In Aphrodites Speisekammer

Der Sage nach soll Aphrodite, die Göttin der Liebe, Schönheit und Sinnlichkeit, am südlichen Strand Zyperns dem Meer entstiegen sein. Da könnte schon was dran sein. Wer Zypern abseits touristischer Pfade entdecken will, wird offenherzige Menschen treffen und Köstlichkeiten entdecken, die an Sinnlichkeit viel zu bieten haben. Jürgen Schmücking war für slow auf der Insel und hat sich auf Spurensuche begeben.

George Pavlou strahlt übers ganze Gesicht. Wir sitzen an seinem Tisch, trinken Zivania und er erzählt von seinem Leben. Von Vavla, dem Ort, an dem er geboren wurde und an den er wieder zurückgekehrt ist, von den Kräutern, die hier so üppig wachsen und die er mit Leidenschaft sammelt, und natürlich von Halloumi, Talar und Tsamarella und der Bedeutung der Ziegen in Zypern. Dann kommt Donna-Marie von draußen herein und stellt den Topf auf den Tisch, der drei Stunden lang im Steinofen schmoren durfte. Lammkopf. Der alte Mann lacht vor Vorfreude. Es ist ein herzliches Lachen. Und es ist ansteckend.

Vavla, der kleine Ort, in dem die Pavlous wohnen, ist ein zyprisches Bergdorf an den östlichen Ausläufers des Troodos-Gebirges. Etwa fünfzig Menschen wohnen hier. Allerdings, so sagt George, gebe es nur zwei oder drei Tage im Jahr, an denen auch wirklich alle – oder zumindest ein Großteil – im Dorf sind. Den Rest des Jahres ist Vavla ein eher beschaulicher Ort. Es gibt zwei Unterkünfte. Eine davon ist George Pavlous Elternhaus. Das andere heißt Rustic Retreat, wobei der Name schon ziemlich genau beschreibt, was man hier zu erwarten hat: rustikalen zyprischen Flair, viel Holz, einen wunderschönen Innenhof mit stattlichem Tisch und Zimmer mit offenem Kamin. Wer frühstücken oder essen möchte, kann sich entweder selbst versorgen oder geht einfach zu Donna-Marie und George. Sie sind nämlich die Nachbarn.

Das Frühstück im Our House (so nennen die Pavlous ihr Domizil) ist eine Augenweide und eine kulinarische Offenbarung. Und vor allem ist es ein Panoptikum dessen, was die Slow Food Arche des Geschmacks auf Zypern zu bieten hat. Etwa Halloumi und Talar, die beiden Ziegenkäse, die, vor allem der Halloumi, so stark in der zyprischen Küche präsent sind, dass sie fast schon zur kulinarischen DNA der Insel gehören. Dann liegt hier Tsamarella auf den Tellern, der würzige getrocknete Ziegenschinken, der auch das einzige Presidio-Produkt des Landes ist. Manchmal macht Donna-Marie auch Pastelli, eine Süßigkeit aus Johannisbrot, die früher eines der wichtigsten Handelsgüter Zyperns war.

Jedenfalls ist auch die Lage von Vavla so günstig, dass von hier aus die Insel bestens erkundet werden kann. Der Ort befindet sich etwa auf halber Strecke zwischen Larnaka und Limassol, etwa zehn Kilometer nördlich der Südküste und circa vierzig Kilometer südlich von Nikosia. Um die Metzger zu besuchen, die (noch) Tsamarella herstellen, schickt George uns nach Westen, in die Berge nach Agros oder Guter. Handwerklich gemachter Tsamarella ist eine außerordentlich köstliche Spezialität, die leider nur noch sehr selten zu finden ist. Für Tsamarella wird das Fleisch des Ziegenschlögels ausgelöst und flach aufgeschnitten. Das ist notwendig, weil der Reifeprozess nur wenige Tage dauert und das Fleisch dafür nicht zu üppig sein darf. Mit Salz und frischem Oregano eingerieben, reift der Schinken etwa sieben bis zehn Tage in der mediterranen Sonne. Das Ergebnis ist ein intensives Geschmackserlebnis, das sich im Dreigestirn Ziege, Umami und Oregano bewegt. Es geht aber auch noch eine Spur intensiver. Christos, die Seele von Kafkalia, einem sehr traditionellen Fleischerladen in Agros, lächelt verschmitzt, wenn er von „Apokti“ spricht, einer uralten Variante von Tsamarella, bei der nur Fleisch von Ziegen verwendet wird, die an Altersschwäche sterben. Auf die Frage, ob er im Moment Apokti zu verkaufen habe, zuckt er nur mit den Schultern: „Too healthy“. Den Ziegen gehe es zu gut hier in den Bergen. „Die sterben einfach nicht.“

Wenn man das Troodos-Gebirge überquert und auf der Westseite wieder in Richtung Meer fährt, kommt man unweigerlich an jenem Gebiet vorbei, wo Halloumi und Talar produziert werden. Halloumi ist in Zypern natürlich so stark vertreten, dass er auch in anderen Gegenden gekäst wird. Halloumi- und Anari-Kernland ist aber die Gegend nördlich von Limassol.

Um Halloumi herzustellen, wird frische Milch auf Körpertemperatur erwärmt. Lab, ein Enzym aus dem Magen von Kälbern, wird mit Wasser vermischt und hinzugegeben, wodurch der Gerinnungsprozess ausgelöst wird. Die so entstandene Bruchmasse wird behutsam geteilt und nochmals kurz erwärmt. Dann wird der Bruch von der Molke getrennt. Bevor dem jungen Käse ein wenig Ruhe gegönnt wird, wird er noch kraftvoll gedrückt, gerollt und geknetet. Dann – und das unterscheidet den Halloumi signifikant vom Mozzarella – wird der Halloumi eine knappe Stunde in Molke gekocht, bis er obenauf schwimmt.

Diesem Vorgang verdankt der zyprische Käse seine einzigartige Konsistenz. Und die Eigenschaft, dass er nicht schmilzt, wenn er erhitzt wird. Die Milch für Halloumi kommt übrigens traditionellerweise vom Schaf. Manchmal ist allerdings auch Ziege im Spiel.

Noch einmal zurück über das Troodos-Gebirge. Zurück über kaum befestigte und mit tiefen Schlaglöchern übersäte Landstraßen. Ziel der holprigen Fahrt ist das Haus von Lefteris Mohianakis und seiner Frau Kristina Apostolou. Lefteris hat sich eines Produkts angenommen, für das Zypern seit Jahrhunderten in der Welt (vor allem in der Weinwelt) bekannt ist: Commanadia. Dessen ursprünglicher Name, Kyprion Nama, hat Lefteris dazu verleitet, seinen Commandaria nicht Commandaria, sondern „Anama Concept“ zu nennen. Ein wenig hat auch dazu beitragen, dass der moderne, heute übliche Commandaria in Zypern eher ein industriell hergestellter Massenwein ist. Und davon wollte das griechisch-zyprische Winzerpaar überhaupt nichts wissen. Mohianakis will traditionell produzieren und kauft seine Trauben bei kleinen Winzern aus der Nachbarschaft, von Familienbetrieben, die er persönlich kennt. Bevor die Trauben geerntet werden, trocknen sie am Rebstock noch zwei Monate lang in der Sonne. Der Wasseranteil im Most verdampft dadurch langsam, der Saft in der Traube wird gehaltvoller, und die Trauben erreichen einen sehr hohen Zuckergehalt. Drei Jahre lang hat der Wein dann Zeit, in Fässern zu reifen. Das fertige Produkt strahlt in satten Mahagonitönen und trinkt sich wie ein feinster Portwein, süß und nach einer filigranen Mischung aus Honig und Walnüssen schmeckend.

Ich habe George eine Flasche davon mitgebracht, damit wir nach dem Lammkopf ein gutes Glas zu trinken haben. Irgendwann während des Essens hat er erzählt, dass er mit seiner Frau lange in Amerika gelebt hat. Auf Long Island. Und dass sie einen Sohn haben, der Koch ist und ein Restaurant betreibt, wo sie auch gewohnt haben. Ich kannte das Restaurant. Es ist das North Fork Table & Inn, eine der herausragendsten Adressen an der Main Road in Southold. Ich war vor Jahren dort und habe es in ausgesprochen guter Erinnerung. Der Abend in Vavla hat dann noch lange gedauert. Sehr lange.

Our House
Donna-Marie & George Pavlou
Vavla, ­Larnaca 7713, Zypern
Tel.: +357/97 66 71 98

Rustic Retreat
Kelley Polis
Vavla, ­Larnaca 7713, Zypern
Tel.: +357/96 86 54 04

Die Wassermühle und Bäckerei Kouyioyka
Bei Giolou in der Nähe von Pafos. Eine uralte Steinmühle mit rustikaler Bäckerei, in der man auch die traditionellen Arkatena bekommt: köstliche Kringel aus Kichererbsenschaum (und nebenbei ein weiteres Arche-Produkt).

Dorf Omodos
Bei Limassol. Omodos ist ein Winzerdorf mit Kirche, einer (fast prä-) historischen Weinpresse und ein paar Shops zum Einkaufen.

Taverna Mousikos
Kyriacou Matsi 6, Sotira.
Eine authentische Taverne mit vielen zyprischen Spezialitäten, vor allem Lamm und Schnecken.

7 St. Georges Taver
in Geroskipou, Paphos. Klassische zyprische ­Küche und Gastlichkeit. Das Essen ist beendet, wenn man entweder laut „Stopp“ schreit oder ohnmächtig das Gesicht im Eintopf versenkt.