Trés hip: Wir lassen anbrennen

Über glühende Kohlen, angebrannte Milchcreme und Asche als Gewürz auf dem Hauptgang.

Text von Alexander Rabl Foto: GettyImages

Grillsaison ist. Die Österreicher spielen wieder mit dem Feuer. Manche Würstel verbrennen ihre Steaks, worauf sich ihre Gäste verkohlt fühlen. Einstweilen arbeitet auch die kochende Avantgarde nicht erst seit heute mit den Themen Holz, Feuer, Kohle und Asche. Die Köche der Neuzeit gehen dabei sogar ziemlich weit. Erinnern wir uns , was wir getan haben, wenn ein Stück Weißbrot einmal zu lange im Küchentoaster verweilt hatte, und entsprechend schwarz vor Ärger darüber war, dass es vergessen worden war. Es verbrannte, doch wir schnitten den schwarzen Teil einfach ab und auf den nicht verbrannten schmierten wir Butter und Marmelade. Heute wäre das fast schon große Küche.

Daniel Lindeberg, Patissier und Partner von Frantzens Lindeberg in Stockholm, lässt die Dinge absichtlich anbrennen. Danach wird das verbrannte Teil entfernt, ein starkes Röstaroma durchdringt den Rest. Schmeckt neu und gut. Der so genannte French Toast, eine Kreation aus Stockholm, ist knapp bis zur Ungenießbarkeit geröstet, was mit den Aromen der weißen Trüffel in Verbindung mit Honig und einer soja-basierten Sauce schön und gut funktioniert. Daniel Lindeberg erzählt, wie sich seine Freude am Verbrannten noch auf die Küche des Stockholmer Restaurants auswirkt, zum Beispiel Asche: „Ich verwende Asche wie ein Gewürz. Zum Beispiel Heu-Asche. Die passt gut zu Desserts, gibt dem Ganzen eine bittere Note.“ Also nutzt Lindeberg Asche wie ein Gewürz? „Kann man so sagen. Ich verwende sie auch für Jakobsmuscheln.“

Als Kind lernen wir, dass man besser nicht auf die heiße Herdplatte greift. Früher kriegte Muttern die Panik, wenn in der Küche die Milch anbrannte. Lindeberg macht sich nichts draus, er macht aus der Milch, die er anbrennen lässt und immer wieder mit frischer Milch anbrennen lässt, eine Creme. Durch das Anbrennen kriegt die Milch eine karamellig-röstige Note. Aus der Creme macht Lindeberg ein Eis oder eine Sauce zum Fisch.

Asche, erzählt Heinz Hanner, ist eine der ältesten Garmethoden. Sie hat konservierende Wirkung auf das Gut. Siehe und schmecke den berühmten Ziegenkäse in der Asche. Ist die Asche heiß, kann man darin garen. Unsere Urahnen – gerne buddelten sie ein Loch in den Boden und vergruben darin ein Stück Fleisch in Blättern oder ein großes Gemüse in der Schale in glühender Asche, häuften Lehm darauf und warteten. Einige Jahrtausende später besinnen sich die Köche wieder der Methoden vor der Erfindung des E-Herds. Man denkt nach über Rübengemüse oder anderes mit Schale. Wenn die Zeit reif ist, wird vielleicht in London oder auch in Feuerland einer ein Restaurant aufmachen, in dem es keine Küche mehr gibt, sondern nur noch offenes Feuer, glühende Kohlen, heiße Asche. Sie werden darin Vögel und halbe Kälber und Kürbisse garen und die Feinesser der Welt werden ganz weg sein beziehungsweise dort sein. Auch der Hobby-Grill-Meister wird wissen, dass, wenn die Glut zum Grillen zu milde geworden ist, ein Stück Fleisch, Fisch oder Gemüse in der Asche wunderbar gegrillt werden kann.

Asche ist im Kreislauf des Lebens der letzte Akt, beim Baum kommt der Wipfel, das Holz, zuletzt die Asche. Heinz Hanner, mitten im Wienerwald ausersehen, sich zum Thema Holz Gedanken zu machen, fasziniert die Idee, diese drei Zyklen auf den Teller zu bringen. Er arbeite gerade an einem entsprechenden Gericht, einem Dessert aus Tannenzipfelmousse, Baumrinde aus Bitterschokolade mit Lärchen-Holzgeschmack und Lärchenwipfel-Likör-Eis in Lärchenzapfen-Asche. Gut, dass Mayerling nicht weit liegt.

Auch der Grappamacher Romano Levi war vom Kreislauf der Natur fasziniert. Er verwendete den Trester und das Rebholz für das Feuer seiner Destillationsanlage. Die daraus entstandene Asche verstreute er als Dünger in den Weinbergen. Der im Vorjahr verstorbene spanische 3-Sterne-Chef Santi Santamaria erfand die Entenleber, gegart in einer Kruste aus einer Halbe-Halbe-Mischung aus Asche und Salz. Yannick Alléno im Pariser Le Meurice kochte es vor einiger Zeit nach. Eine Tischrunde, die zufällig anwesend war, fand das fette Teil allerdings recht unbekömmlich.

Asche aus Gemüsen bewahrt neben den bitteren Rösttönen immer noch einen Hauch des ursprünglichen Aromas des Dings, aus dem sie gewonnen wurde. Lauchasche zwiebelt, auch eine Asche aus Gurkenschalen ist dem Autor erinnerlich. Aus Blättern und Kräutern wie Bärlauch, Holunder, Linde, Nuss, Basilikum, Rucola, Petersilie oder Schnittlauch lässt sich Asche gewinnen. Hanner beschreibt seine Gänseleber mit Asche, ein Gericht, das, wie er erzählt, schon vor mehr als zehn Jahren auf der Karte gestanden sei. Entenleberflügel werden mit Wacholder, Orangenschale, Salz und geschrotetem schwarzen Pfeffer eingerieben und in Lauchasche oder in der Asche von Buchen oder Birken gewälzt. Man lasse die Leber nun 2 Tage lang ziehen und schneide sie anschließend hauchdünn auf. Die Asche verleiht einem Gericht wie diesem eine archaische Note und unsere seit den Urmenschen kaum weiterentwickelten Gene jubeln über den Kontakt mit dem Altbekannten.

Den Wald nutzt der Mensch nahrungsmäßig ja eher zum Schwammerlsuchen oder auf der Jagd nach Wildschweinen oder Rehböcken. Die Bäume lässt er in Ruhe. Außer der Mensch ist Holzfäller oder Koch. Dann überlegt er zum Beispiel wie das französische – wegen eines schrecklichen Unfalls zurückgetretene – Kochgenie Marc Veyrat. Der lebte ganz nah am Busen der Natur im französischen Savoyen. Auf einem seiner als zahlreich kolportierten Ausflüge auf die Almen zum Kräutersammeln, von denen manche doch sicher wirklich stattgefunden haben, muss sich ihm ein Baum in den Weg gestellt haben und gesagt haben: Mach doch einmal was mit mir. Und so bekamen die Gäste in Annecy in Zuge eines wirklich hemmungslos teuren Menüs einen Tannenzapfen in einer Suppe. Der Zapfen diente, so sagte der Herr Ober, nur zur Aromaspende und man möge bitte nicht ernsthaft versuchen, ihn zu beißen. Das war alles toll und neu und niemand nahm Veyrat seinen Zapfen krumm. Er durfte auch als einer der ersten Moos und Erde auf den Teller legen, als Dekomaterial zum mit Essig gegarten Wachtelei samt Kräuterinjektion. So garte er auch einen Fisch aus dem Lac d’Annecy zwischen zwei Baumrinden. Die hatte er vielleicht vorher in Wasser eingeweicht, damit das Holz feucht und freigiebig in seinen Aromen werde. Wenn der Mensch den Duft von Holz im Räucherspeck oder in der Zirbenstube mag, warum dann nicht auch zum Fisch?

Einige fragen sich, warum in Wien kaum einer so gute Pizze zustandebringt wie die Pizzaioli in Napoli. Ist ganz einfach: Die lassen ihre Pizze im heißen Ofen fast verkohlen. Auf dem Teig, der in der starken Hitze vor lauter Schmerzen Brandblasen wirft (am liebsten würde er laut schreien), bilden sich dunkle Punkte, doch die machen es gemeinsam mit dem Duft und dem Saft der Paradeiser und des Mozzarellas aus. Die machen erst eine perfekte Margherita und nicht der dünne Boden, wie manche glauben. Bei der Pizza will wie beim Fußball jeder Recht haben. Übrigens Italien: Bistecca Fiorentina. In einem der besten Bistecca-Lokale von Florenz ist die Bistecca vom Holzkohlengrill außen fast schwarz, innen dafür komplett roh und gerade lauwarm. So ein Stück hat mehr als einen Kilo. Doch niemand würde dieses herrliche Steak zurückweisen. Irgendwie kriegen sie es hin, dass das Schwarze eben nur fast schwarz ist.

Doch warum die neue Lust am Räuchern, Grillen und Verkohlen? Patrick Fürst, der bei Toni Mörwald in Feuersbrunn arbeitet, hat bei einigen der Besten in New York gekocht. Er meint, dass das Thema Fleischqualität in der Hochküche ziemlich ausgereizt sei und deshalb viele mit Garmethoden experimentieren. Die Lust am Grillen generell, so Fürst, sei auch durch die Entdeckung und Wertschätzung der japanischen Küche erfolgt. Die ist ja durch die Erfolge im Michelin-Guide in den letzten Jahren in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Er steuert ein Rezept bei, das aus der japanischen Küche entlehnt ist.

Man nehme vier Bambus-Spieße, die in Wasser eingelegt wurden. Auf die Spieße kommen entweder Spanferkelbackerl oder Tranchen vom Spanferkelrücken. (Rechnen Sie pro Person mit 8 Backerln. Ein Ferkel ist kein Schwein.) Aus 125 ml Hühnerfond, 50 ml heller Sojasauce, dem Saft von einer Zitrone, 50 ml Hon Mirin, 1 EL brauner Zucker und schwarzem Pfeffer aus der Mühle mische man eine Marinade. Die Spieße werden über Kaffeebaum- und Zitronenbaumkohle gegrillt. Garungszeit zirka fünf Minuten pro Seite. Kurz bevor das Fleisch gar ist, kommt die Marinade drauf. Machen Sie ein Foto vom Gesicht Ihres Baumarktfilialleiters, wenn Sie ihn das erste Mal nach Zitronenbaumkohle fragen.