Kochaktivisten

Ursprünglich gegründet wurde die Slow Food Allianz der Köche, um Presidi und Arche-Produkten eine Bühne zu bieten. Doch inzwischen geht es um viel mehr. Nämlich darum, mit Hilfe der Köche die Slow Food-Philosophie in die Welt zu tragen.

In Dario Martinas Osteria findet sich so gut wie jedes Presidio, das von Slow Food in der Region Friaul-Julisch-Venetien errichtet wurde. Und davon gibt es immerhin zwölf. „Mir würde es gar nicht einfallen, als beispielsweise die Kalbsleber mit einer anderen Zwiebel zu rösten als mit jener süßen, die sie ausschließlich um den Ort Cavasso, also 15 Autominuten von hier, anbauen“, sagt der Wirt, der auch Mitglied der Slow Food Allianz der Köche ist.

Das da Afro ist eine Osteria wie aus dem Bilderbuch. Im vorderen Teil mit der langen Bar sitzen Einheimische bei ­einem Krug Wein, tratschen, lesen Zeitung oder schauen auf den Fernseher, der den ganzen Tag rennt. An den Wänden hängen zahlreiche Urkunden mit Schneckensymbol, die das große und jahrelange Verdienst des Hauses um die Slow Food-Philosophie belegen.

Der hintere Raum indessen ist gutbürgerlich einge­richtet, mit Stofftischtüchern, altmodischen Schränken und einer prachtvollen Prosciutto-Schneidemaschine der Firma Berkel in seiner Mitte. Immerhin ist man von der weltberühmten Schinken-Hochburg San Daniele nicht weiter entfernt als vom Zwiebel-Presidio-Ort Cavasso.

„Wir arbeiten selbstverständlich nicht mit einem herkömmlichen San Daniele, der in der Regel industriell produziert wird, sondern mit dem eines der letzten handwerk­lichen Erzeuger. Auch das ist für uns wie für alle anderen sieben Köche aus der Region, die der Allianz beigetreten sind, völlig normal“, sagt Martina, „aber was für die einen normal ist, ist für die anderen speziell.“
Speziell ist es vor allem für die Gäste des da Afro, die aus ganz Italien und dem nahen Österreich anreisen, um in den Genuss der typischen friulanischen Spezialitäten und Gerichte zu kommen, für die die Osteria berühmt ist. Durch die Teilnahme an der Slow Food Allianz der Köche habe man zwar nicht seine Arbeitsweise geändert, könne sich aber viel besser mit den anderen Wirten der Region absprechen, die Arbeit besser koordinieren und – wie im Fall der Zwiebel oder des handwerklich erzeugten Prosciutto – das eine oder andere Produkt oder Gericht gemeinsam unterstützen, betont Martina.

Tatsächlich wurde die Allianz ursprünglich in erster Linie gegründet, um den Slow Food-Presidi eine Bühne zu bieten. Doch inzwischen geht es um einiges mehr. „Bald nach der Gründung im Jahr 2009 haben wir ­erkannt, dass ein engagierter Koch zusätzlich zur Promotion von Presidi, Arche-Passagieren und sonstigen wertvollen Lebensmitteln einen noch viel bedeutenderen Beitrag leisten kann“, erklärt Ludovico Roccatello. „Ein engagierter Koch ist in Wahrheit auch Slow Food-Aktivist, außerdem Aushängeschild seiner Region mit einer gewissen erzieherischen Aufgabe. Und wenn viele Köche gemeinsam an einem Strang ziehen, dann können sie Beachtenswertes erreichen.“

Roccatello ist bei Slow Food als Projektmanager für die Allianz der Köche zuständig. In dieser Funktion hat er seit 2013 schon einige Erfolgserlebnisse vorzuweisen. Wie etwa in Albanien. „Albanien ist für mich das beste Beispiel dafür, was die Allianz zu verrichten imstande ist“, sagt er, „nach Jahrzehnten der kommunistischen Diktatur gab es in dem Land kaum noch handwerkliche Lebensmittelerzeugung oder auch Gasthäuser, die traditionelle Gerichte anboten.“

Das sollte sich ändern, nachdem die beiden Brüder Altin und Anton Prenga aus Italien zurückkehrten, wo sie einen Teil ihrer Kindheit verbracht hatten. „Zu einer Zeit, als viele Albaner auswanderten, zogen sie zurück und brachten die Idee des Agriturismo mit“, erzählt Roccatello, „sie eröffneten ein Restaurant 45 Autominuten von Tirana, pflanzten ihr eigenes Gemüse, arbeiteten mit lokalen Bauern und gruben alteingesessene und zum Teil vergessene Rezepte aus.“

Das Ganze sprach sich herum, bald war sogar der albanische Premierminister zu Gast. Andere Köche schlossen sich dem Projekt an, heute zählt die lokale Slow Food Allianz der Köche zwanzig Mitglieder, darunter so unterschiedliche Persönlichkeiten wie den Sieger der TV-Sendung Masterchef Albanien und ein ehemaliger Souschef von René Redzepi, dem weltberühmten dänischen Koch mit albanischen Wurzeln.

„Zwanzig Köche klingt nicht nach so wahnsinnig viel, und dennoch bewiesen sie, dass man durch Zusammenhalt und gemeinsame Anstrengung in einem Land wie Albanien die Esskultur verändern und die kulturelle und biologische Vielfalt verteidigen kann“, zeigt sich Roccatello überzeugt.

Ähnliches sei auch in Island zu beobachten gewesen, wo lange Zeit die internationale Küche aus importierten Lebensmitteln vorherrschte, bis dort Slow Food-Aktivisten eine Verbindung herstellten zwischen den isländischen Köchen und den lokalen ­Fischern, die gewohnt waren, ihren Fang fast ausschließlich ins Ausland zu verkaufen. Auch dort habe sich in wenigen Jahren ­einiges verändert, beteuert Roccatello.
„Inzwischen existiert eine Slow Food Allianz der Köche in 23 Ländern, weltweit sind über 1.000 Köche involviert, darunter völlig unterschiedliche Realitäten, wie zum Beispiel russische Starköche, kanadische Gasthaus-Wirte, Betreiber von Agriturismi in Italien oder Leute, die eine Vision haben wie die Französin Eva Muller, die in ihrer Heimat ein Projekt für gesündere und ökologischere Mahlzeiten an den Schulen betreibt“, sagt der Italiener.

Und wie könnte auch in einem Land wie etwa Österreich eine derartige Allianz entstehen? „Als erster Schritt wäre wichtig, dass die Köche und die Slow Food-Aktivisten zusammenkommen, um zu diskutieren und sich auszutauschen“, antwortet Roccatello. „Im Rahmen eines solchen Austauschs kann man sich die entscheidenden Fragen stellen, nämlich: Wo liegen die Probleme? Was braucht das Land, was die Region? Welches sind die gemeinsamen Ziele und wie kann das lokale oder globale Slow Food-Netzwerk dabei mithelfen, diese zu erreichen?“ Und sollte es gelingen, darauf die richtigen Antworten zu finden, braucht es wohl nicht viel mehr, damit auch die heimischen Köche Teil der Allianz und damit der weltweiten Slow Food-Bewegung werden.

Osteria da Afro
Via Umberto I, 14, 33097 Spilimbergo (PN)
Tel.: +39/0427/22 64
www.osteriadaafro.net