundú hätte man sich vor einigen Jahren nicht freiwillig aufgehalten. Verfallene Häuser, Banden, die ihre Streitigkeiten durchaus auch mit Schusswaffen auf der Straße austragen, ab und zu ein kleines Feuerchen auf der Schutthalde. „Aber seit einigen Jahren ist ­Curundú wieder akzeptabel geworden, viel wurde wieder aufgebaut, neue gutbürgerliche Familien sind eingezogen. Dort musst du hin!“, hat uns unser Führer und Freund Manuel geraten – und zwar „für die beste Seafood-Küche von Panama“.

Tatsächlich gibt es bei Peach Fuzz International den vielleicht besten Fisch in Panama. Danny, so heißt der Eigentümer, ist Amerikaner mit Wurzeln in Mittelamerika und schließlich in der Hauptstadt sesshaft geworden. Um halb fünf Uhr früh kauft er am Fischmarkt ein und serviert bis neun Uhr abends alles aus seiner Mini­küche: Lobster, Shrimps, fünf verschiedene Pazifik-Fische, entweder gebacken, mit Knoblauch oder in pikanter Sauce, mit angeblich sechzehn verschiedenen Gewürzen („Geheimrezept“) angerichtet. Am besten sitzt man an den wackeligen Tischen vor dem Lokal, schaut den Kids beim Fußballspielen zu und genießt Dannys Kreationen – ein Abenteuer mit gutem Ausgang. Warum er denn das Lokal ausgerechnet Peach Fuzz getauft hat? Er deutet er auf seinen recht kahlen Kopf: „Weil mich die Kinder wegen meiner haarlosen Pracht Mr. Peach, also Pfirsich, getauft haben!“

Im Stadtviertel Casco Viejo dudeln Latino­klänge und Jazz aus den unzähligen Lokalen. Die Stimmung ist wie immer aufgekratzt, und Fremde werden sehr freundlich aufgenommen. Schließlich kommen nicht alle wegen der Banken her und deren Umgang mit Geld und Firmenschachteln, wie wir das aus den Panama-Papers kennen. Sehr empfehlenswerte Cocktails mixt und shakt man im Strangers Club in der Altstadt. Von sechs emigrierten New Yorker Barkeepern gegründet, wird die karibisch-amerikanische Cocktailkultur geradezu zelebriert; zu Preisen (fünf Dollar), für die man anderswo höchstens ein laufwarmes Bier nach Mitternacht bekommt. Signatur Drink ist der „Angie“ – eine Mischung aus Gin, Passionfruit, Lemongrass und etwas Eiklar.

Letzte Station der Fact-and-food-finding-Tour in Panama sind die paradiesischen San-Blas-Inseln auf der anderen, der Atlantik-Seite. Dort trifft man auf die Kunas, einen indogenen Stamm, bewusst und stolz wie vor hunderten Jahren. Ohne Strom, daher auch ohne Aircondition, Handys oder anderen kulturzivilisatorischen Beifang, leben die Kuna-Indios wie ihre Ururgroßväter und Ururgroßmütter. Unsereins darf sie als Tourist ein paar Tage lang besuchen und mit ihnen eine Zeitreise machen.

Tagsüber auf dem Katamaran von einer Miniinsel zur nächsten, schwimmen, schnorcheln, faulenzen, dann Gemüse und Früchte sammeln oder einen Fisch angeln für den Abend am Kochfeuer vor der Hütte. Freundlicherweise wird auch ein Huhn gespendet, das am Morgen noch hinterm Bungalow gegackert hat und jetzt im heißen Erdloch schön langsam dünstet. Ja, es schmeckt auch ganz gut, mit ein wenig Pfeffer, Chili und anderen Gewürzen, deren einheimische Namen man sich nicht wirklich merken kann. Zugegeben, ans harte Hüttenlager muss man sich erst gewöhnen. Und ans Schlafengehen, wenn’s finster wird, und ans Aufstehen, wenn’s hell wird, sowieso.

Aber die größte Erfahrung für den heutigen Digitalmenschen ist sicherlich, dass man drei Tage ohne Handy, ohne Telefon, Mail und Internet überleben kann. Kaum zu glauben, was Panama alles zu bieten hat.

Panama City

Maito
www.maitopanama.com

Lo Que Hay
Calle 12 Este Entre Avenida Central
Tel.: +507/202 68 92

Gelarti
Av. A, Panama,
Tel.: +507/830 75 96

Tomillo
www.tomillopanama.com

Caliope
www.calioperestaurant.com

Mercado de Mariscos
Av Balboa, Tel.: +507/506 57 41

El Trapiche
www.eltrapicherestaurante.com

Nazca 21
Calle 8a Este 507
Tel.: +507/393 72 62

Peach Fuzz
Calle Q
Tel.: +507/6526 06 15

Strangers Club
www.thestrangersclubpanama.com

San-Blas-Inseln:

www.sanblasdreams.com
www.papayatours.com
www.sanblassailing.com