Auf der Suche nach einem gemeinsamen Stil

Schiefer & Kalk bestimmen die Böden des Leithabergs. Wie sehr das Terroir die Weine charakterisiert, zeigt eine Querverkostung mit Burgund & Co.

An den Hängen des Leithagebirges gedeiht eine Vielfalt an Weißweinen, die durch Kalk und Schiefer geprägt sind. Dem Leitspruch „Leithaberg kann man schmecken!“ fühlen sich rund 60 Betriebe verpflichtet, die entlang der etwa 40 km Hanglagen am Leithagebirge – auf abwechselnd Kalkstein- und Schieferböden – Weinbau betreiben. Ausgehend von der Ortschaft Jois mit schieferdominierten Lagen, nimmt der Kalkgehalt im Mittelteil des Weinbaugebiets etwas zu, in Donnerskirchen und Eisenstadt kommt wiederum ein höherer Anteil an Schiefer in den Weingärten zu tragen. Das Weißwein-DAC-Modell sieht die Rebsorten Chardonnay, Weißburgunder, Neuburger und Grüner Veltliner vor.

Wir sind der Frage nachgegangen, ob sich die beiden Bodentypen anhand der Weißweinrebsorten charakterisieren lassen. Auf den rund 400 Hektar Rebflächen – die über ein Gesamtpotenzial von über 1.000 Hektar verfügen – werden körperreiche Weißweine mit Struktur und mehr oder weniger mineralischem Finish gekeltert. Das Qualitätsniveau der letzten Jahrgänge ist dabei deutlich angestiegen, ebenso wie auch die Qualitätsdichte. Die Weine vermitteln einen kräftigen, gehaltvollen Körper, ohne dabei zu opulent zu wirken. Ihre leben­dige Struktur vermittelt animierenden Trinkfluss, im Abgang sind die Weißweine lang anhaltend und enden idealerweise „leicht“ mineralisch.

Die weißen Leithaberg-Weine präsentieren sich „knochentrocken“. Durch den Einsatz von „neutralen“ Holzgebinden (vom gebrauchten Barrique bis zum 1.200-Liter-Fass) bietet sich den Winzern die Möglichkeit, das „salzig-frucht-bittere“ Finish abzurunden.
Einen wichtigen Stellenwert für das Leithaberg-DAC-Qualitätsbewusstsein nehmen die internen Verkostungen und Schulungen ein, die das Regionale Komitee Leithaberg DAC regelmäßig durchführt. Im Rahmen einer solchen „Lehrverkostung“ sollte eruiert werden, ob die Winzer in ­einer Blindverkostung den „Stil Lei­thaberg DAC Weiß“ zuordnen können. Es nahmen 26 Leithaberg-Winzer daran teil. Dazu wurden Weine aus dem Burgund und anderen Gebieten Österreichs in unterschied­lichen Qualitäten besorgt und mit „Leithaberg Weiß“ in einer Blindprobe (dekantiert und in Karaffen) verkostet. Nach jedem Flight wurde ­darüber abgestimmt, ob und wie viele Leithaberg-Weißweine darin vorkommen. Danach wurden die Weine einzeln besprochen, und die Qualität wurde analysiert. Erst danach wurde die Lösung bekannt gegeben.

Flight 1

2 Burgunder in unterschied­lichen Qualitätsstufen

Wein 1
2015 Meursault 1er Cru Genevrieres, Latour Giraud

Wein 2
2015 Bourgogne, Latour-Giraud

Die Mehrheit der Winzer erkannte den Meursault 1er Cru als hochwertigen Burgunder, und vereinzelte Teilnehmer erklärten den 2. Wein zu einem Chardonnay Leithaberg DAC.

In der Qualitätsanalyse des Bour­gogne waren der zarte Holzeinsatz, die balancierte, weiche Textur und das zart pikante Finish Hinweise auf einen 2015 Leithaberg DAC.
In der Qualitätsdiskussion wurden beide Weine als sehr gut bzw. gut ­bewertet. Der Meursault 1er Cru wurde von allen als „straffer, würziger, engmaschiger“ eingeschätzt. Entspannt hat sich die Situation bei der Bekanntgabe des Preises – rund 80 bis 90 Euro pro Flasche.

Flight 2

Wein 3
2017 Chablis, Jean Paul & Benoit Droin

Wein 4
2013 Leithaberg DAC (Pinot Blanc), Bernhard Fiedler

Wein 5
2017 Leithaberg DAC (Neuburger), Tinhof

Als Alternative zum Pinot Blanc von Bernhard Fiedler wurden in der Vorverkostung der 2015 Leithaberg Weiß (CH/PB) von Lassl und der 2015 Leithaberg Weiß Hochberg vom Weingut Mad probiert.

Zum Neuburger von Tinhof wurden der 2015 Leithaberg DAC Weiß (CH/NE) von Bichler sowie der 2015 Leithaberg Weiß (NE/PB) von Lichtscheidl und Lichtenberger González degustiert.

Hier wurden ein bzw. zwei Weine den Leithaberg DACs zugeordnet. Da der Chablis einen Hauch von Rauchigkeit und damit von Holz vermittelt, haben viele Verkoster diesen für einen Leithaberg DAC Chardonnay oder Pinot blanc mit Holz ­gehalten. Der reife Weißburgunder war für fast alle als österreichischer Wein mit feiner, leicht süßer Frucht als Leithaberg erkennbar. Mir haben die straffe Textur und das zart mineralische Finish gefallen. Der Neuburger von Tinhof fiel mit ­seiner Stilistik aus der Reihe. Die feine nussige Würze war für alle Teilnehmer ein österreichischer Wein, und die Mehrheit konnte Neuburger zuordnen. Für mich ein feiner Wein mit weicher Textur und einem engmaschigen, pikanten Finish.

Flight 3

Wein 6
2016 Pouilly-Fuissé V. V., Dom. Thibert

Wein 7
2017 Chardonnay Ried Freudshofer, Anita und Hans Nittnaus

Wein 8
2015 Pouilly-Fuissé, JanotsBos

In diesem Flight standen alternativ auch Chardonnay Ried Lama von Esterházy, Chardonnay Ried Scheibenberg von Hans Moser und Chardonnay Ried Krainer von Familie Nehrer zur Auswahl. Dem dritten Flight wurde ein Leithaberg-Wein ­zugeordnet. Aber viele schätzten Wein 6 als Leithaberg DAC ein, manche Koster Wein 8, die Mehrheit der Teilnehmer erkannte Wein 7 als hochwertigen Chardonnay Leithaberg. Wein 6 war qualitativ der schwächste in dieser Serie. Gelbfruchtig, Holz, wenig Struktur, etwas breit. Wein 8 dagegen: Grapefruit, Birnen-Quitte, straff, engmaschig, obwohl Holz noch leicht spürbar. Wein 7 war mit Abstand der komplexeste der drei Weine: intensiv, dicht, ­engmaschige Struktur, etwas laut – ist aber seiner Jugend geschuldet. Großartiges Potenzial.

Flight 4

Wein 9
2015 Weißburgunder Lagenwein, Steiermark

Wein 10
2016 Leithaberg DAC Pinot Blanc Ried Haidsatz, Prieler

Wein 11
2015 Grauburgunder Alte Reben, Steiermark

Hier wurden ein bis zwei Österreicher vermutet. Die jugendliche, saftige Frucht des Wein 9 war für viele ein Hinweis auf Leithaberg. Die straffe Struktur verstärkte diesen Eindruck. Wein 10 ­befand sich in einer Umbruchphase und war schwierig zu kosten. Viele erkannten Weißburgunder, der andere Teil der Verkoster sah internationalen Wein aus den Rebsorten Chenin blanc oder Pinot gris. Wein Nummer 11 präsentierte sich für die meisten perfekt und mit tiefer Aromatik, obwohl sich die Frucht etwas verhalten zeigte. Den meisten Verkostern gefielen die Struktur und das mineralische Finish, und daher war Wein 11 für die meisten der Leithaberg DAC.

Flight 5

Wein 12
2016 Leithaberg DAC Weißburgunder Ried Satz, Zehetbauer

Wein 13
2016 Leithaberg DAC Kreideberg, Wagentristl

Wein 14
2015 Chassagne-Montrachet 1er Cru Les Vergers, Clos Saint Marc, J. M. Pillot

In dieser Serie wurde Wein 14 sofort als Chardonnay Burgund erkannt. Von vielen wurde auch Wein 13 durch seine elegante, straffe Struktur als burgundisch empfunden. Wein 12 wurde mehrheitlich als Weißburgunder Leithaberg erkannt. Wein 14 wurde als Burgunder Topniveau erkannt. Diese Mikrocuvée aus knapp 100-jährigen Reben kostet sich dicht und straff, engmaschig und zart ­mineralisch im Finish. Wagentristls ­Pinot blanc lebt von der jugendlichen Textur. Engmaschig und straff verkostet sich auch neben Kreideberg von Wagentristl der etwas rauchig wirkende Zehetbauer. Der Vergleich der Preise spricht dann eindeutig für die Leithaberg-DAC-Weine, weil der Burgunder knapp über 100 Euro ­kostet, und die Leithaberg-Weißweine zwischen 15 und 25 Euro liegen.

Flight 6

Wein 15
2015 Chardonnay Lagenwein Alte Reben, Steiermark

Wein 16
2015 Corton-Charlemagne Grand Cru, J. Boillot

Dieser Flight mit zwei Weinen diente einer ersten Reflexion und einer gemeinsamen Qualitätsanalyse von Chardonnay im ­Barrique. Welcher Wein ist oder muss der Grand Cru sein? Könnte der andere ein 1er Cru sein? Oder gar nicht aus Frankreich? Hier wurde Wein 15 den Leithaberg-Weinen zugeordnet. Bei Wein 16 empfanden
die Winzer etwas zu präsentes Holz und Modernität. Hier wurde Leithaberg in Erwägung gezogen, aber als nicht wünschenswert gesehen. Wein 15 wurde als Grand Cru gewählt und mehrheitlich dem Burgund zugeordnet. Beim Aufdecken der Herkunft wurde dem österreichischen Chardonnay die Grand-Cru-Qualität bestätigt.

Flight 7

Wein 17
2016 Corton-Charlemagne, Bouchard Père & Fils

Wein 18
2016 Chardonnay Lagenwein, Steiermark

Wein 19
2016 Chardonnay Ried Thenau, Toni Hartl

Als Alternative zum Chardonnay von Toni Hartl standen folgende Leithaberg-Chardonnays zur Auswahl:
2015 Chardonnay Ried Jungenberg von Markus Altenburger,
2016 Chardonnay von Kirchknopf, 2016 Chardonnay von Mariell, 2016 Chardonnay von Artner und 2015 Chardonnay von Nittnaus.

In diesem Flight wurde Wein 19 eindeutig als Leithaberg-Chardonnay-Vertreter eingeordnet. Der Corton-Charlemagne ist ein moderner und eleganter Vertreter dieser Grand-Cru-Lage und wurde als Burgunder in hoher Qualität erkannt. Die Balance, Aromavielfalt und das perfekt eingebundene Holz überzeugten. Der Chardonnay aus der Steiermark wurde als Chablis Grand Cru angesehen. Die straffe Säure und das nicht präsente Holz führten zu dieser Annahme. Beiden Weinen wurde eine Mineralität im Abgang attestiert. Der Chardonnay Ried Thenau von Toni Hartl vereinte die Charaktere der beiden Weine: ausgeprägte, komplexe Aromen, feine Holzwürze und eine straffe, dichte Struktur mit feinem mineralischem Finish.

Zusammenfassend muss man den Leithaberg-Winzern Respekt zollen, denn eine Verkostung wie diese stellt immer auch ein gewisses Risiko dar. Die Diskussion im Rahmen der Qualitätsbeurteilung war zudem äußerst lehrreich und interessant. Während manche Winzer die Weine rein technisch analysieren, verstehen andere den Zugang auch aus Sicht der Konsumenten, wo es nicht immer um „ganz sauber“, „etwas zu hohe Flüchtige“ … usw. geht.

Besonders beim Chardonnay kann die Leithaberg-Region von einem großen Potenzial ausgehen. Sowohl Kalk als auch Schiefer können genug Spannung und Mineralität durch die Weine vermitteln.

Für den Weißburgunder / Pinot blanc ist ein Weinstil noch zu definieren und auch zu kommunizieren. Qualitativ stehen die Weißburgunder auf einem ­Niveau mit Chardonnay, aber es scheint wesentlich schwerer, den Terroircharakter zu vermitteln. Für die Weine aus den autochthonen Rebsorten braucht es eine notwendige Pflege, um auch die Vielfalt, die am Leithaberg auf hohem Niveau produziert werden kann, darzustellen. Neben der Qualität, bei der der Leithaberg vielen internationalen Weinen ebenbürtig ist, bietet er eine sensationelle Preis-Leistungs-Relation. Die besten Weine der Region liegen in einem Bereich zwischen 15 und 30 Euro. Die Burgunderweine, die verkostet wurden, liegen zwischen 80 und 150 Euro. Aktuell sind am Markt die Leithaberg-Jahrgänge 2016 und 2015 erhältlich.

Die weißen 2016er präsentieren sich durchgehend lebendig, engmaschig und verfügen über einen guten Trinkfluss. Im Finish zeigt die Mehrheit der Weine einen lang anhaltenden Abgang mit zarten mineralischen Noten. Die Lagenweine 2015 strotzen vor Kraft und Körper. Die Top­lagen vermitteln zudem eine dichte und engmaschige Struktur mit enormem Potenzial. Der Leithaberg ist am richtigen Weg!