Adieu, Bourgogne?
Noch vor 10, 20 Jahren war es völlig klar, wer in Sachen Rotwein weltweit an der Spitze steht: Bordeaux und Burgund. Beim trockenen Weißen war Burgund sogar ganz einsam führend. Inzwischen hört und sieht man immer weniger von den Weinen aus dem Herzen Frankreichs. Wir versuchen eine kurze Bestandsaufnahme.
Adieu, Bourgogne?
Text von Michael Prónay Fotos: Alexi Pelekanos
Klar, ganz Burgund – also inklusive Chablis, dem Zentralgestirn Côte d’Or, dem Chalonnais, dem Maconnais und dem Beaujolais – produziert mit etwa 2,5 Mio. hl Wein weniger als die Hälfte von Bordeaux mit 5 bis 6 Mio. hl. Aber während es in Bordeaux neben den teuren Topgewächsen noch eine solide Mittelklasse – etwa Crus Bourgeois und entsprechende Güter – gibt, scheint diese in Burgund zu fehlen.
Klar, die Topweine von Gütern wie der Domaine de la Romanée-Conti (DRC), Leroy, Jayer, Gros und wie sie alle heißen, sind gesucht und teuer. Romanée-Conti selbst ist der teuerste Wein der Welt: Mit 5.500 Euro pro Flasche für den aktuellen Jahrgang 2003 liegt er meilenweit vor Petrus, Montrachet oder Egon Müller’schen Riesling-Trockenbeerenauslesen. Aber die Mittelklasse, die geht uns doch ab. An der Basis wiederum, dort wo es in Bordeaux die meisten Probleme gibt, dort behauptet sich der Beaujolais offensichtlich recht gut, und das trotz des Panschskandals bei Dubœuf vor kurzer Zeit.
Kann es damit zusammenhängen, dass die Region, die in Summe ja immer noch halb so groß ist wie das Bordelais, in Sachen Bündelung der Marketingaktivitäten ähnlich zersplittert ist wie die Weingartenflächen? Ein Pendant zur Union des Grands Crus de Bordeaux, die sich darum kümmert, dass jährlich im Frühjahr 150 Journalisten in der Region untergebracht und von Fassproben-Degustationsort zu -Degustationsort gekarrt werden und im gleichen Atemzug, aber von der Presse getrennt, Degustationsmöglichkeiten für ein paar tausend Menschen aus Gastronomie und Handel schafft, ein solches Pendant ist für Burgund weit und breit nicht in Sicht. Gut, es gibt die „Grandes Journées de Bourgogne“, aber erstens nur alle zwei Jahre, und zweitens kostet man dort im Stehen, was ungut ist, wenn man druckreife Kostnotizen machen möchte.
Jedenfalls waren wir doch ein wenig betroffen darüber, auf wie wenig Resonanz unsere Bitte an die Burgunderimporteure um Probeexemplare gestoßen ist. Entweder ist Österreich für Burgund tatsächlich in den letzten Jahren immer weniger wichtig geworden, oder aber das Geschäft spielt sich praktisch ausschließlich zwischen Importeuren und Stammkunden ab, die nur die Crème de la Crème der Weine in den eigenen Kellern einlagern. Beide Thesen müssen einander aber gar nicht ausschließen. Für die erste These spricht übrigens, dass wir uns schon seit Jahren nicht mehr daran erinnern können, ein Burgunderangebot in Händen gehalten zu haben, etwas, was vor zehn Jahren regelmäßig der Fall war. Der Grund für das dünne Angebot dürfte wohl auch in der Höhe der Preise liegen.
Genug des Lamentos, wir haben die neun Weine, die wir auf unseren Aufruf bekommen haben, verkostet. Fünf der neun sind weiß, vier aus der nördlichsten Region, Chablis. Durch Zufall ist je einer aus den vier Appellationen Petit Chablis, Chablis, Chablis Premier Cru und Chablis Grand Cru dabei. Der fünfte Weiße stammt aus einer so genannten „Appellation régionale“, wie die AOCs Bourgogne allein oder mit Zusatz (wie etwa Aligoté oder Irancy) genannt werden. In Rot haben wir ebenfalls einen Bourgogne AOC verkostet, daneben mit dem Moulin-à-Vent den renommiertesten Cru aus dem Beaujolais und je einen Topwein eines Topproduzenten an der Côte de Beaune und der Côte de Nuits.
Die Weine
Der erste Burgunder und die vier Chablis-Weine sind weiß, die übrigen rot.
89
2005 Adamas Chardonnay Burgundy, Bourgogne AOC 13%, NK, Wein & Co € 13,99
Klassische, reife, dezent holzbetonte Nase, dezente Chardonnay-Exotik, im Ausklang herzhafter Biss, guter Einstieg in die Welt der weißen Burgunder.
90
2006 Petit Chablis, Domaine de la Meulière 12%, NK, Laroche € 11,80
Ausgesprochen feine, frische, durchaus auch mineralisch gestützte Nase; herzhafte Frische, wunderschöne Zitrusnoten, ganz und gar klassisch, so stellt man sich den idealen Austernwein vor.
91
2006 Chablis, Domaine de la Meulière 12,5%, NK, Laroche € 13,60
In der Nase deutlich verhaltener, auch am Gaumen völlig neutral – wieder einmal Korkschleicher. Die zweite Flasche deutlich besser, feine Frische, wunderschöne Mineralität, zart extraktsüß, saftiger Biss, ausgezeichnet.
91
2005 Chablis Premier Cru Montmains, Joseph Drouhin 12,5%, NK, Mounier, € 29,90
Zarte Vanille, dazu der stahlig-mineralische Anklang von Chablis; herzhafter, feiner Fruchtbiss, bei aller Fülle auch elegant, schöner Stoff, jetzt auf dem ersten Höhepunkt, hat allerdings noch viel Zeit.
90
2005 Chablis Grand Cru Les Clos, Vocoret & Fils 13%, NK, Vergeiner, € 34,40
Mittelintensive Holzaromatik, dahinter feine, dezent exotisch angehauchte Frucht, reife Bananen, dazu ein Hauch Melonen; mittelgewichtig, gut balancierte Säure, schöner Druck, dezent würzig ausklingend.
88
2005 La Vignée Bourgogne Pinot Noir, Bouchard Père & Fils 12,5%, NK, Wein & Co € 13,99
Feine Nase, klassischer Pinot, dezent floral angehaucht; weiche Fülle, solid und ordentlich, ein wenig weitmaschig, dennoch aber ein passender Einstieg zu Burgund in Rot.
91
2005 Moulin-à-Vent, Joseph Drouhin 13%, NK, Mounier, € 15,50
Wildkirsch-PEZ und saftiger Fruchtbiss, jugendliche Frische, feinziselierte Säure und animierender Trinkfluss, hat auch noch ein Tanningerüst für mehrere Jahre, ein klassischer Cru-Beaujolais.
94
2003 Beaune Grèves Vigne de L’Enfant Jesus AC Premier Cru, Bouchard Père & Fils 13,5%, NK, Vergeiner, € 72,60
Feine, weiche, wunderschön ziselierte Rotfrucht, offen, typisch, keine Überreifenoten aus dem extremen Hitzejahr; feine Fülle, Hauch von Schwarztee, kerniger Biss, vielleicht nicht unbedingt sehr pinottypisch, dafür als Wein ausgesprochen komplett und für das Jahr sehr gut gelungen.
92
2004 Nuits-Saint-Georges Les Vaucrains AC Premier Cru, Robert Chevillon 13,5%, NK, Vergeiner, € 48,80
Klassische Pinotnase der strafferen Art, etwas rauchig-tabakig, aber auch feine Zigarrenkiste; herzhafte, feine, frische Frucht, knackiger Biss, dabei auch elegant, guter Stoff am Beginn der Entwicklung, sehr gut gelungen für das mittlere Jahr.