Honig aus der Serengeti

In Tansania boomt der Safari-Tourismus. Doch am wenigsten profitiert davon die lokale Landbevölkerung. Mithilfe einer Imkerei und einer engagierten Unternehmerin will eine Gruppe Massai-Frauen das ändern.

Als die Amerikanerin Krysten Ericson im Jahr 2008 zum allerersten Mal nach Tansania reiste, hatte sie von Honig und von Imkerei noch keine Ahnung. Wie die allermeisten Touristen kam sie in erster Linie wegen der atemberaubenden Landschaften und der großen Vielfalt an Wildtieren, die es in dem ostafrikanischen Land zu sehen gibt. Und wie viele wohlhabende Touristen verbrachte sie einige Tage in einer der luxuriösen Safari-Lodges im Umkreis des Serengeti-Nationalparks.

Dort allerdings freundete sie sich mit einigen der Angestellten an, die aus einem nahen Massai-Dorf namens Ololosokwan stammen. Dahin brachte sie einer von ihnen und stellte ihr ein Entwicklungsprojekt vor, dessen Ziel ist, den Frauen aus dem Dorf ein Einkommen über die Honig-Erzeugung zu verschaffen. „Dazu muss man wissen“, sagt Ericson, „dass den Frauen in der Gesellschaft der Massai die allermeiste Arbeit zuteil wird. Die Männer sind Krieger oder hüten ihre wertvollen Rinder, aber bereits das Melken und so gut wie jede andere Arbeit, die anfällt, bleibt an den Frauen hängen.“

Und das natürlich gänzlich unbezahlt, denn das Haushaltsgeld verwalten in der Regel die Männer. „Die Idee mit der Bienenzucht erschien mir das ideale Mittel, damit die Frauen selbst Geld verdienen, ohne dass sie sich dabei allzu weit von ihren Häusern entfernen müssen“, sagt ­Ericson. „Zumal Honig in der Kultur, den Riten und der traditionellen Medizin der Massai seit jeher eine bedeutende Rolle spielt.“ Allerdings beschränkte man sich bislang auf die althergebrachte Art der Gewinnung von Honig, nämlich indem man ihn von Wildbienen einsammelte, anstatt die Insekten in Stöcken zu halten.

Dank Ericsons Investition stehen heute in den verschiedenen Weilern rund um Ololosokwan um die hundert Bienenstöcke, die von den Frauen betreut werden. Auf den ersten Blick sieht das Dorf aus wie jedes andere in der Gegend. Ein paar einfache Lehm- und Wellblechhütten, nur einige wenige Gebäude aus Beton und im Zentrum ein staubiger Marktplatz, an dem ein Mal die Woche ein bunter Markt stattfindet. Und dann gibt es das Gebäude der von Ericson gegründeten Firma Maasai Honey mit seinem Produktionsraum, dem schlichten Büro und dem kleinen Verkaufslokal.

Hier trifft sich täglich und je nach Arbeitsplan ein Teil der zehn stets bunt gekleideten und schmuckbehangenen Frauen, die inzwischen mitmachen, um eine Ausbildung in der Imkerei zu absolvieren; oder aber um Honig und Nebenprodukte wie Kerzen und Kosmetika herzu­stellen und im Anschluss zu verkaufen. Eine, die ihre Ausbildung bereits hinter sich hat, ist Nangututi Langet. Honig habe sie immer gerne gegessen, aber ihn selbst zu erzeugen, daran habe sie früher keinen Moment gedacht, auch weil sie Angst vor Bienen habe, sagt die Mutter dreier Kinder. „Das einzige Geld, das ich zuvor verdient habe, habe ich für gesammeltes Brennholz bekommen“, so Langet.

Dabei komme ihr das eigene Geld freilich entgegen. So könne sie inzwischen ihre Kinder in die Schule schicken. Diese sei zwar öffentlich und somit theoretisch gratis, Ausgaben gebe es aber dennoch. „Wir müssen Uniformen, Schulbücher und fürs Mittagessen bezahlen. Und dafür war, bevor ich bei Maasai Honey begann, einfach kein Geld vorhanden“, erklärt Langet. Auf die Frage, was ihr Mann zu dem Ganzen sagt, muss sie herzlich lachen. „Der schimpft immer wieder, weil er behauptet, dass das Haus weniger ordentlich zusammengeräumt ist als früher, und lauter so Sachen. Aber das ist mir egal. Soll er doch schimpfen“, sagt sie und erntet dafür Lacher von allen umstehenden Kolleginnen.

Mangelnde Bildung sei freilich das Hauptproblem der Frauen, betont Krysten Ericson. „Viele Massai legen keinen Wert darauf, dass ihre Töchter in die Schule gehen, weswegen hier im Ort fast alle Frauen Analphabetinnen sind. Leider können nicht alle mit­machen, deswegen besprechen wir uns mit den Dorfältesten, um herauszufinden, welche Familien und Frauen die bedürftigsten sind. Und die stellen wir dann ein“, so Ericson.

Da sie selbst weiterhin in ihrer Heimat an der US-Ostküste lebt und nur vier bis fünf Mal im Jahr nach Tansania kommt, hat die Amerikanerin auch einen jungen Franzosen angestellt, der sich vor Ort um die wirtschaftlichen Aspekte wie etwa den Vertrieb kümmert. Enguerrand Perrot, so sein Name, ist zwar erst 30, hat aber bereits für NGOs in Ländern quer über den Erdball gearbeitet, dar­unter Afghanistan, Nordkorea, die Zentralafrikanische Republik und der Südsudan.

„In Wahrheit verkaufen wir nur einen kleinen Teil des Honigs hier im Ort“, sagt Perrot, „das meiste davon an die lokale Bevölkerung und einiges an Touristen, die hier manchmal Halt machen. Den Großteil der Produkte vertreiben wir über unser Büro und das Geschäft in der Re­gionshauptstadt Arusha.“ Wichtige Abnehmer seien dabei vor allem die Lodges überall im Land, die auch hierzulande und glücklicherweise immer öfter auf lokale Lebensmittel und also auf den lokalen Honig zurückgreifen.

Und der ist in der Tat von hoher Qualität. „Es gibt hier zweierlei Bienen“, sagt Perrot, während er vor dem Geschäftslokal einen Bienenstock öffnet, „diese kleinen hier, die stachellos und also völlig ungefährlich sind, und die anderen, die sogenannten Ostafrikanischen Hochlandbienen.“ Letztgenannte sind im Vergleich zu Europäischen Honigbienen extrem aggressiv, weshalb man sich den Stöcken nur mit entsprechender Schutzkleidung und vorzugsweise bei Dunkelheit nähern kann.

Geschmacklich unterscheiden sich die beiden Honige deutlich. Während jener der aggressiveren Art dem von Europäischen Bienen recht nahe kommt, hebt sich der Honig der stachellosen Bienen stark ab. Im Mund sorgt er für eine wahre Explosion an Aromen mit ungewohntem, aber feinem Säurespiel und lang anhaltendem Geschmack.

„Ihre geringe Größe verschafft den stachellosen Bienen Zugang zu feinen Pollen in kleineren Blüten, in die normale Bienen gar nicht gelangen. Das und ihr andersgearteter Stoffwechsel erklären den unterschiedlichen Geschmack“, sagt Perrot.

Dass beide Sorten völlig frei von Chemikalien sind, versteht sich von selbst angesichts der gänzlichen Abwesenheit von industrieller Landwirtschaft in der Savanne.

Die Stöcke mit der größeren Bienenart stehen in sicherer Entfernung zum Dorf. Ihre Aggressivität habe sie sich in erster Linie deswegen bewahrt, weil sie zahlreiche Feinde hat. „Einen großen Teil unserer Produktion verlieren wir etwa an den Honigdachs, deswegen müssen wir die Bienenstöcke auch in eigenen Gebäuden unterbringen und so dicht wie möglich umzäunen, um sie vor den Räubern zu schützen.“

Alles das, also das Gebäude, die Umzäunung, die Bienenstöcke selbst, die Einrichtung im Labor und im Geschäftslokal, die Schutzanzüge, die Gefäße und Verpackungen für den Honig und was sonst noch so anfällt, kostet freilich eine Menge Geld. Dabei darf aber der Preis für den Honig nicht allzu hoch sein, damit ihn sich auch die Massai leisten können.

Ein schwieriger Balanceakt. Dennoch planen Ericson und Perrot, die Produktion in den nächsten Monaten mindestens zu verdoppeln. „Wir wollen weitere 100 Bienen­stöcke anschaffen und zusätzlich zehn Frauen beschäftigen“, beteuern sie. „Wenn alles gut geht, wird die Firma in drei bis fünf Jahren Gewinne abwerfen und wirtschaftlich nachhaltig sein. Dann werden wir uns aus der Firma zurückziehen und sie den Frauen überlassen.“ Voraussetzung dafür ist allerdings, dass auch die Touristen in den Lodges immer häufiger nach lokalem Honig verlangen.