Rosso di Aqua e Sole

Fisch und Grips

Foto von Ness Rubey
Text von Philipp Braun

Einst als Osteria konzipiert, gilt das Linzer Rosso heute als Fischinstanz und zeigt, aufbauend auf der italienischen DNA mit frischer, selbst gefertigter Pasta und Fleischspezialitäten von Dario Cecchini, die Vielfalt an Fischspezialitäten auf. Pa­tron Ingmar Goetzloff wuchs als Kind in der Nähe von Mailand auf und eröffnete vor knapp zehn Jahren das Lokal in der Nähe des Hauptbahnhofs. Der starke Fokus auf Dry-aged-Fisch und Meeresfrüchte begann während Corona. Goetzloff wollte Fisch wie Fleisch behandeln und leistete sich einen Reifeschrank, den man sonst für Fleisch, Schinken und Salami verwendet. Statt Wurstwaren baumeln seither etwa Gelbflossenmakrelen bei null bis zwei Grad an einem Haken und reifen bis zu sechs Wochen. Neben dem bewährten Koch Djordje Materic aus Serbien angelte sich Goetzloff heuer zwei weitere Profis, um den kulinarischen Radius zu erweitern: José da Silva aus Portugal und den passionierten Angler Florian Gintenreiter (zuletzt Rahofer in Kronstorf), der sein Handwerk im Pariser Sternerestaurant Vantre perfektionierte.

Bevor die Küche mit Fisch den Abend beginnt, grüßt sie mit gebratenen und zart marinierten Lammherzwürfeln, in Blutampfer eingewickelt und von drei Monate geselchtem Sellerie hervorragend begleitet. Danach weht bereits die Meeresbrise über den schön gedeckten Tisch.

Poget-Austern von der Marennes-Oléron-Bucht eröffnen das Menü und begeistern mit festem Fleisch und salzigem, leicht süßlichem Aroma. Sowohl natur perfekt als auch in Kombination mit Gurke und Gin. Vier Wochen gereifte Gelbflossenmakrele wäre solo genossen schon ein Traum, doch Gintenreiter kleidet sie mit Spargel, Tomatenwasser, Basilikumöl und einreduziertem ­Apfelssig in ein Bad der vielschichtigen Aromen, die den Fisch noch besser in Szene setzen. So soll es sein. Wer Glück hat, darf sich über kapitale Fischstücke im Ganzen freuen. Zum Beispiel mächtiger Thunfisch, geschnitten wie ein Porterhouse-Steak; oder ganzer Steinbutt, gebraten, mit geschmolzenem Rindermark aus der Toskana übergossen und von gesalzenem Fisch-rogen begleitet – eine aromatische Wucht.

Kaum sichtbar sind die mit Sepiatinte gefärbten Tempura-Sardinen auf schwarzem Teller. Aber sie öffnen die Augen dafür, was der Speisefisch für ein geschmackliches Potenzial besitzt. Optisch gewagt, sensorisch ein Volltreffer. Freilich muss man kein Pescetarier sein, um das Rosso wohlgestimmt zu verlassen. Cjarsons, friulanische Teigtaschen, füllt Gintenreiter mit Brennnesseln und bildet darum einen Teich aus Lammblut. Zarter Zimtgeschmack, etwas Süße von den Rosinen und ein Bollwerk an purer Aromatik. Goetzloffs Mama bäckt oft die Mehlspeisen. Alternativ bekommt das Küchenteam Unterstützung von der Patissière Carina Kaiser. Die Lebensgefährtin von Gintenreiter hilft immer wieder mit Geistesblitzen, Rezepten und ihrem Handwerk aus. Zum Beispiel: Mille-feuille mit Erdbeersorbet und Crème Chantilly. Tausend Dank dafür.

Küche: 4
Atmosphäre: 4
Weine: 4

Rosso di Aqua e Sole
Weingartshofstraße 29, 4020 Linz
T 0699/11 11 22 12
restaurantrosso.at

José da Silva
© Ness Rubey
© Ness Rubey