Das Fest des Huhns

Text von Alexander Rabl Foto von Blickwerk/Manuel Zauner

Wer ein gutes Hendl hat, der braucht für seinen Hühnerbraten nur noch ­einen Meisterkoch, der es zubereitet, oder ein entsprechendes Rezept. Wir haben Huhn, Koch & Rezept.

Peter Kerschbaumer kann sich nicht recht entscheiden, wer seine Lieblinge sind. Sind es die Paduaner mit ihrer mondänen Haarpracht, die gut in Harrys Bar oder eine Villa im Veneto passen würden? Sind es die Seidenhühner, die aussehen wie gecastet für eine neue Star Wars-Folge? Ist es der schwarze Hahn, der aus Indonesien stammt und dort als Kultgeflügel verehrt wird? 15 Hühnerrassen hat Kerschbaumer auf seiner Arche Noah für seltene Geflügel, dem Ursteirerhof in der Oststeiermark. Darunter auch einige alte österreichische Hühnerrassen wie Sulmtaler, Altsteirer oder manchmal auch das Nackthalshuhn, das so befremdlich aussieht wie es klingt. Die Familie Kerschbaumer hält Hühner und Hähne gleichermaßen – ein Minderheitenprogramm in Österreich, dem Land des Billighendls. Über die Familie Kerschbaumer in Kürze mehr.

Wer über einen Markt in Paris, in Lyon oder Bordeaux schlendert oder in die Auslagen einer Bouchonnerie-Charcuterie schaut, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da liegen sie, die Schöpfe fein frisiert, die Füße geputzt und gepflegt, sorgfältig gerupft und arrangiert, als handle es sich um Spielzeug aus den Pixar-Filmstudios. Dabei haben sich diese Rassehühner aus der Bresse im Burgund oder dem Land in Südwestfrankreich einfach so fein gemacht, weil sie demnächst einen großen Auftritt in den Küchen der Franzosen haben. Die wissen, was ein gutes Hendl wert ist. Zu Weihnachten biegen sich die Tische von gebratenem Geflügel, ob Kapaun oder weibliches Huhn, das mit den feinsten Weinen hinuntergespült wird. Der Gang über österreichische Märkte oder der Blick in die Lebensmittelregale unserer Supermärkte hingegen lässt wenig Euphorie, aber dafür die Frage aufkommen: Wo sind die alten Hühnerrassen hin? Und wer ist eigentlich schuld an ihrem Verschwinden?

Zu Besuch bei Universitätsprofessor Werner Zollitsch vom Institut für Nutztierhaltung, Boku Wien. „Die alten Hühnerrassen dominierten in Österreich bis in die 60er-Jahre. Ich erinnere mich noch: Wir hatten damals einmal im Jahr ein Huhn, das war ein Festessen“, erzählt Zollitsch. „Dann übernahmen die Hybridzüchtungen aus Amerika. Hühner, die für die schnelle Gewichtszunahme in der Mast gezüchtet waren, während alle anderen Eigenschaften wie Eierlegen zurückgestellt waren. Seit den 60er-Jahren hat sich der Hühnerverbrauch in Österreich verzehnfacht.“ In Zahlen: 77 Millionen Stück Geflügel werden in Österreich pro Jahr geschlachtet (Masthühner, Puten, Althennen). Dabei liegt die Selbstversorgung unter 80 %, will heißen, der Rest des Geflügels kommt aus dem Ausland.

„Durch den Preisdruck ließen diese Masthybriden, die durch Inzucht und ein spezielles Zuchtprogramm geschaffen wurden, den alten Rassen keine Chance“, erklärt Zollitsch, warum in Österreich fast alle Hendln von einem Hendl abstammen. Es ist „survival of the fittest“ in einem Umfeld, in dem nur mehr der Preis zählt.

Ein Masthuhn nimmt pro Tag 60 g zu (beim Biohuhn sind es 45 g) und ist spätestens nach vier Wochen reif für die Schlachtbank. Eine alte Hühnerrasse kommt auf 28 Wochen, braucht mehr Futter, mehr Platz und kostet ein Vielfaches. Die auf Gewichtszunahme gezüchteten Masthühner zahlen für ihre Preiswürdigkeit selbst einen hohen Preis. Das Skelett ist fragil, das Kreislaufsystem ebenso. Das rasche Wachstum, die Verstoffwechselung von pflanzlichem zu tierischem Eiweiß braucht Sauerstoff und belastet Atmung und Kreislauf enorm. Die meisten dieser Hühner warten lethargisch auf den Tag, an dem ihr kurzes Leben als Lieferant von Backhuhn und Hühnerbrust ein Ende findet. Dabei liegt es Zollitsch fern, die Österreicher für ihre Schwäche zum Billighuhn zu verdammen. „Die Preissensibilität mancher Kunden ist verständlich.“ Diese müssten beim Einkauf hart kalkulieren. Was er nicht versteht: „Warum es so viel Fleisch sein muss. Schon eine kleine Änderung, also weniger Gewichtszunahme pro Tag, würde das Tierwohl steigern und den Preis nur geringfügig anheben.“

Da war doch einmal was? Das Sulmtaler Huhn – die alte steirische Rasse mit dem hübschen Schopf, als hätten die Hühner und Hähne jeden Tag einen Friseurtermin. Das Sulmtaler gelangte zu Berühmtheit, als die Rasse vor einigen Jahren mengenmäßig an Bedeutung gewann. Vom Steirereck am Pogusch bis zu den für ihre Hendlgerichte berühmten südsteirischen Wirtshäusern jubelte man der Wiederentdeckung des Kaiserhuhns aus dem Sulmtal zu, die aus einer Kooperation zwischen südsteirischen Bauern und der Universität in Maribor geboren worden war. Nachgefragt bei Georg Zöhrer von der Kooperative Sulmtaler Huhn, warum es vom Slow Food-Produkt Sulmtaler Huhn immer weniger gebe. „Wir haben das Projekt sozusagen ruhend gestellt“, so Zöhrer. Obwohl die Nachfrage dreimal so hoch gewesen sei wie die Produktion.

Was war der Grund, wenn nicht ein Problem mit dem Preis? „Die männlichen Küken. Das haben wir nicht in den Griff gekriegt. Die Hähne kastrieren ist in Österreich verboten. Und die männlichen Küken schreddern, wie das in der Industrie üblich ist, will bei uns keiner.“ Doch vom Aussterben ist das Sulmtaler immer noch weit entfernt. „Eine unserer Bäuerinnen hat immer noch 600 Sulmtaler.“ (Zum Vergleich: In guten Zeiten waren es mehrere Bäuerinnen und 5.000 Hühner) Sie arbeitet mit Kräutern, um die Hähne ruhig zu halten, und lässt die jungen Hähne gemeinsam mit Legehennen aufwachsen. Auch das beruhigt. Und dann gebe es, so Zöhrer, noch kleine und kleinste Betriebe, wie man sie sieht, wenn man durch die Dörfer in der Südsteiermark fährt, wo ein Hahn auf ein paar Hühner kommt. „Diese kleinen Bauern bemühen sich dann, ihre anderen Hähne zu verschenken oder an Leute zu verkaufen, die sich aus Spaß und nicht wegen der Zucht Hühner im Garten halten.“

Die alten Rassen befinden sich seit Jahrzehnten auf dem Rückzug. In den Städten kaum anzutreffen, findet man vereinzelt auf Bauernmärkten noch einen Stand, der welche anbietet. Oder man reist zum Ursteirerhof. Der Besucher reibt sich die Augen, weil er meint, er träumt, doch dieses Paradies steht wirklich da. Auf einem sonnigen Hügel, umrahmt von Wäldern, Wiesen und Äckern, haben Isabella und Peter Kerschbaumer kleine Ställe und Gehege gebaut, wo etwa fünfzehn Hühnerrassen das Leben genießen. Ein leises oder lauteres Kikeriki hie und da, sonst ist es hier völlig ruhig.

Die Familie lebt vom Verkauf der Bioeier der Rassehühner, verkauft auch Bruteier sowie Küken und Hühner selbst. Dass der Markt für solche Hühner in der Steiermark sehr überschaubar ist, muss eigentlich nicht erwähnt werden. Es geht auch hier um den Preis. Peter Kerschbaumer erklärt: „Wenn so ein Hahn zum Beispiel fünf bis sechs Monate bei mir lebt, brauche ich alleine fürs Futter dreißig Euro. Meine Arbeit ist ohnehin nicht einkalkuliert.“ Kerschbaumer braucht täglich zwei Stunden, um die Tiere in den vierzig Gehegen mit Futter zu versorgen. Isabella Kerschbaumer serviert einen Hahn. „Wir legen Wert darauf, dass auch die Hähne ihr Leben haben.“

Um Streitigkeiten zu verhindern, sind die Einheiten sehr kleinteilig. Wenn die Hähne dann immer unruhiger werden, je nach Charakter und Hühnerrasse auch ein wenig aggressiv, werden sie geschlachtet. Isabella Kerschbaumer hat den Hahn jetzt fünf Stunden im Rohr gehabt. Es ist ein Fleisch mit Charakter, muskulös, bissfest, aber keine Spur von Zähheit. „Natürlich“, sagt sie, „wenn jemand einen Hahn wie ein Huhn zubereitet, wird er enttäuscht.“ Man muss den Hähnen beim Garen Zeit geben, die Franzosen wissen, wie es geht, und bereiten sie mit Rotwein oder Weißwein zu.

Die Kerschbaumers sind Bauern aus Leidenschaft: „Wir wollen den Menschen vermitteln, was Landwirtschaft eigentlich bedeutet, dass es ein Gesamtkonzept ist und ein Kreislauf.“ Immer wieder bittet die Familie Besucher auf den Hof, veranstaltet Tage der offenen Tür. Manche Kunden kommen von weither, die Bruteier gehen auch mal nach Mallorca oder Costa Rica. Denn die Leute finden Gefallen an einer kleinen Hühnerzucht im Garten. Das Kilo Geflügel kommt bei Kerschbaumers ungefähr auf zwanzig Euro und ist gemessen am Aufwand, der dahintersteckt, immer noch günstig. „Im Fernsehen gab es mal eine Sendung über Hühnerbauern in Bayern, die pro Huhn zehn Cent bekommen.“ Sich der Industrie dermaßen auszuliefern, war nie der Plan von Isabella und Peter Kerschbaumer. „Wir sind und bleiben unabhängig.“
Eines noch: Weil ja bald das Christkind kommt, darf man sich was wünschen. Für die Masthühner, die nicht das Privileg haben, von preisunsensiblen Feinessern gekauft zu werden: 40 g pro Tag statt 60 g würden nur geringfügig mehr kosten. Und für die Hühner wäre dieses neue Leben wie Weihnachten und Ostern zugleich.

Ein Sulmtaler Huhn nach der Vorstellung eines Meisterkochs

Alexander Mayer, einer der profiliertesten Köche Österreichs, hat sich für „slow“ an die Arbeit gemacht und einen saftigen Hühnerbraten gemacht, dessen Rezept für jeden Hobbykoch zu Hause locker nachvollziehbar ist.

Für 4 Personen
Man nehme ein bratfertiges Huhn von 1,2 bis 1,4 kg und entferne Parüren, Fett und Flügel. Das Huhn innen und außen salzen, mit einer süßen Zwiebel (am besten Roscoff), einer Knoblauchzehe und einem Rosmarinzweig füllen.
Aus den Karkassen, Speck, Kräutern (Rosmarin, Thymian), gewürfelten Karotten, Sellerie und Stangensellerie, Madeira, Rotwein, Knoblauch und Schalotten sowie hellem Hühnerfond einen dunklen Fond zubereiten, der langsam auf dem Herd vor sich hinschmurgelt. Die Pfanne wird später noch gebraucht.
Huhn mit einer Mischung aus 150 g warmer Butter und Saft einer Zitrone einreiben. Was die Butter mit der Haut des Huhns macht, werden wir gleich sehen.
Backrohr auf 165 °C vorheizen (Ober-/Unterhitze & Heißluft). Das Huhn kommt auf ein Bratgitter, darunter die Pfanne mit dem Fond. Der Saft des Huhns tropft während des Bratens in die Pfanne. Sollte die Flüssigkeit zu dick werden, einfach mit hellem Fond aufgießen. Nach ca. 15 Minuten bekommt die Haut eine verheißungsvolle Farbe – Butter und Heißluft haben ganze Arbeit geleistet. Nach 20 Minuten die Temperatur auf 180 °C erhöhen, das Huhn mit einem Glas Madeira übergießen.
Zum Huhn gibt es Wintergemüse: schwarzen Kohl, Ofenzwiebeln, Totentrompeten und Butternusskürbis, dazu ca. 100 g durchzogener Speck. Der Kürbis wird der Länge nach halbiert und 1 bis 2 Stunden in einer Mischung aus Weißweinessig, Hühnerfond, Honig, Zucker und Salz mariniert (Kürbis davor mit einer Gabel mehrmals einstechen). Dann den Kürbis in einer Pfanne mit Butter karamellisieren und mit süßen Zwiebeln auf der obersten Stufe des Backrohrs ca. 30 Minuten schmoren. Die Blätter des schwarzes Kohls in einer Salzwasserlösung blanchieren, dann in Eiswasser abschrecken und aufbewahren. Maroni, im Winter unverzichtbar, an der Spitze kreuzweise einschneiden und im Ofen backen.
Das Huhn wird während des Bratens immer wieder mit Saft übergossen, während die Haut eine immer dünklere Farbe annimmt. Keine Sorge, wenn da zwischendurch etwas schwärzlich schimmert. Es wird danach umso besser schmecken. Nach weiteren 20 Minuten die Temperatur auf 200 °C erhöhen. 45 Minuten, nachdem das Huhn ins vorgeheizte Rohr geschoben worden ist, ist es Zeit für die erste Garprobe mit einer Gabel: hineinstechen und prüfen, ob der Fleischsaft bereits klar oder noch mit etwas Blut vermischt ist. In letzterem Fall noch weitere 5 (oder sogar 10) Minuten braten. Nach 55 Minuten ist das Huhn vermutlich fertig, doch solche Zeitangaben können je nach Größe des Huhns variieren. Das Huhn für eine Viertelstunde rasten lassen.
In dieser Zeit das Gemüse vollenden. In einer großen Pfanne zuerst Speck in heißer Butter schwenken, bis es prasselt, dann kommen die Pilze dazu, schließlich die knackig-dunkelgrünen Kohlblätter. Außerdem der in 3 cm dicke Scheiben geschnittene Kürbis und die in Viertel geschnittenen, jetzt butterweichen Ofenzwiebeln sowie die geschälten gebackenen Maroni.
Den Saft des Huhns abseihen, das Huhn damit ein paarmal übergießen. Was für ein schöner Glanz!
Das Huhn anschneiden und Brust und Haxerln mit dem Wintergemüse so anrichten, dass auch das Auge gerne mitisst. Ein Festmahl!

Ein Weihnachtshuhn fürs große Fest. Es darf auch ein Hahn sein. Und hier bekommen Sie beides, aber nur auf Bestellung.

Sulmtaler Kaiserhahn und Sulmtaler Henne
Strohmaier Gertrude

Fantsch 17, 8444 St. Andrä im Sausal
Tel.: 0664/431 46 86

Ursteirerhof
Reith 30, 8311 Markt Hartmannsdorf
Tel.: 0699/181 24 46 13
www.ursteirerhof.at

Labonca Biohof
Hauptplatz 6, 8291 Burgau
Tel.: 03383/33 49

LandArt
Sulmtaler, die in paradiesischer Haltung gleich den Bresse­hühnern aufwachsen.
Egelseestraße 44, 4866 Unterach am Attersee
Tel.: 07665/60 11