Alpiner Whisky, alte Sorten

In der heimischen Whisky-Szene ist eine neue Generation am Werk. Aus seltenen und gefährdeten Getreidesorten brennt sie tiefgründige Brände. Und sichert so das Überleben vom Schlägler Roggen und Konsorten.

Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein. Der eine, Hans Reisetbauer, Schnapsbrenner im oberösterreichischen Hausruckviertel, der andere, ­Johann Haider, Schnapsbrenner im niederösterreichischen Waldviertel. Reisetbauer ist ein lauter Polterer. Ein Hansdampf in allen kulinarischen Gassen und ein begnadeter Brenner. Haider ist, könnte man sagen, das genaue Gegenteil davon. Jedenfalls, was den Auftritt betrifft: überlegt, ruhig und zurückhaltend. Als Brennmeister sind die beiden auf Augenhöhe, und vor knapp einem Vierteljahrhundert waren sie es, die die ersten österreichischen Whiskys in Fässer füllten. Das ist kein unwesentliches Detail. Was nämlich 1995 gebrannt wurde und ins Eichenfass wanderte, durfte – so will es die EU-Spirituosenverordnung – erst drei Jahre später als Whisky am Markt angeboten werden. Also gab es 1998 die ersten Abfüllungen, die ersten österreichischen Whiskys. Getreidebrände, bekannt als Korn, gab es – auch fassgelagert – bereits davor.

Reisetbauer und Haider sind also die Helden der Gründerzeit. Dafür gebührt ihnen Respekt und Anerkennung. Aber wie hat sich die Szene weiterentwickelt? In welche Richtung gehen die Whisky-Brenner der zweiten Generation? Eine dieser Entwicklungen ist aus Slow Food-Perspektive von großem Interesse. Eine Handvoll Brenner wollte nicht einfach nur Getreide brennen. Sie wollte es genauer wissen und hat sich alter Sorten angenommen.

So entstehen im Moment quer durchs Land Whiskys aus Sorten wie dem Schlägler Roggen, der Fisser Gerste im Tiroler Oberland, dem (Arche des Geschmacks-Passagier) Lungauer Tauernroggen oder dem Kaltenberger Winterroggen am Biohof Thauerböck im Mühlviertel. Einer dieser Brenner folgt in seiner Philosophie auch anderen Kriterien, die in der Slow Food-Bewegung präsent und wichtig sind. Der Mostviertler Josef Farthofer hat sich überlegt, wie seine Destillerie arbeiten muss, damit er der Farm-to-table-Idee möglichst nahekommt. Herausgekommen ist ein energieautarker Produktionsprozess, Kreislaufwirtschaft, eine eigene Mälzerei und der Schriftzug „Vom Feld in die Flasche“ auf Farthofers Whisky-Etiketten.

Und warum der Aufwand einer eigenen Mälzerei? Die Zusammenhänge sind eigentlich klar und einfach. Wer Whisky brennt, braucht Getreide. Nicht nur Getreide, sondern gemälztes Getreide. Warum das so ist, darauf kommen wir noch zu sprechen. Wer Bio-Whisky macht, braucht Bio-Malz. Und da wird der Markt schon überschaubar. Wer noch dazu seltene Getreidesorten wie Emmer oder Nackthafer am Acker stehen hat, will daraus natürlich auch Whisky machen, und da setzt der Markt komplett aus. Also selbst mälzen. Für jemanden, der erfinderisch ist und in Kreisläufen denkt, ist die Idee, sich eine eigene Mälzerei neben die Brennkolonnen zu stellen, gar nicht so abwegig. Dass er der einzige Brenner im Land (und wahrscheinlich darüber hinaus) mit eigener Mälzerei ist, wundert Josef Farthofer aber schon ein wenig.

Zurück zum Prozess und der Bedeutung des Mälzens beim Herstellen von Whisky. Bei der Destillation nutzt man die Tatsache, dass Alkohol einen Siedepunkt hat, der unter jenem von Wasser liegt. Der Alkohol verdampft, bevor das Wasser richtig heiß werden kann. Der Dampf wird abgekühlt – voilà: Schnaps. Das Ganze funktioniert aber nur, wenn der Stoff, der gebrannt wird, bereits Alkohol enthält. Sonst hätten das Erhitzen und Abkühlen gar keinen Sinn. Bei Obst erhält man den Alkohol durch die Vergärung des Zuckers in den Früchten. Den alkoholischen Brei nennt man Maische. Weizen, Mais und Roggen haben keinen Zucker. Kein Getreide hat das. Jetzt kommt das Mälzen ins Spiel. Bei diesem Vorgang werden die Getreidekörner aufgequollen und so zum Keimen gebracht. Dadurch entsteht das Grünmalz, und die Stärke im Getreidekorn (die Amylose) wird in Malzzucker (Maltose) umgewandelt. Jetzt haben wir Zucker, der später vergoren und anschließend destilliert werden kann. Zuvor muss das feuchte Grünmalz aber noch getrocknet und lagerfähig gemacht werden. Diesen Vorgang nennt man Darren.

Josef Farthofer ist Bio-Brenner mit einem umfang­reichen Sortiment an Bio-Destillaten. Jetzt hat er Whisky-Lunte gerochen. Und nachdem er ein erfinderischer Geist und Tüftler ist, hat er sich kurzerhand eine moderne italienische Trommelmälzerei in seinen Betrieb gestellt. Vor wenigen Wochen sprudelte das erste Malz im Tank. „Die Entscheidung war für uns eigentlich ganz klar. Es bedeutet, dass wir einen weiteren, nicht unwesentlichen Schritt in der Herstellung im Haus haben und damit vom Malzmarkt unabhängig werden. Außerdem ermöglicht es uns, Malz aus unserem eigenen Getreide und in ganz unterschiedlichen Stilen herzustellen. Das bedeutet wiederum mehr Flexibilität bei der Entwicklung unserer Whiskys“, ist der Brennmeister überzeugt.

In Österreich und wahrscheinlich auch in der Schweiz und Deutschland ist Josef Farthofer damit im Moment noch allein auf weiter Flur. Also mit der eigenen Mälzerei in der Brennerei. In Schottland sieht die Sache ein wenig anders aus, dort ist Farthofer in bester Gesellschaft. Die Distilleries Balvenie, Bowmore, Highland Park und Springbank stellen noch ihr eigenes Malz her. Springbank noch größtenteils, die anderen nur noch einen Teil des Bedarfs.

Auf die Öhlinger-Whiskys darf man jedenfalls gespannt sein. Die ersten gefüllten Flaschen sind vielversprechend. Aus dem Jahr 2011 gibt es zum Beispiel einen im Mostello-Fass gereiften Weizenwhisky vom Lisslfeld, der an dunkle Schokolade, Karamell und eingelegte Pflaumen erinnert. Jüngere Whiskys von 2014 aus Schlägler Roggen oder Nackthafer (2015) zeigen das unglaubliche Potenzial dieser Mostviertler Brände. Richtig die Post wird aber erst in ein paar Jahren abgehen, wenn Brenn- und Mälzmeister Farthofer auch zum Masterblender wird, um aus den Fässern, die jetzt schon bei ihm lagern, den perfekten Whisky zu komponieren. Bis dahin heißt es jedoch noch warten und Tee, nein, einfach die „drams“ trinken, die schon verfügbar sind.

„Drams“ heißen übrigens auch diese wunderschön geschwungenen Whiskygläser mit dem wuchtigen Boden. In Schottland haben sie sich bewährt, und auch bei uns werden sie sich durchsetzen. In diesem Sinne: Sláinte!, wie die Schotten sagen. Das heißt Gesundheit. Und genauso stoßen auch die Mostviertler an: Gsundheit!