Die Beeren-Bändiger

Text von Elisabeth Ruckser · Fotos von Michael Reidinger

Beim Sommer-Durchgang von slow kocht im Miele Experience Center Wien-Vösendorf ging es ausgesprochen fruchtig zu. Katharina und Johannes Hummel brachten Erntefrisches aus ihrem Weinviertler Biobeerengarten, und der Wiener Patissier Jürgen Vsetecka hatte Tipps und Tricks zur Verarbeitung parat. Ganz besondere Ehrengäste stellten sich diesmal auch ein.

Im Hummel’schen Biobeerengarten in und um Loosdorf wird seit mittlerweile 30 Jahren hochwertiges Beerenobst produziert. Begonnen hat die Erfolgsstory von Familie Hummel mit der traditionellen Himbeere – selbst wenn diese für das Weinviertel nicht unbedingt typisch ist. Viel Zeit, Liebe und Fachwissen haben mittlerweile zwei Generationen in die Schaffung möglichst optimaler Bedingungen für Anbau und Kultivierung der kleinen roten „Sammelsteinfrucht“ investiert. Nach und nach folgten dann weitere Früchtchen, und heute werden je nach Erntesaison Maibeeren ebenso wie Heidelbeeren, Gojibeeren, Goldbeeren oder Kiwis angeboten. Allesamt werden im Familienbetrieb streng nach biologischen Richtlinien produziert.

Zum slow kocht-Termin brachten Katharina und Johannes Hummel frisch gepflückte Himbeeren mit, die aromatisch-säuerlichen – und intensiv färbenden! – Maibeeren sowie Heidelbeeren. Und jede Menge Kostproben ihrer in Handarbeit hergestellten Produkte vom Andenbeerensaft über Chutneys und Schokoladen bis hin zum großartigen Himbeersturm. Letzteren gab es als Aperitif, aufgespritzt mit einem Blaufränkisch-Rosé-Sekt vom Weingut Feiler-Artinger in Rust – und die Kombination wurde von den Gästen einhellig als großartig empfunden. Auch spannende Informationen hatten die beiden Beeren-Fachleute parat: So setzen sie jedes Jahr gezielt ganz besondere Mitarbeiter zur Bestäubung auf ihren Himbeerfeldern ein: Hummeln. Und das liegt nicht am gemeinsamen Familiennamen. „Sie sind früher unterwegs als Bienen und auch nicht so empfindlich bei niedrigen Temperaturen.“

An den Backöfen des Miele Experience Centers stand diesmal Konditor und Patissier Jürgen „chief of sugar“ Vsetecka. Er ist stellvertretender Backstubenleiter von Meinl am Graben, davor lagen berufliche Stationen in der Kurkonditorei Oberlaa und bei Landtmann’s feine Patisserie. Seine Follower-Community auf Facebook und Instagram liebt ihn für tolle nachbackbare Rezepte, kürzlich hat er einige davon auch in einer Buchversion herausgebracht: Süßes vom Chief of Sugar – Fruchtige Verführungen (Pichler-Verlag).

Vsetecka bereitete Maibeer-Baisers, Heidelbeermarmelade sowie -roulade und einen fruchtigen Cheesecake mit Keks-Boden und frischen Himbeeren zu. Wie üblich mit tatkräftiger Unterstützung der Workshop-Teilnehmer. So etwa, wenn es darum ging, die Schneenockerln für die Baisers perfekt auf dem Backblech zum Trocknen zu portionieren oder den Bröselboden für den Topfen­kuchen herzustellen. Apropos Cheesecake: Als Zwischenschicht füllte Patissier Vsetecka eine Lage weiße Schokolade zwischen der untersten Keks-Lage und den darauffolgenden Früchten ein, um zu verhindern, dass der Saft der Beeren beim Backen durchrinnt und auf dem Boden der Form verbrennt. Schmeckt übrigens sehr fein diese Trennschicht … Beim Backen (und Rollen) der Roulade schließlich ging es vor allem darum, das Biskuit perfekt zu erwischen.

Ja nicht zu lang und auch nicht zu langsam backen, riet da der Patissier und schob die Bleche bei 200 °C für knapp zehn Minuten ins Rohr.

Besondere Ehrengäste gab es bei diesem Workshop auch zu begrüßen: Kunden des Samariterbund-Sozialmarktes aus dem 15. Wiener Gemeindebezirk nahmen auf Einladung von Slow Food ebenfalls daran teil. Die Zusammenkunft kam auf Initiative von PR- und Wein-Fachfrau Sylvia Petz zustande. Sie hatte zusammen mit ihrem Bruder, Spitzenkoch Christian Petz, am selben Tag an einem Samariterbund-Kochprojekt teilgenommen (siehe dazu auch Seite 18). Und die Gäste waren mit Begeisterung dabei, wenn Chief Jürgen nach Freiwilligen zum Mithelfen fragte. Etwa der aus Syrien stammende Rami, selbst begeisterter Koch: „So etwas Ähnliches wie diese Baisers machen wir in Syrien auch, die gibt es immer an besonderen Feiertagen.“

Maibeer-Baisers

Rezept für 1–2 Backbleche
Zutaten
3 Eiklar
90 g Kristallzucker
90 g Staubzucker
60 g Maibeeren, leicht gequetscht (oder frische angequetschte Heidelbeeren)
Zubereitung: Eiklar mit Kristall­zucker cremig-steif schlafen.
Gesiebten Staubzucker unterheben. Die Beeren unterziehen, sodass eine Art Marmorierung entsteht. Kleine Häufchen mit einem Löffel auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech portionieren und bei 90 °C im Rohr trocknen lassen. Das dauert etwa zwei Stunden. Sollen die Baisers aufgehoben werden, unbedingt gut durchtrocknen. Werden sie gleich verzehrt, dürfen sie innen ruhig noch ein wenig soft sein.