Retro-Mittagessen in Mautern

Foto von Pascal Dallarosa

Das gute Mittagessen stirbt aus, hört und liest man von den deutschen Nachbarn. In Berlin gibt es nur noch ein gutes Restaurant, das mittags aufhat. Auch in Österreich servieren viele High-End-Restaurants nur am Abend, das beginnt in Wien und endet in den Wintersport­orten im Westen. Dass sich die Gäste mittags nur mit Hüttenessen oder Lieferpizza stärken, wird als gegeben angenommen. Doch das Mittagessen ist Teil der kulinarischen Zivilisiertheit einer Gesellschaft. Ein gutes Restaurant, vor allem ein gutes Restaurant am Land, sollte seine Gäste auch zur Mittagszeit empfangen, zumindest an ein paar Tagen in der Woche. Undenkbar, dass die Italiener oder die Franzosen in ihren Spitzenrestaurants nicht mittags essen dürften, und es sind keine Billigmenüs, derentwegen sie den Mittagstisch aufsuchen.

Ortswechsel nach Mautern. Schlechtes Wetter an einem Donnerstagmittag in der Nebensaison. Das Landhaus Bacher ist trotzdem fast bis auf den letzten Platz gebucht. Einzelesser, Pärchen, größere Runden, ein Zehnertisch, eine euphorische Kochkursgesellschaft. Neben der üblichen Karte mit vier unterschiedlichen Menüs leisten sich Thomas Dorfer und sein Team ein drei- bis viergängiges Mittagsmenü „österreichischer Küche“, das mit rund 60 Euro und ein paar Zerkratzten zu Buche schlägt. Keine kostenaufwendigen Premium-Produkte, aber erstklassige Zubereitung. Die gerade richtig temperierte und perfekt abgeschmeckte Bouillon kommt mit Miniatureinlagen: Grießroulade, Schinkenschöberl, Leber-Briesschnitte, eine Markscheibe, großzügig Schnittlauch. Bilderbuchartige Umsetzung einer Ikone der österreichischen Küche. Wo bekommt die Küche Ziegenkitz in dieser unvergleichlichen Zartheit her? Das fragt man sich. Es wird in der Art, wie Lisl Wagner-Bacher früher arbeitete, in drei Varianten zubereitet. Das Nüsschen rosa, ein anderes Teil geschmort, dann ein kleines Butterschnitzel, Butterschnitzel vom Kitz, Sie verstehen? Die akkurat genau zubereiteten Gemüse verdienen Achtung, doch die kleinen Erdäpfel, die ganz offenbar in Suppe oder in Jus finalisiert wurden und an den Rändern vom Saft durchtränkt sind, gehören in die Kategorie Weltklasse. Mondsee-Hecht (die Crew des Landhauses unterhält ganz außergewöhnliche Beziehungen zu den besten Fischern an den Salzkammergutseen) kommt in Knoblauchbutter gebraten, kombiniert mit Frühkraut, Fenchel und Erdäpfelpaunz’n. Aus dem Hecht macht die Küche auch ein Soufflé und serviert es mit Traunsee-Krebsen, einem Arrangement aus Spargel, gepickeltem Bummerl-Kren-Salat und geräuchertem Zanderspeck. Hauptdarsteller des Tellers ist aber die Sauce Nantua, die aus Flusskrebsen-Butter und Crème fraîche (und etwas Cognac) besteht und in Lyon (wo sie traditionellerweise zu Hechtnockerl serviert wird) zum kulinarischen Welterbe gehört.

Was gibt es dann als Dessert? Wa­chauer Marillenpalatschinken, denen dank Lisl Wagner-Bachers selbst gemachter Marillenmarmelade teuflisch viel Aroma und Säure innewohnen. Da muss die Patisserie nicht viel machen. Wem dieses Mittagessen dann nicht als zu billig, aber doch als sehr preiswert erscheint, kann das mit ein paar Gläsern mehr als zwanzig Jahre gereiftem Bordeaux locker wettmachen. Ein guter Rotwein, wenn er nicht monatelang coraviniert auf den Gast warten musste, zu einem angemessenen Preis – auch das ist Internationalität. Das dezent mit wertigen Möbeln und Geschmack neu gestaltete Restaurant muss man sich nicht schöntrinken, musste man nie.
Alexander Rabl

Küche ●●●●●
Atmosphäre ●●●●●
Weine ●●●●●

Landhaus Bacher
Südtiroler Platz 2
3512 Mautern an der Donau
T 02732/829 37
landhaus-bacher.at