Die Kraft des grünen Safts

Wir haben es wieder getan. slow stand in Person von Barbara van Melle und Elisabeth Ruckser im Miele Experience Center, rührte in Töpfen, fragte und verkostete und präsentierte herausragende ­ProduzentInnen. Diesmal ging es um ein Würzmittel mit jahrhundertelanger Tradition: Verjus, der Saft der grünen Trauben. Winzerin Barbara Öhlzelt sowie Meisterkoch Karl Schwillinsky zeigten die ­unglaubliche Vielfalt, die in der milden Säure steckt.

Text Elisabeth Ruckser Fotos Manuel Zauner

Es ist ein frisches, fruchtig-säuerliches Elixier, und wer’s einmal probiert hat, der will es nicht mehr missen. Verjus, der Saft, der aus grünen oder unreifen Trauben gewonnen wird. In unseren Küchen war er bereits vor Jahrhunderten heimisch, und Spitzenköche weltweit schätzen auch heute seine mild-fruchtige Säure. Überall dort, wo Alkohol nicht vorkommen darf oder soll, ist Verjus ebenfalls unverzichtbarer Genussbegleiter.

„Er wird statt des vergorenen Essigs etwa im gesamten arabischen Raum sehr geschätzt. Aber auch die französische Küche kommt ohne dieses Würzmittel kaum aus“, erzählte dazu Karl Schwillinsky, niederösterreichischer Spitzenkoch aus dem Kamptal. Schwillinsky war es auch, der Verjus im Zuge eines Gastpraktikums bei Hans Haas, Küchenchef des legendären Münchner „Tantris“, vor gut zehn Jahren kennengelernt und mit nach Hause nach Langenlois gebracht hatte. Daheim beschloss er zusammen mit Ehefrau und Winzerin Barbara Öhlzelt, dass man sich doch selbst an der Herstellung versuchen könnte. Und seitdem wird Verjus in Zöbing und Langenlois produziert. „Was am ­Anfang gar nicht so einfach war, da es kaum Aufzeichnungen oder Ähnliches darüber gab“, erinnert sich Barbara.

Der Verarbeitungsprozess von Verjus beginnt jedes Jahr etwa ab Mitte August, wenn die unreifen, aber schon etwas weichen Weintrauben geerntet und unmittelbar zu Saft gepresst werden. Es ist ein Vorgang, der ab dem zeitigen Morgen stattfindet, damit sich die Trauben ja nicht zu sehr erwärmen. „Das ist eine heikle Angelegenheit und muss schnell gehen, denn der Saft darf auf gar keinen Fall zu gären beginnen“, erzählt die Winzerin. Derzeit werden drei Sorten Kamptal Verjus auf ihrem Weingut hergestellt: ein milder Zweigelt-Verjus, eine mittelsäuerliche Grüner-Veltliner-Variante und seit heuer auch neu ein „plus d’acidité“, ebenfalls vom Veltliner mit etwas mehr Säure.

Aus der Küche von Ehemann Karl ist Verjus oder Agrest, wie er auch genannt wird, sowieso nicht mehr wegzudenken. Und so wurde beim Workshop im schönen Miele Experience Center jede Menge Wissenswertes darüber berichtet: „Verjus kann überall dort eingesetzt werden, wo man sonst Essig, Wein oder Zitronensaft nehmen würde.“ Als Salat-Marinade etwa oder für den richtigen Veltliner-Kick in der strahlend orangen Hokkaido-Kürbissuppe und natürlich beim Zubereiten eines „Coq au verjus“. Das Huhn wird im Prinzip genauso wie in der Variante mit Wein (Coq au vin) zubereitet, bloß gießt man eben stattdessen mit Verjus auf. Und als süßes Highlight gab es sogar Verjus-Apfeltorte mit Schlagobers – Letzteres ausnahmsweise ohne Verjus.

Dazu servierte der Meisterkoch launige Anekdoten aus dem Küchenalltag und versorgte Zuhörer mit jeder Menge Tipps. Für die perfekte Schweinsbratenkruste etwa: „Er muss leicht nach oben aufgewölbt im Bräter liegen, damit die Flüssigkeit abrinnen kann!“ Oder er lüftete das Geheimnis der idealen Kombination auf dem Teller: „Zu etwas Weichem braucht man den Kontrast von ’was Knisterndem, Knusprigem.“ Und er gab sogar das Rezept für sein „Lebenselixier“ Paradeiserfond preis: Dosentomaten mit der gleichen Menge Wasser, Salz, Pfeffer und Zucker über Nacht möglichst kühl ziehen lassen. Danach einmal aufkochen, auskühlen lassen und durch ein Tuch abseihen. „Das ist unglaublich aromatisch, ersetzt jede Suppe, und ist auch noch vegan.“

Die Weine des Abends kamen natürlich allesamt von „Weinberggeiß“ Barbara Öhlzelt: „Das ist noch etwas Tolles am Kochen mit Verjus: Die Gerichte harmonieren wunderbar mit Wein.“ Sie kredenzte ­ihren Gemischten Satz „Gut gegen Nordwind“, Grünen Veltliner Zöbinger, Kamptal DAC, Weißburgunder Hasel sowie Riesling Kogelberg DAC Reserve. Und Weinberggeiß Barbara verriet uns auch noch ein wunderbares Aperitif-Rezept: ein Schuss Zweigelt-Verjus wahlweise aufgespritzt mit Soda oder frischem Veltliner-Frizzante. Prost!

Weitere Infos:
www.verjus.at
www.weinberggeiss.at

Rezepte:
www.slowfood.wien

Hendl in Verjus

Zutaten für 4 Personen
4 Hühnerkeulen
1 mittelgroße Karotte
1 mittelgroße gelbe Karotte
1 Zwiebel
250 g Champignons oder andere Pilze, geputzt
1 l Hühnerfond, Suppe oder Wasser
1/4 l Kamptal Verjus
1/4 l Obers
2 EL glattes Mehl (oder Erdäpfelstärke)
frische Kräuter zum Garnieren
Salz, weißer Pfeffer, Pflanzenöl, Butter

Zubereitung
Die Hühnerkeulen salzen, pfeffern und in etwas Pflanzenöl rundherum anbraten. Das Fleisch aus dem Topf heben, ein Stück Butter in den Topf geben, die in Würfel geschnittenen Zwiebel und Karotten zugeben und anrösten, die Pilze zugeben und mitrösten, ohne Farbe nehmen zu lassen.
Mit Verjus ablöschen und mit Hühnerfond oder Wasser aufgießen. Sobald es kocht, die Hühnerkeulen einlegen, zudecken und bei schwacher Hitze köcheln lassen. Nach etwa 1 Stunde sollten die Keulen weich sein. Aus der Sauce nehmen und warm halten. Das Mehl mit dem Obers glatt rühren und mit ­einem Schneebesen zügig in die Sauce einrühren, damit keine Klümpchen entstehen.
Durchkochen, fertig abschmecken, und dann die Keulen wieder einlegen, mit Kräutern bestreuen und servieren.