Anything but Chardonnay

Vor 15, 20 Jahren war der Chardonnay in aller Munde. In letzter Zeit ist es in Österreich verdächtig ruhig um die Sorte geworden. Ist er aus der Mode gekommen? Warum wird die Sorte nicht geliebt? Wir haben neun Winzer um ihre Ansicht gebeten.

Text von Michael Prónay · Fotos von Peter M. Mayr
Weltweit gesehen ist Chardonnay eine der wichtigsten Weißweinsorten überhaupt. Kein Chablis, kein burgundischer Grand Cru oder auch viele Champagner und die besten Weißweine der neuen Welt sind ohne Chardonnay undenkbar. Hierzulande lobt und preist man den auf unsere Breiten beschränkten Grünen Veltliner, sozusagen außerhalb jeder messbarer Konkurrenz, geht beim Riesling einen respektablen individuellen Weg zur vergleichbaren deutschen Konkurrenz und lässt den Chardonnay eher stiefmütterlich im Regal liegen. – Schade irgendwie …
Wir fragen bei Axel Stiegelmar an, denn der Beginn der heimischen Chardonnay-Erfolgskarriere spielte sich hier im Hause ab. Man schrieb das Jahr 1995, und der von Papa Georg „Schurl“ Stiegelmar vinifizierte Chardonnay 1992 erreichte auf der Gault-Millau-Olympiade in Paris den sensationellen sechsten Platz. Getoppt wurde das Ganze noch durch den Titel eines „Robert Mondavi Winemaker of the Year“ (Winzer des Jahres) von der IWSC (International Wine & Spirit Competition), der größten und wichtigsten Wein- und Spirituosenverkostung im englischen Sprachraum, verliehen vom Namensgeber und von Leonardo de’ Frescobaldi im Festsaal der Londoner Guildhall, des alten Rathauses. (Ich hatte die Ehre, die Beiden auf ihrer Reise nach London zu begleiten, aber das nur nebenbei.)
Gewonnen hat bei der Gault-Millau-Verkostung der Montrachet aus dem Hause Ramonet, was eindeutig weltweit das höchste der Gefühle in Sachen Weißwein in Burgund und also auch Chardonnay darstellt. Da wurde im Hause Stiegelmar eine tolle Idee geboren. Axel: „Wir haben unseren Lieferwagen mit unserem Chardonnay vollgepackt und sind alle übrigen Top-Ten-Winzer abgefahren – so drei- bis viertausend Kilometer insgesamt – und haben deren Chardonnay gegen unseren getauscht.“ Der Empfang war überall herzlich: „Die Ramonets haben uns gleich zum Mittagessen eingeladen – irgendwie ist das ja auch das Schöne an unserem Beruf.“
Zurück nach Wien. Uwe Kohl, der damalige Besitzer des inzwischen geschlossenen Nobelrestaurants „Zu den drei Husaren“ ist mit Schurl Stiegelmar befreundet, und es steigt ein phantastisches Abendessen, an dem alle Top-Ten-Weine teilnehmen durften. Vom Montrachet von Ramonet gab’s allerdings nur ganz wenig – das eine Glas pro Tisch wandert von einem Gast zum nächsten –, aber selbst der Minikostschluck beweist einerseits die Klasse des Montrachet, aber auch die absolute Weltklassequalität der übrigen Chardonnays, Stiegelmar inklusive. Keine Frage: Georg Stiegelmar stand an der Wiege des Chardonnay-Booms.
Der Stiegelmar’sche Zugang zum Chardonnay ist ein bewusst österreichischer Stil, was Axel so definiert: „Es sind blonde Fässer, mit bewusst leichterem, langsamerem Toasting.“ Das ergibt feinere, elegantere Tannine im Wein. Natürlich geht’s auch mit kräftigerem Holzeinsatz: „Das waren damals in London die italienischen Chardonnays, und natürlich hat auch die Neue Welt beim Holz kräftig zugelangt.“
Im Hause Stiegelmar gibt es zwei Chardonnays, den Altenberg zu 10 Euro („der wird so gemacht, wie das schon der Opa gemacht hat, im großen Holzfass“) und die Reserve aus dem Barrique (18,–).
Ist der Chardonnay eine „Lost Grape“? „Also ich kann das nicht wirklich nachvollziehen. In Österreich vielleicht ein wenig, aber international gesehen ist der Chardonnay ganz einfach die Weißwein-Messlatte schlechthin.“ Denn: „Von der weinmacherischen Seite ist es eine Sorte mit vielen Möglichkeiten: ein Schauspieler, der beides kann, Tragödie und Kömödie. Und ich als Winzer bin der Regisseur und kann daher aus dem Vollen schöpfen.“
Bei Heinz Velich in Apetlon im burgenländischen Seewinkel spürt man Sortenbegeisterung und Patriotismus auf eine sehr sympathische Art: „Die Nachfrage nach Chardonnay aus dem Burgenland ist so stark wie nie zuvor, und zwar international gesehen.“ Denn das Burgenland hat alle geologischen wie klimatischen Voraussetzungen, um aus dieser Rebsorte Großes entstehen zu lassen. „Hier wie in Burgund sind alle Voraussetzungen gegeben, dass die Trauben ihre volle physiologische Reife erreichen. Das ist in beiden Fällen ein einzigartiges regionstypisches Merkmal. Das Schöne ist, dass Chardonnay die einzige Rebsorte ist, die international angebaut wird, aber trotzdem überall ihre Eigenständigkeit beibehält.“
Warum redet man hierzulande aber kaum mehr über den Chardonnay? „Ich sehe da eine Entwicklung in die Richtung des ex-tremen Einsatzes von Reinzuchthefen, die vor allem bei einfacheren Weinen die Rebsorten völlig austauschbar macht.“ Die Folge ist das, was im Englischen mit „ABC“ bezeichnet wird, was für „Anything but Chardonnay“ steht: Alles außer Chardonnay. Aber bei Velich sieht man das genau umgekehrt: „Wir sagen: Go to Chardonnay! (Geh zum Chardonnay!)“ – und es wirkt.
Velichs Chardonnays sind nicht die preisgünstigsten – der Darscho steht mit 24, der Tiglat mit 40 Euro auf der Liste –, aber auch da argumentiert Heinz sehr treffend: „Der Batard-Montrachet von Leflaive steht bei 200 bis 300 Euro, aber mit dem werden wir gemessen und fallen nicht zurück. Vor zwei Jahren in Budapest beispielsweise, da lautete die Reihung: Velich, Coche-Dury, Leflaive, DRC.“ Es ist also wirklich beeindruckend, was unsere Chardonnays in internationalen Verkostungen können. „Jancis Robinson, die Grande Dame der englischen Weinjournalistik, hat vor etwa zehn Jahren gesagt: Das ist mit Abstand der beste Chardonnay außerhalb Burgunds.“
Wieso Lost Grape? „Es stimmt, in Österreich besteht derzeit wohl eine gewisse Abneigung gegen Chardonnay, aber sicher im Kontext mit extremem Holzeinsatz. Der Trend geht zu filigraneren Weine, und den Ruf hat der Chardonnay eben nicht.“ Aber: „Wenn ein Chardonnay gut ist, also salzig, jodig, filigran, dann ist er sowohl ein extrem feiner Essensbegleiter wie auch fein-filigraner Trinkwein, und das sowohl jung wie voll ausgereift.“ Ein Exkurs nach Frankreich: „Nicht umsonst sind die Blanc-de-Blancs-Champagner reine Chardonnays.“ Wie alt kann guter Chardonnay werden? „20 Jahre würde ich sofort unterschreiben, meine aber, dass auch 25 und 30 Jahre kein Problem sind.“
In Tattendorf in der Thermenregion liegt das Weingut Johanneshof Reinisch. Hannes Reinisch leitet das knapp 40 Hektar große und vollbiologisch bewirtschaftete Gut gemeinsam mit seinen Brüdern. Chardonnay wurde hier 1986 ausgesetzt, in der Riede Lores, und so heißt der Wein auch, der knappe 17 Euro kostet. „Das war damals eine junge frische Sorte für Tattendorf. Wir haben versucht, mit Holzeinsatz und Hefekontakt einen Stil zu finden, der damals in Österreich noch nicht so populär war, international aber schon.“
Der Chardonnay wird praktisch zur Gänze in Österreich verkauft, obwohl das Weingut selbst einen Exportanteil von 35% hat: „Der einfache Grund ist, dass wir mit Zierfandler und Rotgipfler (und mit St. Laurent in Rot) sehr schöne autochthone Sorten haben. Wenn ein Importeur also hier Weine sucht, dann greift er logischerweise eher zu diesen als zum Chardonnay.“ Der Cabernet wurde gerodet und durch St. Laurent ersetzt – aber der Chardonnay bleibt.
National hingegen ist es anders: „Der Österreicher ist ein Traditionalist, der trinkt fast ausschließlich österreichische Weine, da hat der Chardonnay absolut seine Berechtigung, er verkauft sich genausogut wie vor 20 Jahren.“ Andererseits hat sich der Stil ein wenig geändert: „Es ging eindeutig zurück vom Holz, hin zu mehr österreichischer Frucht, dadurch und mit spontaner Vergärung hat die Sorte mehr Eigenständigkeit bekommen.“ Denn: „Chardonnay lässt sich schön formen, er reagiert gut auf spontane Gärung und Holz, er nimmt den Bodentyp sehr schön mit.“ Wobei auch hier das Preis-Leistungs-Verhältnis angesprochen wird: „Im Vergleich zu Burgund sind unsere Topweine wirklich günstig.“ Also: „Lost Grape ist der Chardonnay nicht.“
Andi Kollwentz im burgenländischen Großhöflein unweit von Eisenstadt betont, dass der Chardonnay im Burgenland eine möglicherweise wesentlich älterer Geschichte hat, als man bisher angenommen hat: „Im Landesmuseum haben wir Rebkerne aus der Zeit um 700 v. Chr., die viel Ähnlichkeit mit dem Chardonnay aufweisen.“ Der Chardonnay wächst im Burgenland so ziemlich überall, die besten Weine liefert er aber auf Kalkböden, weshalb er am Leithagebirge und im Ruster Hügelland sehr verbreitet anzutreffen ist. „Vom Boden und vom Klima her ist es eindeutig die beste Weinsorte für uns. Der Chardonnay bringt hohe Reife, aber bei dennoch guter Säureunterstützung, da ist er dem Weißburgunder überlegen. Das macht ihn eindeutig zur weißen Leitsorte.“
Natürlich ist Chardonnay weltweit in Mode gekommen, „und was in Mode kommt, kommt auch wieder in Verruf, das ist der Lauf der Dinge.“ Aber – aber! –: „Wein eignet sich nicht für solche Moden, weil so ein Rebstock locker 50 Jahre alt wird, und da ist die Mode schon dreimal gekommen und gegangen.“ Also: „Wir haben Tradition, wir kümmern uns um das, was wichtig ist, und das ist in Weiß eindeutig Chardonnay.“
Wie sieht es mit der Nachfrage aus? „Die läuft eindeutig über die Qualität. So wie Österreich im Allgemeinen – und Niederösterreich im Speziellen – mit Grünem Veltliner assoziiert wird, so sollte es im Kopf des Konsumenten heißen: Burgenland ist Chardonnay. Was Blaufränkisch in Rot ist – im Seewinkel der Zweigelt –, das ist am Leithagebirge der Chardonnay.“
Drei Weine gibt’s im Programm: Leithagebirge (16,50), Gloria und Tatschler (je 35,–). Wobei das Hauptetikett bei den beiden Lagenweinen die Sorte nicht einmal nennt, sie ist hinten angeführt. Der Lagenansatz ist also das Um und Auf im Hause, ihre erste Erwähnung erfolgte bereits 1570.
Wann soll man den Chardonnay trinken? „Am besten im Alter von mindestens 10 Jahren. Aber wir wissen freilich, dass 80% unseres Chardonnay im Alter zwischen 2 und 5 Jahren ausgetrunken ist.“ Witzig ist die unterschiedliche Ausprägung der Lagen. Wenn man Tatschler und Gloria vergleicht, scheint ersterer deutlich mehr Holz abbekommen zu haben. Tatsächlich aber ist es umgekehrt: „Die Gloria mit ihrem hohen Kalkanteil schluckt das Holz richtiggehend weg.“
Auch Andi Kollwentz betont die gute kulinarische Einsatzfähigkeit der Sorte: „Perfekt zu weißem Fleisch, zu kräftigen Buttersaucen, insbesondere aber zu Meeresfrüchten passen unsere Chardonnays wirklich perfekt.“ Nur zum Fisch – da trinkt man weingutsintern doch eher den hauseigenen Sauvignon.
Der neue Senkrechtsstarter in Sachen Chardonnay heißt Hannes Reeh, und der ist in Andau im Seewinkel zuhause. Mit seinem 2011er Chardonnay Unplugged hat er die Chardonnay-Trophy des Magazins Falstaff gewonnen. Auch er findet „Lost Grape“ ein wenig übertrieben, gleichwohl „der Höhenflug ein bissel vorbei ist.“ Aber es ist eben die weiße Rebsorte, die sich in dieser Region extrem wohl fühlt. Wobei die Weine durchaus kräftig sein dürfen: „Mein Opa hat gesagt: ,Welschriesling mit 10%, das ist völlig unnatürlich. Aber die jetzigen Chardonnays – das sind Weine, wie ich sie vor 40 Jahren auch gemacht habe.‘“
Was auch zum soliden Erfolg der Sorte beiträgt: „Die Weine sind nicht überholzt und überbuttrig, mit viel Malolaktik zu laschem Tode vinifiziert, sondern kräftig, sie haben Brillanz und Frische.“ Sehen seine Weine Holz? „Ja, ein Drittel kommt ins Holz, aber ich sag’s nicht dazu.“ Das Holz bleibt leise, es unterstützt die Eigenaromatik, der Wein soll eben nicht als „Teilbarrique“ erkannt weden.
Hannes Reeh ist erst 2007 in den Betrieb eingestiegen, vorher war er Kellermeister bei Hans „John“ Nittnaus. „Bis 2006 wurde der Chardonnay bei uns als Sommerwein vinifiziert, erst ich habe ihn dann kräftiger angelegt.“ Der längst ausverkaufte preisgekrönte 2011er war mit knappen 10 Euro eine Mezzie. Der 2012 wird 12 Euro kosten, was immer noch höchst kulant erscheint.
In Deutschkreutz im Mittelburgenland ist Albert Gesellmann zwar ein Rotweinspezialist von Graden, aber von den 40 Hektar, die er betreut, sind 3,5 Chardonnay. Seit zwei Jahren ist er in der Umstellungsphase auf organisch-biologisch, was zu 100% den Einsatz von Naturhefen bedeutet: „Die Roten gären immer problemlos durch, aber beim Chardonnay muss ich manchmal bis Weihnachten warten.“ Solches ist dem gelernten Kellermeister natürlich zuwider: „Ich will keine Fehlgärungen mit falschen Aromen haben. Aber dann sagen meine Kollegen: Beruhige Dich, das wird schon. Und es ist tatsächlich auch immer geworden.“ Eine vergessene Traube ist der Chardonnay nicht: „Wir haben in Weiß nur Chardonnay, wir verzeichnen eine steigende Nachfrage, wir sind permanent auf der Suche nach geeigneten Rebflächen.“
Zwei Chardonnays gibt es, den normalen zu 9,50 und den Steinriegel zu 17,50. Letztere Lage ist karg und trocken, der Kalk sitzt eher tief (1,5 bis 2 Meter). Was Albert Gesellmann besonders verblüfft, ist die Lagerfähigkeit der Sorte: „Wir haben vor kurzem mit Gästen den einfachen aus dem heißen Jahrgang 1997 aufgemacht – der war farblich untypisch grün, noch fast stahlig in der Säure und wirklich überaus lebendig.“
Seit 1990 wird der Steinriegel im Barrique vergoren. Der Standard-Chardonnay wird teils im Stahl, teils im großen Holz ausgebaut: „Zwar vergärt der höhere Anteil im Holz, aber der tankvergorene Anteil, der ist perfekt für den Rückverschnitt, der bringt exotisch-frische Zitruselemente, während der Holzanteil die vollmundig-füllige Cremigkeit betont.“
Obwohl der Winzer – logischerweise – beide Varianten schätzt, hat der Steinriegel die Nase leicht vorne: „Ich gestehe gerne, Holz zu mögen. Allerdings muss immer auch eine gewisse Eleganz dabei sein.“ Das bedeutet, dass sein Chardonnay eher in die elegantere Meursault- als die füllige Montrachet-Richtung geht. Kulinarisch ist der Chardonnay ebenfalls ein Multitalent, aber ein Erlebnis war doch überaus prägend: „Es war 2001 im Taubenkobel, da haben wir ihn zum knusprigen Zander mit Vanillenudeln getrunken – sensationell!“
In Göttlesbrunn hat Gerhard Markowitsch einen sehr analytisch-pragmatischen Zugang zur Rebsorte. Natürlich war der Chardonnay, der hier im Hause erstmals 1979 ausgesetzt wurde (damals als Feinburgunder bezeichnet), eine Zeitlang Mode, aber stärker in jenen Gebieten, die für ihn vielleicht bevorzugt waren, wie das Burgenland, die Thermenregion oder die Steiermark. „Im Weinviertel oder bei uns, in Carnuntum, war’s vielleicht ein wenig schwächer.“ Anfang der 1990er wurde auch hier die Chardonnayfläche erweitert.
Markowitsch sieht, wie manch anderer Winzer auch, den Chardonnay als absolut klassische Rebsorte: „Klassisch ausgebaut ist es nach wie vor weltweit die wichtigste Weißweinsorte: er hat feine Fruchtausprägung, besticht durch Körper, Fülle und Harmonie.“ Er ist ein universeller Speisenbegleiter, „von Nudeln bis zum Fisch passt er perfekt, da ist er dem Veltliner ebenbürtig. Veltliner bringt Würze, Chardonnay Mineralität und Zitrusnoten. Bei höherer Reife wird der Veltliner ausladender, der Chardonnay bleibt engmaschig.“
Im kräftigeren Bereich, mit deutlichem Holzeinsatz, „da war vor 20 Jahren eindeutig zuviel des Guten, bei uns, aber auch weltweit, was ja auch zum ABC-Phänomen geführt hat.“ Geändert hat sich das „in den letzten 5, 6, 7 Jahren: Der Holzeinsatz ist gefühlvoller geworden, die Konzentration auf die richten Lagen – und auch deren Nennung – hat sich durchgesetzt.“ Und so gibt es auch hier zwei Varianten im Programm, den regulären (8,–) und den Schüttenberg (15,–).
Gibt’s eine Standortfrage? „Nur theoretisch, denn wachsen und reifen kann er überall. Aber für engmaschige und spannende Weine, die Crème der Crème, da sind kalkreiche Lagen eindeutig bevorzugt. Nur von dort kommt Weltklasse.“
Hoch droben am Zieregg – so heißt die tolle Weinbergslage in der südsteirischen Gemeinde Berghausen – liegt das moderne Weingut, das heute in der nächsten Generation von Armin Tement mitbewirtschaftet wird. Die Aussicht – bis weit nach Slowenien hinein – ist tatsächlich atemberaubend.
In Sachen Chardonnay sieht der Winzer die Causa durchaus differenziert: „Es stimmt, der Trend geht nicht zu dieser Sorte. Der weltweit glasweise meistgetrunkle Wein ist der Sauvignon. In Österreich ist der Grüne Veltliner die volle Nummer eins, ohne ihn geht gar nichts. Nichtsdestoweniger ist der Chardonnay die anspruchsvollste Sorte, nicht nur aus persönlicher Vorliebe, schließlich ist es die Königsklasse im Burgund, und deshalb die Topsorte schlechthin.“
Allerdings: „Natürlich kann ich verstehen, wenn man den Chardonnay als verlorene Rebsorte bezeichnet, sie hat in Österreich an Profil verloren.“ Wie das? „Da gibt es die absoluten Topweine – Wieningers Grand Select, Koll-wentz’ Gloria, Velichs Tiglat, unseren Zieregg – die werden an Top-Burgundern gemessen, die haben ihren fixen Platz auf den Weinkarten. Aber im Mittelsegment – da weiß man nicht, wie Chardonnay in Österreich zu schmecken hat: Aus dem Stahl kommen tropische Aromen in Richtung Banane, aus dem Holz geht’s Richtung Vanille.“ Ein Beispiel? „Wenn ich ‚Grüner Veltliner Kamptaler Terrassen‘ lese, dann weiß ich genau, was mich erwartet. Das ist bei einem Einstiegs- oder Mittelklasse-Chardonnay eben nicht der Fall, da fehlt das Geschmacksprofil.“
Naturgemäß hat es der Sauvignon einfacher, „dem kann man viel leichter Strukturen geben.“ Dennoch wurde vor vier Jahren das Burgunderprinzip im Hause umgestellt, „vom Einstieg bis zum Top eine klare Linie hineinzubringen.“ Das bedeutet: „Bei keinem Wein darf sich die Frage nach der Ausbauart auch nur ansatzweise stellen.“ Und so gibt es also drei Weine, traditionell hier mit dem steirischen Synonym der Sorte als Morillon bezeichnet: Muschelkalk (11,–), Sulz (17,–) und Zieregg (27,–). „Unser Konzept geht dahin, nicht die Traube, sondern die Herkunft, die Lage zu vermarkten.“
Wie hat der Chardonnay Karriere gemacht? „Das war vor 15, 20 Jahren ganz einfach weltweit die Topsorte, im Anbau wie im Verkauf und Konsum, und das in zwei Linien: leichter mit cremiger Exotik, kräftig (2 Volumsprozent mehr) mit viel neuem Holz. Und genau davon sind wir abgegangen.“
Im Hause Tement trinkt man sehr gerne weiße Burgunder: „Was wir kaufen, ist Dorflage und Premier Cru. Mit diesen Weinen lassen sich unsere sehr gut vergleichen. Bei den großen Namen aber, bei den Grands Crus von renommierten Winzern, da merkt man, dass Österreichs Top-Chardonnays extrem preiswert sind.“
Wie sieht das Verhältnis Sauvignon zu Chardonnay aus? „1990 stand es eins zu eins, heute vier zu eins.“ Also doch so etwas wie ein Karriere-Ende für Chardonnay? „Aber überhaupt nicht. Der Chardonnay bleibt die große Herausforderung, die internationale Konkurrenz ist eine ganz andere, das macht ihn ex-trem attraktiv und spannend.“
Einer von Wiens Vorzeigewinzern, Fritz Wieninger in Stammersdorf, sieht ebenfalls, dass der Chardonnay ein wenig vor sich hindümpelt, aber „Lost Grape ist sie nicht.“ Natürlich hängt es hier auch mit der Karriere des Wiener Gemischten Satzes zusammen: „Solche Höhenflüge hätten wir uns vor ein paar Jahren nicht einmal zu träumen gewagt.“ Und österreichweit hat man begriffen, „dass der Grüne Veltliner mehr ist als der Wein für den Gespritzten aus dem Doppler.“
Und beim Chardonnay? „Ich sehe das völlig entspannt. Der braucht, wie alle Sorten, die nicht gerade hyper-in sind, die Strahlkraft über die Macher. Bei Kollwentz, Velich, Tement oder auch bei mir gibt es keine Chardonnay-Problematik.“ Zwar hat der Wiener Gemischte Satz den Chardonnay mengenmäßig überholt, „aber ich verkaufe nach wie vor in drei Qualitätsstufen, eine Problemzone gibt’s nicht.“ Die drei Chardonnays sind Klassik (8,–), Select (14,50) und Grand Select (34,–). „Von letzterem gibt’s keinen 2010er, da bin ich bockig.“ Ganz selten gibt’s noch den Tribute (55,–), zuletzt vom Jahrgang 2006. „2011 könnte es wieder einen geben, aber es ist noch zu früh, darüber zu reden.“
In Sachen Chardonnay sieht Fritz Wieninger den Golser Georg Stiegelmar als den Qualitäts-pionier: „Der war prototypischer Garant für ausdrucksstarken Chardonnay wie Pinot Noir. Offenbar gibt’s in Gols genug kalkreiche Lagen, weil ohne Kalk geht im Topbereich nichts.“ „Wichtig ist mir zu betonen, dass bereits mein Vater Chardonnay in Topqualität hergestellt hat. Damals freilich noch unter dem Namen Weißburgunder; erst Mitte der 1980er sind wir draufgekommen, dass es kein Pinot Blanc, sondern Chardonnay ist.“
Wobei naturgemäß Ausbauart und Stilistik eine historisch wichtige Rolle spielen: „Sowohl in der Vergangenheit wie auch in der Zukunft sind die Fragen dieselben: wie ist das mit dem Holz, wie geht man mit dem Barrique um?“ Aber das ist nicht alles, denn: „Für einen großen Wein braucht es keine 14,5 Prozent Alkohol. Da sind etwa Themen wie Batonnage (Aufrühren der Hefe im Jungwein) wichtig, wie auch jene Aromen, die von wilden Hefestämmen kommen. Alles, was einen großen Burgunder ausmacht, macht auch einen großen Chardonnay aus – und die gibt es hier in Österreich definitiv.“
PRODUZENTEN
Weingut JURIS – Axel Stiegelmar
www.juris.at
Weingut Velich
www.velich.at
Johanneshof Reinisch
www.j-r.at
Weingut Kollwentz-Römerhof
www.kollwentz.at
Weingut Gesellmann
www.gesellmann.at
weingut markowitsch
www.markowitsch.at
weingut tement
www.tement.at
weingut wieninger
www.wieninger.at