Ein Korn Wahrheit
Vielfalt auf dem Acker bringt Vielfalt auf dem Teller und im Glas: Sechs alte österreichische Getreidesorten gehören zu den neuen Mitgliedern der „Arche des Geschmacks“ von Slow Food.
Text Elisabeth Ruckser
Getreide ist seit Jahrtausenden ein Basislebensmittel und begleitet uns schon seit der Steinzeit. Getreide wurde als Reisbrei oder Brot gegessen, zu Mehl vermahlen, zu Bier gebraut und war Futter für die Tiere. Fast genauso lang schon wurde es auch züchterisch bearbeitet. Generationen von Bauern haben für einen Anbau im nächsten Jahr die Körner jener Pflanzen ausgewählt, die als die robustesten, widerstandsfähigsten und ertragreichsten schienen. Vielfalt war dabei stets ein wichtiger Aspekt, schon allein um der Gefahr von Ernteausfällen durch verschiedene Sorten und Erntezeiten vorbeugen zu können.
Im Zuge der Entwicklung der Landwirtschaftsindustrie in den letzten hundert Jahren wurde dagegen stark in die Züchtung von Hochleistungssorten investiert. Allen voran etwa beim Weizen, der mittels Mutations- oder Hybridzüchtungen und Gentechnik bearbeitet wurde – mit dem Effekt, dass gerade Weizen im konventionellen Landbau heute oftmals nur unter Einsatz von viel Chemie den gewünschten Ertrag bringt und dass eine wunderbare Vielfalt von Weizen-, Gerste- und Roggensorten, Hafer, Dinkel und Emmer langsam, aber sicher von unseren Äckern und Tellern verschwunden ist.
Das Projekt der Slow Food-Stiftung für Biodiversität „Arche des Geschmacks“ kämpft seit mittlerweile zwanzig Jahren gegen das Verschwinden von Lebensmitteln an. Vergessene, vom Aussterben bedrohte Produkte werden weltweit aufgelistet. Gelingt es einem Produzentenkreis, die raren Lebensmittel wieder verfügbar zu machen, werden sie in den Rang von „Presidi“-Produkten erhoben – das Wort kommt aus dem Italienischen und bedeutet „Schutzräume“. Zahlreiche österreichische Obst- und Gemüsesorten sowie Tierrassen sind bereits vertreten. Seit Kurzem gibt es gleich sechs neue alte Getreidesorten, die ab sofort mit an Bord der Arche fahren: Emmer, Bordeaux-Weizen, Laufener Landweizen, Schwarzhafer, Pfauengerste und Schwarze Nacktgerste. „Zusammen mit den bereits existierenden Arche-Produkten, beziehungsweise den Presidi-Produkten Waldstauderoggen und Tauernroggen ist das ist ein wunderbarer Beitrag zur Diversität“, freut sich der Leiter der österreichischen Arche-Kommission, Agrarwissenschaftler Bernd Kajtna.
Die alten Getreidesorten zeichnen sich vor allem durch große Robustheit und Widerstandsfähigkeit aus. So etwa der Laufener Landweizen, der auch in Gebieten, die generell nicht besonders für den Weizenanbau geeignet sind, eingesetzt werden kann. Bernd Kajtna: „Etwa dort, wo es zu trocken oder zu kalt ist.“ Die Geschichte dieses Korns reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück, als es vor allem im damals zu Salzburg gehörenden Rupertiwinkel angebaut wurde. Heute ist es die einzige noch erhaltene Landsorte aus dieser Region.
Neben dem Anbau soll nun auch die Verarbeitung der neuen alten Getreidsorten wieder verstärkt gefördert werden. „Bäcker schätzen die tollen Backeigenschaften der Mehle und ebenso wie Bierbrauer eine neue geschmackliche Vielfalt“, so Kajtna. Das Gut Wildshut des Salzburger Bierproduzenten Stiegl engagiert sich hier ebenfalls in besonderem Maße und baut etwa die Alpine Pfauengerste oder die Schwarze Nacktgerste eigens zum Vermälzen an, woraus das hervorragende „Wildhuter Sortenspiel“ gebraut wird.