Die Markt-Chance

Text von Elisabeth Ruckser

Dass sich nachhaltiger Konsum, hochwertiges Lebensmittelhandwerk und eine lebendige Form der Direktvermarktung zu einem ganz speziellen Netzwerk der Genuss-Kultur kombinieren lassen, zeigen die Slow Food Earth Markets weltweit an den unterschiedlichsten Plätzen. In Österreich gibt es bereits drei davon, und der jüngste unter ihnen im burgenländischen Lutzmannsburg feiert demnächst ersten Geburtstag. Inklusive offizieller Anerkennung durch die Slow Food-Stiftung für biologische Vielfalt.

Die Geschichte der österreichischen Earth Markets begann mit einer Ziege. Die bekam Monika Liehl, Initiatorin des allerersten österreichischen Marktes der Erde, nämlich dereinst zum Geburtstag geschenkt. Daraus wurde eine Ziegenkäse-Produktion auf Monikas Hof im nordburgenländischen Parndorf. Und 2010 der ­engagierte Start des ersten Marktes in ­Monikas privatem Stadel sowie unter der Patronanz von Slow Food Burgenland, dessen stellvertretende Obfrau Monika Liehl heute ist.

Seitdem schreibt der Markt Erfolgsgeschichte. Aus einer anfänglichen Handvoll an Ausstellern, die die strengen Kriterien erfüllen wollten und auch konnten, wurden bis heute mehr als 20 kleinbäuerliche Produzentinnen und Produzenten, die Hunderte Besucher pro Markttag anziehen. Und mit Milch, Käse, Joghurt und Butter ebenso versorgen wie mit Eiern, Brot, Gebäck, Gemüseraritäten, Fisch, Fleisch, Wein, Sojaprodukten, Marmelade sowie traditionellem bäuerlichen Handwerk rund ums Essen, vom Geschirrtuch bis zur Keramik. Dazu gibt es auch immer wieder Workshops und Verkostungen, und die unterschiedlichsten Gäste sind zu Besuch. Jedes Jahr im Vorfrühling etwa zeigt Profi Albert Leeb von Alles Apfel, wie man Obstbäume veredelt. Die Triebe werden von den Marktbesuchern größtenteils selbst mitgebracht, und die alten Landsorten bleiben auf diese Weise erhalten. Im Sommer wird dann auch einmal die Leithaberger Edelkirsche gefeiert oder im Herbst Martini und der junge Wein dazu verkostet.

Gut und gern 300 Menschen sind es mittlerweile, die regelmäßig zu den Markttagen nach Parndorf anreisen. Den Winter über trifft man sich ein Mal pro Monat, im Sommer alle zwei Wochen, und jeder Markt steht unter einem eigenen Motto. „Das besonders Schöne ist auch, dass sich hier die bunte Palette einer lebendigen Regional-Kultur zeigt und verschiedenste Menschen zusammentreffen – von der Tamburizza-Gruppe bis zum Schnapsbrenner“, sagt dazu Kerstin Rohrer, Vorstand von Slow Food Burgenland. In ihrem Heimatort Lutzmannsburg hat sie selbst mittlerweile ebenfalls einen Markt der Erde konzipiert und organisiert. Lutzmannsburg will damit nach Horn (NÖ) und Parndorf der dritte Standort eines österreichischen Markts der Erde werden.

In Lutzmannsburg ist ein Mal pro Monat Treffpunkt im Stadel der römisch-katholischen Pfarrgemeinschaft des Orts, und die Zusammenarbeit funktioniert bestens. „Sehr viel an Initiative kam von den Herstellern selbst“, erzählt Kerstin Rohrer zur Entstehungsgeschichte. „Sie wollten nach Parndorfer Vorbild hier ebenfalls quasi etwas eigenes schaffen.“ Eine der Besonderheiten eines Markts der Erde ist ja schließlich, dass die Produzentinnen und Produzenten tatsächlich selbst anwesend sind und von der speziellen Geschichte ihrer Produkte erzählen können.

Gekocht wird ebenfalls an jedem Markttag, und rechtzeitig zum ersten Geburtstagsfest am 13. April hofft man in Lutzmannsburg auch auf den Status als offizieller Earth Market. Denn die von der Slow Food-Stiftung für biologische Vielfalt vorgegebenen Kriterien – Nachhaltigkeit, Regionalität, keine Großbetriebe, maximal 40 km Entfernung der Produktion vom Marktstandort, hohe geschmackliche Qualität, Herstellung nach traditionellen Methoden u. v. m. – werden genau überprüft, bevor der Titel Earth Market tatsächlich verliehen wird. Der dafür notwendige Prozess ist bereits so gut wie abgeschlossen, und nun hofft man, dass der Zeitrahmen ausreicht, um am 13. April gleich auch die offizielle Ernennung mitfeiern zu können. Darüber hinaus wäre es auch ein schönes Geschenk zum zehnjährigen Jubiläum des Neustarts von Slow Food Burgenland, das heuer ebenfalls begangen wird.

Die Idee hinter den Märkten ist dabei so etwas wie der Ur-Gedanke der Slow Food-Bewegung: einen regen Austausch zwischen Konsumenten und Produzenten und gegenseitige Wertschätzung zu ermöglichen. „Viele Menschen suchen ehrliche Produkte und sind auch bereit, diese Qualität entsprechend zu entlohnen“, erzählt Kerstin Rohrer. Mit dem Effekt, dass es genau dieses Verständnis möglich macht, einen fairen Preis für wertvolle Lebensmittel zu erzielen. Ein weiterer wichtiger Aspekt sowohl in Parndorf als auch in Lutzmannsburg: Mit den jeweiligen Produkten wird je nach Saison auch vor Ort gekocht. „Wenn wir von der Erhaltung von Sortenraritäten sprechen, dann sollten wir auch zeigen, was man daraus zubereiten kann“, so Kerstin Rohrer.

Wichtig ist den Markt-Organisatoren sowohl die regionale Nahversorgung als auch das Gefühl, selbst etwas aktiv gestalten zu können. Kerstin Rohrer formuliert es so: „Es gibt tolle Bauernläden in der Gegend, aber direkt vom Produzenten zu kaufen, das macht unseren Markt schon einzigartig. Und auch der Austausch zwischen den Produzenten ist großartig. Da entstehen wahre Freundschaften in einem Segment, das eigentlich von intensiver Konkurrenz geprägt ist. Es bilden sich Netzwerke, und neue Projekte werden initiiert. Denn es ist eines, was die Politik bewegen kann. Aber wir sind hier wirklich an der Basis und übernehmen so ein stückweit selbst die Verantwortung für unsere Zukunft.“

Die Slow Food Earth Markets: Märkte der Erde und weit mehr als „schon wieder ein neuer Bauernmarkt“ …
Die Slow Food Earth Markets repräsentieren ein weltweites Netzwerk von Bauernmärkten, die die Slow Food-Philosophie leben. Sie alle sind gemeinschaftlich geführte Märkte, die lokale Lebensmittel-Netzwerke stärken.
Sie bieten Lebensmittelqualität, der man vertrauen kann. Dafür stehen die Produzenten, die ihre Erzeugnisse persönlich vor Ort anbieten.
Die Produkte, die auf einem Earth Market angeboten werden, werden regional, saisonal und unter Anwendung nachhaltiger Methoden erzeugt.
Earth Markets sind nicht einfach nur zum Einkaufen da, sie bieten auch ­Geschmacksschulungen und Workshops, kulinarisch-kulturelle Aktivitäten u. v. m.
Es gibt faire Preise für beide – für die Konsumenten genauso wie für die Produzenten, die wiederum die lokale Wirtschaft beleben.
Die Märkte bieten Zugang zu guten, sauberen und fairen Lebensmitteln aus der Region. Dadurch werden Transportkilometer und die Versorgungskette verkürzt.
Weltweit gibt es aktuell 67 Slow Food Earth Markets, u. a.: Italien, Israel, Litauen, Libanon, Mexiko, Puerto Rico, Rumänien, USA – sowie im ­Burgenland (Parndorf, seit 2010), in Niederösterreich (Horn, seit 2013) … und schon bald in Lutzmannsburg.