Die Arche des Geschmacks nimmt wieder Fahrt auf

Retten, was wir essen wollen!“ Die Arche startet neu durch, noch heuer sollen zahlreiche neue Passagiere und Presidi-Produkte an Bord gehen.

Text Tobias Müller Foto Lukas Kirchgasser

Die Arche des Geschmacks wird derzeit mehr gebraucht denn je – Slow Food sammelt vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen und Pflanzenarten und selten gewordene handwerkliche Techniken und Produkte. Dies ist Slow Foods Versuch, dem Schwund an Biodiversität entgegenzuwirken. Slow Food-Gründer Carlo Petrini rief heuer dazu auf, die Arche daher möglichst schnell auszubauen – in Österreich wird dieser Prozess nun nach längerer Pause endlich wieder weitergehen. Die Arche des Geschmacks startet neu durch.

Noch heuer sollen zahlreiche neue Passagiere aufgenommen werden; zwei Passagiere, das Waldviertler Blondvieh und das Waldstaudekorn, wurden bereits als neue Presidi-Produkte ausgezeichnet – sie wurden Arche-Produkte, die von einem Kreis an Produzenten nach bestimmten Kriterien hergestellt und vertrieben werden. Noch in diesem Jahr sollen die Leithaberger Edelkirsche und das Lesachtaler Bauernbrot folgen, und bereits bestehende Presidi bekommen ebenfalls neue Unterstützung: So haben die Produzenten des Lungauer Tauernroggens bereits Geld erhalten, um eine neue Saatgut-Sortiermaschine zu besorgen; und die besten Köchinnen und ­Köche des Landes werden zu Botschaftern, die mit Lebensmitteln aus der Arche die Vielfalt in ihre Küchen holen. Erste Unterstützer sind Heinz Reitbauer vom „Steirereck“ in Wien, Sissy und Stefanie Sonnleitner vom „Landhaus Sonnleitner“ in Mauthen und Josef Floh vom „Floh“ in Langenlebarn.

Möglich geworden ist das alles dank einer Kooperation zwischen Slow Food und der Salzburger Stiegl Brauerei. Stiegl unterstützte die Arche des Geschmacks mit einer Spende. Die Zusammenarbeit soll langfristig und nachhaltig sein – denn auch Brauer sind vom Verschwinden der Biodiversität bedroht. Wurden vor hundert Jahren noch je nach Region tausende verschiedene Gerstensorten zum Brauen verwendet, wird heute in Europa Bier nur mehr aus zwölf Sorten hergestellt. Stiegl will das – nun gemeinsam mit Slow Food – wieder ändern und dafür sorgen, dass alte, rare Getreidesorten wieder angebaut und auf ihre Braueigenschaften getestet werden.

„Es scheint, als hätten wir nie zuvor eine größere Auswahl gehabt als heute. Die vermeintliche Vielfalt in den Regalen des Lebens­mitteleinzelhandels trügt aber, denn viele Produkte ähneln sich“, sagt Stiegl-Chefbraumeister Christian Pöpperl. „Auch zukünftige Generationen brauchen Vielfalt und eine intakte Umwelt, um ­bestes Bier brauen und genießen zu können.“ Bereits seit einigen Jahren betreibt Stiegl das Gut Wildshut in Salzburg. Dort werden alte Getreidesorten biologisch angebaut, selbst vermälzt und damit experimentiert, um aus ihnen Bier zu brauen. In den kommenden Jahren ­sollen zahlreiche weitere Sorten kultiviert werden.

„Viel altes Wissen ist einfach verloren gegangen“, sagt Pöpperl. „Wir machen in Wildshut Mälz- und Brauversuche und verlassen uns hier mehr auf unser Gespür als auf chemische Analysen.“ Auf dem Gut selbst gibt es spezielle Biersorten wie ein in Tonamphoren ver­gorenes Ur-Bier zu kaufen, und mit dem Wildshuter Sortenspiel gibt es bereits ein Bier im Handel, für das ein Passagier der Arche des Geschmacks, der Emmer, verbraut wird.

Für den Neustart der Arche wurden neue Kriterien entwickelt, um aufgenommen bzw. als Presidio-Produkt ausgezeichnet zu werden. Die Arche ist so etwas wie eine Sortenbibliothek: Pflanzen, Tiere sowie Produkte, die in der Region historisch verankert sind, zur geschmacklichen Vielfalt und der Biodiversität beitragen und eine besondere geschmackliche Qualität haben, können aufgenommen werden. Sie müssen nicht für Konsumenten erhältlich sein. Arche-Produkte können zu Presidi werden, wenn es eine Erzeugergemeinschaft gibt, die sie herstellt und vertreibt. Diese Erzeugergemeinschaft muss sich bei Slow Food-Aktivitäten engagieren und wenn möglich auch an internationalen Veranstaltungen wie der Terra Madre in Turin teilnehmen.

Die neuen österreichischen Presidi Waldviertler Blondvieh, Waldstaudekorn, Leithaberger Edelkirsche und Lesachtaler Bauernbrot werden bereits heuer im Herbst bei der Terra Madre / Salone del Gusto mit dabei sein und sich den Besuchern präsentieren. Ein Großevent, zu dem eine Million Menschen erwartet wird, deutlich mehr als in den Jahren davor – nicht zuletzt auch, weil die Veranstaltung erstmals ohne Eintritt auf öffentlichen Plätzen, in historischen Gebäuden und den Parks der Stadt Turin stattfinden wird.

Edle Kirschen, rare Rinder, uriges Getreide und Lesachtaler Bauernbrot
Vier Passagiere der Arche des Geschmacks werden zu Presidi-Produkten:Waldviertler Blondvieh, Waldstaudekorn, Leithaberger Edelkirsche, Lesachtaler Bauernbrot.

Die Leithaberger Edelkirsche war einst neben der Weintraube das zweite bedeutende Obst der Region am Westufer des Neusiedler Sees. Bevor Weingärten immer mehr zu Monokulturen wurden, wuchsen die Kirschbäume oft zwischen den Reben.

Das Waldstaudekorn ist eine uralte, genügsame Getreideart, die an Orten angebaut wurde, an denen sonst nicht viel gedieh, etwa auf Waldlichtungen oder sehr kargen Böden.

Das Waldviertler Blondvieh ist eine alte niederösterreichische Rinderrasse. Die Tiere wachsen sehr langsam, sind genügsam und nicht anfällig für Krankheiten, ihr Fleisch hat einen kräftigen Geschmack. In den 1980ern waren sie wegen der Konkurrenz durch schnell wachsende Fleischrinder fast ausgestorben, heute sind sie eine gefragte Spezialität der Gegend.

Der Getreidebau und das Brotbacken haben im abgeschiedenen Kärntner Lesachtal, das auch das Tal der hundert Mühlen genannt wurde, seit Jahrhunderten Tradition. Der Getreideanbau war hier allerdings fast vollständig verschwunden. Jetzt gibt es sie wieder, die Bauern und Bäuerinnen, die Getreide anbauen und mit dem selbstgemahlenen Korn und Natursauerteig traditionelles Bauernbrot backen.

www.archedesgeschmacks.at