Aus der Reserve
Obwohl sich das Weinviertel für seine Grünen Veltliner die allererste DAC des Landes geschaffen hatte – Start war Jahrgang 2003 –, brauchte es für die (theoretisch höherwertige) DAC-Reserve weitere sechs Jahre.
Aus der Reserve
Text von Michael Prónay Foto: Picturedesk
Wenn je ein Weinbaugebiet die Bezeichnung "Veltlinerland" verdient hat, dann ist es zweifellos das Weinviertel. Zwar mag es Gebiete geben, in denen Österreichs Nationalrebsorte einen höheren prozentuellen Anteil an der Rebfläche hat, aber allein, was im Weinviertel an Grünem Veltliner steht – solide 8.500 Hektar (die Hälfte der dort ausgesetzten Rebfläche) –, bedeutet, dass knapp die Hälfte allen Grünen Veltliners (insgesamt im Land: 17.500 Hektar) aus dem Weinviertel stammt.
Wenn je ein Weinbaugebiet die Bezeichnung "Veltlinerland" verdient hat, dann ist es zweifellos das Weinviertel. Zwar mag es Gebiete geben, in denen Österreichs Nationalrebsorte einen höheren prozentuellen Anteil an der Rebfläche hat, aber allein, was im Weinviertel an Grünem Veltliner steht – solide 8.500 Hektar (die Hälfte der dort ausgesetzten Rebfläche) –, bedeutet, dass knapp die Hälfte allen Grünen Veltliners (insgesamt im Land: 17.500 Hektar) aus dem Weinviertel stammt.
In diesem Zusammenhang ist allerdings erwähnenswert, dass die Weinviertler Karriere des Grünen Veltliners eine vergleichsweise junge Geschichte hat. Sie geht im Wesentlichen auf die Weinbaupolitik der 1950er und 60er Jahre zurück. Damals waren die Weingärten im Weinviertel noch mehrheitlich mit Rebsorten bestockt, die man heute kaum mehr kennt (etwa Österreichisch Weiß oder Braunen Veltliner). Der Grüne Veltliner wurde damals vor allem wegen seiner guten Eignung für die damals einsetzende Umstellung auf die Lenz Moser’sche Hochkultur (die wiederum erst den Einsatz von Traktoren in der Weingartenarbeit ermöglichte) wie auch wegen seiner gleichmäßig hohen Erträge empfohlen. Dass der Grüne Veltliner aber auch ein gewaltiges Qualitätspotenzial hat (sofern man beim Ertrag entsprechend bremst), das rückte aber erst in den 70er Jahren so wirklich ins Bewusstsein der Weinfreunde. So ist es also kein Wunder, dass das Weinviertel das erste Weinbaugebiet war, das das von der ÖWM (Österreich Wein Marketing) propagierte System der DAC (Districtus Austriae Controllatus) – das Pendant zur Appellation Contrôlée (AOC) in Frankreich oder der Denominazione di Origine Controllata (DOC) in Italien – in Angriff genommen hat: Unter dem Begriff "Weinviertel" sollten ab Jahrgang 2003 nur mehr wirklich regionstypische Weine aus Grünem Veltliner vermarktet werden dürfen. Nunmehr tritt mit Jahrgang 2009 die Reserve hinzu.
Die DAC-Regelung
Schauen wir uns zuerst die graue Theorie an. Die Rebsorte ist Grüner Veltliner, es darf aber ein "bezeichnungsrechtlich unschädlicher Verschnitt" von maximal 15% anderer Sorten dabei sein. Der Wein muss trocken sein, wobei die Zuckerrest-Obergrenze von 6 Gramm/Liter niedriger ist als sonst im Weingesetz für "trocken", wo 9 g/l gelten. Für die normale DAC ist ein Mindestalkohol von 12% (Etikettenangabe mit Toleranz von ±0,5%) und ab Jahrgang 2010 ein Maximalgehalt von 12,5% vorgeschrieben. Für die Reserve gilt ein Minimum von 13%. Frühestmöglicher Antragszeitpunkt auf Prüfnummer und DAC-Erteilung ist der 1. Jänner des auf die Lese folgenden Jahres für die normale DAC, der 15. März für die Reserve.
Es sind auch die Eigenschaften festgelegt, die der DAC-Wein aufzuweisen hat: die Farbe ("hellgelb, grüngelb"), der Geruch ("typisches Sortenbukett"), der Geschmack ("fruchtig, würzig, pfeffrig; kein Holzton; nicht einseitig alkohollastig") sowie "keine Botrytisnote". Für die Reserve gilt, dass sie "folgender Weintypenbeschreibung zu entsprechen hat: dichte Weinstruktur und lang im Abgang; trocken; kräftige Stilistik, wobei ein zarter Botrytis- oder Holzton zulässig ist." (Die Zitate stammen aus der im Bundesgesetzblatt kundgemachten Weinviertel-DAC-Verordnung des Landwirtschaftsministers vom 22. Februar 2010.)
Die Vermarktung darf ausschließlich in Flaschen erfolgen (mit der Ausnahme des Ausschanks an Ort und Stelle), Flaschen mit 1 oder 2 Liter sind nicht zulässig, Kronenkapseln auch nicht (warum eigentlich nicht? Verschlusstechnisch betrachtet sind sie perfekt). Verpflichtend sind auch Kapseln mit dem Weinviertel-DAC-Logo über der Flaschenmündung. Der Begriff "Weinviertel" darf nur mehr bei DAC-Weinen auf den Etiketten auftauchen, alle anderen Weine – also nicht DAC-Veltliner, Weine aus anderen Rebsorten sowie Rot- und Süßweine – tragen die Weinbaugebietsbezeichnung "Niederösterreich".
Die Weine
Der erste Reserve-Jahrgang ist 2009, und wir hatten am 31. Mai auf der VieVinum in der Wiener Hofburg die Gelegenheit, an der Präsentation von 23 Weinviertel-DAC-Reserven teilzunehmen. Veranstalter war das Weinkomitee Weinviertel, vertreten durch seinen Obmann Roman Pfaffl. Die Liste der 23 Winzer und ihrer 2009er Reserven haben Sie hier, und es ist wenig überraschend, dass vergleichsweise viele Winzer durchaus für ihr hohes Qualitätsstreben bekannt sind: Es ist eine nicht unbekannte Tatsache, dass sich Newcomer in problematischeren Jahrgängen – und 2009 war nicht unbedingt das, was Winzer ein "einfaches Jahr" zu nennen pflegen – schwerer tun als die alten Hasen. Aber das Ergebnis ist durchaus zufriedenstellend. Gekostet haben Dietmar Bruckner (Die Bouteille, Wien) und der Autor. Da es eine öffentliche kommentierte Degustation war, war die Verkostung logischerweise nicht blind.
Die Besten
92 Gschweicher, Röschitz DAC-R, 13,5%
Süß, röstig, Honig, Marillen, ausgesprochen hübsch; wunderschöne Frucht, herrlich animierend, wunderschönes Fruchtspiel, sehr, sehr fein.
91 Hofbauer-Schmidt, Hohenwarth DAC-R, 13,5%
Deutlich mehr Würze als Frucht, zart reduktiv, aber feinmaschig verwoben; straff, geht dann wunderschön auf, fast filigran wirkend, schöne Länge, fein nussig im Ausklang.
91 Schloss Maissau Quittengang, 13%
Zart grünlich-vegetabilische Nase, auch ein Hauch Bananenchips, reife Stilistik; schöne Fülle, vielschichtig, Pfefferl und Extraktsüße, präzise Struktur, schöne Länge, sehr fein.
91 Stift, Röschitz DAC-R, 13%
Ein wenig vordergründig, zart reduktiv, Cassis und auch etwas helle Beeren, dazu zartes Pfefferl; kerniger Biss, hübsche Säure und Kohlensäureunterstützung, sehr frisch, schöne Substanz, feiner Biss.
90 Ebner-Ebenauer, Poysdorf Bürsting, 13%
Sehr zarter Sämling, dazu ein Hauch von Zitrus und Grapefruit; Johannis- und Stachelbeeren, fester Biss und guter Kern, frisch und saftig, sehr modern und geschliffen wirkend.
90 Julius Klein, Pernersdorf Steinbergen, 14%
Hübsche, sehr klassische Nase, dezentes Pfefferl, auch Hauch Honig; feiner Biss, schöner Fokus, guter Säurerückhalt, Kraft und Fülle, schöne Balance.
90 Setzer, Hohenwarth "8000", 14%
Rhabarber und ein Hauch Stangensellerie, kraftvolle Würze; dichte Würze auch am Gaumen, feine Extraktsüße, stoffig und dicht, etwas dunkle Aromatik, Hauch Cassis, gewisse Strenge, braucht Zeit und Luft, wird dann sehr fein.
90 Walek, Poysdorf Alte Geringen, 14%
Würzig, sehr dominant, auch der Alkohol spürbar, Blutorangen, Pfeffer; minzige Kühle, Eukalyptus, schöner Glanz, sehr fein.
89 Deutsch, Hagenbrunn DAC-R, 14%
Hübsche Kräuterwürze, Fenchel und Anis, das Pfefferl kommt; feiner Kräuterwürzebiss, hübsche Spannung von Fülle und feiner Säure, ganz zart gerbstoffig im Ausklang, dennoch sehr ordentlich.
89 Ewald Gruber, Röschitz Mühlberg Alte Reben, 13,5%
Klassische Pfefferwürze, dicht, traditionell, ganz zart in die grün-gerbstoffige Richtung gehend, auch Tee; feine Extraktsüße, schöner Stoff, dicht und sauber, gesicherte Zukunft.
89 Hagn, Mailberg DAC-R, 13,5% (F)
Zarte Banane, dahinter dezentes Pfefferl; kräftige Vanille vom Holz, herzhafter Säurebiss, aber hübsch balanciert, eigenwillige Interpretation, aber feiner Wein.
89 Jordan, Groß-Reipersberg DAC-R, 13,5%
Zuerst verhalten, dann kommt ein recht klassisches Pfefferl; Hauch Kandis und Kamille, dezent merklicher Zuckerrest, ein wenig einfacher gestrickt, aber sauber und mit gutem Trinkfluss versehen.
89 Martinshof, St. Ulrich DAC-R, 14%
Pfefferwürze und ein Hauch Gletschereis, auch Quitte und reifes Kernobst (Jonagold); saftige Fülle und ein recht eigenwilliger Zuckerrest, dazu hübsche Frucht, guter Ansatz, braucht aber Zeit.
89 Pfaffl, Stetten Goldjoch, 14%
Eher wuchtig und füllig, stoffig verwoben, die Sorte eher im Hintergrund; derzeit wenig Frucht, offenkundig in einer Verschlussphase, kommt sicher noch.
89 Prechtl, Zellerndorf DAC-R, 14%
Saftige Pfefferfülle, schöne Würze, auch Brioche; wunderschöne Fülle, saftig und herzhaft, ganz leicht seifig, recht eigenwillig, kühl-vegetal-würzige Stilistik, mittlere Länge.
89 Schuckert, Poysdorf DAC-R, 13,5%
Hüpft richtiggehend pfeffrig in die Nase; recht reduktiv und noch sehr jung am Gaumen, Veilchen, ein wenig seifig, momentan eine eher spröde Schönheit, Geduld.
89 Bioweingut Johannes Zillinger, Velm-Götzendorf
K2, 14% Kräuterwürze und dezentes Pfefferl, füllig und dicht; herzhafter Fruchtbiss, schöner Glanz, Steinobst und ein Hauch Karamell, hübsche Balance, geschliffener Gerbstoffrückhalt, fein.
88 Pleil, Wolkersdorf DAC-R, 14%
Sehr zartes Pfefferl, dazu reife Banane im Hintergrund; geradlinig, weich, ein wenig einfacher gestrickt, könnte durchaus mehr Rückhalt und Fokus zeigen.
88 Schwarzböck, Hagenbrunn Ried Hölle, 14,5%
Ein wenig verhalten, dahinter parfümiert, auch der Alkohol ist spürbar; herzhaft, zeigt Pfeffer und alkoholischen Biss.
88 Herbert Zillinger, Ebenthal Lagen-Selektion, 13% (F)
Feine Fruchtsüße, Marillenröster, auch ein wenig auf der reduktiven Seite; am Gaumen hübsche Fülle, gekonnte Würze, Banane und Birne, hintendrein ganz zart ins Gerbstoffige gehend.
88 Reinhard Zöchmann, Roseldorf DAC-R, 13%
Ein wenig verhalten, Efeu, etwas blättrig; ein wenig einfacher gestrickt, zarter Gerbstoff, könnte etwas mehr Frucht zeigen, braucht noch Zeit.
87 Hebenstreit, Kleinriedenthal Schatzberg, 14%
Weichere Fülle, reifes Kernobst; auch am Gaumen schon sehr auf der reifen Seite, dezentes CO2 vermittelt noch Frische, ganz zarter Zuckerrest merklich, eher kurz ausklingend.
86 Fidesser, Platt Retzer Stein, 14,5%
Diffus, unklar, sehr rustikale Anmutung, Senfsaat und Senfgurkerl; zarte Restsüße, deutlich gerbstoffige Bitternoten, sehr eigenwillig und irgendwie ein Rätsel.