Mühle mal anders

Georg Gilli ist der Erste in der Familie, der nach fünf Generationen NICHT Müllermeister geworden ist. Auch die Mühle selbst steht schon lange still. Dennoch findet sich heute wieder ein Mahlwerk im alten Gemäuer. Georg presst hochwertige Speiseöle aus speziellen Saaten, und ab sofort „mahlt“ er dann auch noch Essig.

Die Begrüßung übernimmt Amy – eine aufmerksame und freundliche Terrier-Dame, die den Hausherren Georg Gilli so gut wie überall hin begleitet. Gerade eben hat sie sich von ihrem Platz im Hof erhoben und meldet die Neuankömmlinge lautstark an, wie sich’s gehört. Die Sonne scheint auf das bucklige Pflaster, und fast vermeint man, Hufgetrappel längst vergangener Tage zu hören. Als schwer beladene Pferdefuhrwerke hier an der Grenze von Wald- und Weinviertel zur Eggenburger Kanzlermühle kamen, um das Getreide der Bauern zum Mahlen zu bringen, und das Wasser der Schmida die Mühlräder antrieb. Heute ist Georg Gilli der Hausherr. Er ist Öl-Müller. Behutsam und aufwendig hat er das historische Bauwerk restauriert und bei der Produktion ein neues Kapitel aufgeschlagen. Georg stellt „a Ö“ her, hochwertige Öle aus heimischen Biosaaten.

Georgs Familie ist seit 85 Jahren an dem außergewöhnlichen Ort daheim. Vater Georg senior war der letzte Müllermeister, der den Betrieb schließlich schweren Herzens stilllegte. Zu klein, zu wenig konkurrenzfähig, zu unrentabel lautete die Erkenntnis. Dann und wann kam Großvater Albert noch, um das alte Werk laufen zu lassen. Bis zum Jahr 2004, als ein Brand schließlich alles vernichtete. „Unsere Mühle war komplett aus Holz – auch sämtliche Verbindungen und Rohre“, erzählt Georg Gilli. „Das war einerseits der Grund, warum wir ganz spezielles Mehl produziert haben – das Produkt hatte immer Kontakt mit dem Holz. Aber leider war es auch der Grund, warum das oberste Stockwerk durch das Feuer völlig vernichtet wurde.“ Löschwasser hat außerdem die darunterliegenden Etagen in unbrauchbare Ruinen verwandelt. „Mehl und Wasser verbinden sich hervorragend“, wie es Georg Gilli etwas sarkastisch formuliert.

Mehr als zehn Jahre stand das alte Bauwerk danach still, und die Familie Gilli spezialisierte sich ganz auf den Getreidehandel. Bis, ja bis Georg nach Wirtschaftsstudium und Auslandsjobs in Irland und England wieder heimkehrte. Mehrere Betriebe hatte er inzwischen professionell angeleitet, wie sie ihr Business gestalten sollten, nun wurde er sein eigener Berater. „Ich hab eine Menge Flipcharts aufgestellt und ganz nach Lehrbuch analysiert, was es für die Zukunft werden könnte.“ Was folgte, waren intensive Recherchen, etliche Monate Umbau und, und, und. Dann war sie geboren: seine Marke „aÖ Iss Dialekt“.

Seit 2015 produziert Georg Gilli unter diesem Label Speiseöle. Und dort, wo sich einst Getreidekörner in weißes Mehl verwandelten und die Transmissionsriemen surrten, steht heute eine Schneckenpresse und wird Flasche um Flasche mit den intensiven Elixieren gefüllt. „Ich wollte auch das alte Gebäude wieder beleben, es ist einfach das Herz unserer Familie“, sagt der Öl-Müller dazu. Nachsatz: „Und keine neue Halle irgendwo hinstellen, selbst wenn das um einiges günstiger gewesen wäre …“

Georg Gilli gehört zu einer Generation von Lebensmittelhandwerkern, die ihre Erfolgsgeschichte mit neuer Handschrift schreiben: mit einem Back-up aus strategischem Wirtschaftswissen, großem persönlichen Einsatz und höchstem Qualitätsanspruch. „Das Wichtigste sind natürlich die Saaten. Denn ich kann zwar aus gutem Ausgangsmaterial ein schlechtes Endprodukt herstellen, aber umgekehrt geht’s nicht.“ Er kennt seine Lieferanten – allesamt Landwirte, die im Umkreis von wenigen Kilometern daheim sind – persönlich und ist auch immer wieder auf den Feldern unterwegs, um zu sehen, wie sich alles entwickelt. „Aktuell stelle ich zum Beispiel gerne kurze Videos von der Entwicklung des Leins online. Ich möchte, dass die Menschen wieder wissen, was sich auf einem Acker tut und wie der Bauer arbeitet.“

Derzeit produziert Georg Gilli sechs verschiedene Öle: aus den elfenbeinfarbenen Kernen der Waldviertler Färberdistel ebenso wie aus den Samen von Hanf und Sonnenblume, Lein und Leindotter. Seit Kurzem gehört auch Kürbiskernöl zum Repertoire, allerdings arbeitet Gilli – anders als etwa die steirischen Kürbiskernölhersteller – nur mit ungerösteten Kernen. „Kürbis ist nicht leicht zu pressen“, sagte er dazu, „kurz gesagt, weil er sehr viel Öl enthält. Da muss man einigermaßen tüfteln, bis alles so ausgewogen ist, wie man’s haben will.“

Seine Öle sind ausschließlich kalt gepresst – was bedeutet, dass keine zusätzliche Wärme zugeführt wird – und biologisch zertifiziert. „Es war von Anfang an klar, dass ich nur mit österreichischen Bioprodukten arbeiten will.“ Beim Pressvorgang selbst geht es vor allem um ein gutes Temperaturverhältnis: Je weniger Wärme beim Pressen selbst durch die Reibung der Kerne entsteht, desto besser für das Öl. „Aber auch umso schwieriger, denn, wenn das Produkt sehr kühl ist, wird das enthaltene Öl nicht leicht freigesetzt.“ Ganz zu schweigen von den unterschiedlichen Temperaturen, die in der Mühle selbst herrschen. „Bei zehn Grad Raumtemperatur tut sich etwas ganz anderes als im Sommer.“

Der Einsatz ist arbeits- und zeitintensiv, übrigens für die ganze Familie, und ohne die Unterstützung von Ehefrau Nicole würde es nicht gehen. Aber der Erfolg gibt dem jungen Ölmüller mehr als recht. Seine Öle wurden bereits mit Preisen ausgezeichnet, auch wissbegierige Besucher in der Mühle selbst stellen sich mehr und mehr ein. „Das ist mir sowieso am liebsten, dann kann jeder sehen, was ich mache, und ich kann zeigen, dass Öl viel mehr sein kann als nur Teil der Salatmarinade.“ Denn das ist ihm noch ein großes Anliegen: das tolle kulinarische Potenzial seiner Öle aufzuzeigen, und da gerät er richtig ins Schwärmen: „Leinöl? Das seh ich total im süßen Bereich. Probier das einmal: ein Schuss Leinöl auf lauwarmen Topfenpalatschinken – einfach herrlich.“

Ja, und dann wäre da noch die Sache mit dem Essig: Seit wenigen Wochen läuft nämlich auch ein sogenannter Acetator bei Georg in der Mühle. „Das hatte ich schon lange im Hinterkopf. Essig passt einfach gut zum Öl.“ Er hat wieder viel recherchiert und zahlreiche Profis auf dem Gebiet persönlich besucht. „Jetzt bin auch Essig-Müller“, sagt er scherzhaft und lacht. Derzeit arbeitet er vor allem mit Bioweinen aus dem benachbarten Röschitz und tüftelt am Grundprodukt, das dann zur Reifung in Fässer wandert. Und irgendwann, „da wage ich mich dann auch noch an das Abenteuer Balsamico!“ Aber das ist eine andere Geschichte …

aÖ Iss Dialekt
Erzherzog-Karl-Ring 17, 3730 Eggenburg
Mühlenladen-Öffnungszeiten:
Mo.–Fr. 8–12, 13–16.30 Uhr
Mühlen-Führungen sind nur gegen Voranmeldung möglich.
Tel.: 02984/26 10 26
www.iss-dialekt.at