Die Bohnen-Challenge

Hätten Sie’s gewusst? Österreich ist ein Sojaland! Tatsächlich. Die kleine Bohne mit der großen Kraft ist hier nicht nur seit eineinhalb Jahrhunderten heimisch, wir sind auch EU-Spitzenreiter beim (Bio-)Anbau, und gern gegessen wird Soja ebenfalls immer öfter …

Text von Elisabeth Ruckser

Der 1. Mai war heuer erstmals nicht nur der Politik gewidmet. Der historische Feiertag ist ab sofort auch der Tag der Sojabohne. Just an diesem Tag vor 144 Jahren war’s nämlich, als Friedrich Haberlandt, Rektor der kaiserlich-königlichen Hochschule für Bodenkultur, anlässlich der Eröffnung der Wiener Weltausstellung von einer japanischen Delegation eine Handvoll Sojabohnen erhielt. Der hochgeschätzte Agrarwissenschafter und Pflanzenbauexperte war von dem Geschenk begeistert, machte sich ans Werk und versuchte in den folgenden Jahren, intensiv zur Verbreitung dieser seiner Meinung nach ungemein wertvollen Frucht in Österreich beizutragen. Haberlandt war damit wohl einer der ersten Europäer, der das große Potenzial der Pflanze erkannt hat. Er legte damit den Grundstein zu einer Erfolgsstory, die bis heute andauert. Lange Zeit war die Pflanze dann übrigens auch als „Haberlandt-Bohne“ bekannt.

„Soja rangiert hierzulande mit fast 68.000 Hektar nach Weizen, Mais und Gerste bereits auf Rang vier der offi­ziellen Flächenstatistik und liegt damit noch vor traditionellen Feldfrüchten wie Roggen“, erklärt dazu Karl Fischer, Obmann des Vereins Soja aus Österreich. Der Verein setzt sich seit knapp zehn Jahren dafür ein, Soja verstärkt ins Bewusstsein der österreichischen Gesellschaft zu bringen. Speziell heuer startete man wieder mit neuen Ideen, und überhaupt könnte man den Eindruck bekommen, dass sich ganz schön etwas tut in der heimischen „Soja-Szene“. Immer mehr bäuerliche Betriebe produzieren die hochwertigen Bohnen – übrigens fast zu einem Drittel biozertifiziert, und die Tendenz ist hier steigend – und haben uns damit auf Rang fünf der Sojaproduzenten innerhalb der EU gebracht. Und auch immer mehr Konsumenten lieben, was aus Soja hergestellt wird. Nicht zuletzt auch im Hinblick auf die empfohlene Reduzierung des Anteils von tierischem Eiweiß in unserer Ernährung.

Frisch wie zarter Tofu ist dabei auch die Initiative „Soja-Botschafter“, die der Verein heuer ins Leben gerufen hat. Ihr gehören mittlerweile etliche Protagonistinnen
und Protagonisten vom Biobauern und Saatgutexperten über den Kulinarik-Experten bis hin zum Universitäts­professor an. Mit ihren Statements wollen sie dazu bei­tragen, Soja den Stellenwert zu geben, den es verdient. Was oft bedeutet, die Pflanze überhaupt erst ins rechte Licht zu rücken. „Soja soll als wertvolle österreichische Kulturpflanze wahrgenommen werden.“ Denn so gut die Bohne auf unseren Feldern auch dasteht – richtig bekannt ist sie immer noch nicht.

„Soja assoziiert man in der Tat oft mit Anti-Soja-Artikeln, mit Regenwald-Rodungen, Gentechnik und anderen wenig erfreulichen Entwicklungen“, weiß auch Ernährungswissenschafterin Angela Mörixbauer. (Und weil wir gerade bei Vorurteilen sind: Innerhalb der EU gibt es keine Zulassung für gentechnisch verändertes Soja, sämtliche heimischen Sojabohnen und die daraus hergestellten Produkte sind daher garantiert gentechnikfrei. Und der überwiegende Teil der österreichischen Sojaproduktion landet auch nicht im Tierfutter, sondern geht in die Produktion hochwertiger Lebensmittel wie Tofu, Sojadrink oder ­Joghurt-Alternativen.)

Angela Mörixbauer hat sich speziell auch mit der ernährungsphysiologischen Seite der Hülsenfrucht auseinandergesetzt. Gerade hier ist Soja ein wahrer Alleskönner. Die Sojabohne weist ein derart breites Spek­trum an Nährstoffen auf wie kaum eine andere Pflanze: hoher Eiweißgehalt, hoher Anteil einfach und mehrfach ungesättigter Fettsäuren und hoher Ballaststoffgehalt. Darüber hinaus verfügt sie nicht nur über irgendein Eiweiß, sondern über die für den Menschen höchste Eiweißqualität unter den pflanzlichen Proteinen. Und zum Stichwort Vorsorge: Zahlreiche Studien belegen mittlerweile auch die präventiv-schützende Wirkung von Soja etwa gegen Brust- und Prostatakrebs.

Und was lässt sich, abgesehen von den wertvollen Inhaltsstoffen, daraus zubereiten? Oder anders gefragt: Wie schmeckt’s? Die Antworten darauf sind wohl ebenso vielfältig wie der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. In der asiatischen Küche ist allein das Sojaprodukt Tofu seit Jahrtausenden ein unverzichtbares Grundnahrungsmittel, das in den verschiedensten Gerichten von der Suppe bis zum Dessert eingesetzt wird. Ähnliches gilt auch für Sojasaucen und -drinks. Aber auch bei uns beginnen sich immer mehr Köchinnen und Köche intensiv mit Tofu & Co auseinanderzusetzen, nicht zuletzt, da heimische Betriebe das Produkt auch in herausragender Qualität liefern. (Siehe dazu auch die Story „Tofu? Trau dich doch!“, Seite 12, über unseren slow kocht-Genussworkshop.)

Die Vielfalt beginnt bereits bei der Herstellung: Beim Tofu unterscheidet man je nach Festigkeit den sehr weichen Seidentofu, den etwas festeren Baumwolltofu und schnittfesten Tofu. Und je nach Einsatzgebiet in der Küche eignet sich das eine oder andere Produkt besser. So ist etwa festerer Tofu ideal, um ihn zu Burger-Laibchen oder Bällchen zu verarbeiten.

Der weiche Baumwolltofu wiederum nimmt Aromen sehr gut auf, etwa wenn man ihn in einer würzigen Sauce simmern lässt. Und ganz generell gilt wie bei allen genussvollen Experimenten: „Ausprobieren und schauen, was Spaß macht“, so Kochbuchautorin Elisabeth Fischer, die sich seit Jahrzehnten mit vegetarischer und veganer Küche beschäftigt und ebenfalls Vorstandsmitglied des Vereins Soja aus Österreich ist.

Die Qualität ist dabei natürlich wie bei allen Zutaten einer guten Küche entscheidend. Und woran erkenn ich die? „Wie immer ist das Grundprodukt wichtig“, so Elisabeth Fischer, „und wenn Tofu aus guten heimischen Biosojabohnen hergestellt wurde, dann kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen!“