Austro-Burgunder

Heimischer St. Laurent und Pinot noir machen den großen Rotweinen aus Frankreich ernsthaft Konkurrenz.

Text & Verkostung von Willibald Balanjuk

Für internationale Weinfachleute und Sommeliers gelten St. Laurent und Pinot noir aus Österreich zu den großen Rotweinsorten mit Potenzial. Beide Rebsorten sind aromatisch, vielschichtig und lebendig in ihrer Struktur. Die Herkunft kann mit beiden Rebsorten sehr gut ausgedrückt werden. Auch hinsichtlich Global Warming offeriert der St. Laurent dunkelbeerige Würze, er integriert Holzaromen sehr gut und brilliert mit lebendiger Textur. Höchste physiologischer Reife ergibt balancierte Körper, und das lebendige Säurespiel vermittelt viel „Trink­animo“. Leider sind nur mehr rund 700 ha St. Laurent in Österreich ausgepflanzt. Die Mehrheit davon findet sich in der Thermenregion, im Carnuntum, auf der Parndorfer Platte und am Leithaberg. Pinot noir kam mit den Zisterziensern im 12. Jahrhundert nach Österreich. Die transparente, hellere Farbe und die saftigen, rotbeerigen Fruchtnoten sind für Weine dieser Rebsorte ganz typisch und gelten für Liebhaber als hochwertig. Für die Mehrheit der Rotweintrinker aber wirken viele Pinots zu leicht und wenig tanninreich. Die knapp über 600 ha Rebflächen sind quer über alle Weinbaugebiete verteilt. Kalk, Ton und Mergel sind wichtige Komponenten der Bodenbeschaffenheit, um mit dieser Rebsorte ­erfolgreich zu arbeiten. Von der Steiermark über das Burgenland, Wien und das Weinviertel bis hin zu Krems- und Kamptal arbeiten Winzer mit dieser Prima­don­na unter den Rebsorten. Die wärmere Witterung macht es für den Pinot noir schwierig, die aromatische Finesse zu bewahren. Veränderte Standortwahl, früherer Lesezeitpunkt und verstärktes Arbeiten mit den Stängeln erlauben es aber, straffe, dichte und lebendige Weine zu keltern.

A la Carte hat eine Grand-Cru-Probe ausgeschrieben, bei der rund 150 Weine aus St. Laurent und Pinot noir verkostet wurden. Die Kategorie St. Laurent 2022 & 2021 klassischer Ausbau und Ortswein war mit rund 20 Weinen sehr prominent besetzt. Die besten Weine sind trinkanimierend und elegante Speisenbegleiter. Johanneshof Reinisch keltert mit dem St. Laurent Tattendorf die jüngeren Reben der Top­lagen, wie auch Tinhof mit den jungen Reben der Spitzenlage Ried Feuersteig für seinen St. Laurent ­Eisenstadt. Bründlmayer, Gruber Röschitz und Andreas Gsellmann ­unterstreichen den Qualitätsanspruch des St. Laurent aus den letzten Jahren.
In der Kategorie 2021 St. Laurent Riedenweine und Reserven waren auch rund 20 Weine im Rennen, und das Niveau war vorzüglich. Reinisch mit seinem St. Laurent Ried Holzspur legt die Benchmark. Aber alle Verfolgerweine von Tinhof, Philipp Grassl, Gruber Röschitz, Walter Glatzer, Johann Gisperg und Stift Klosterneuburg belegen die Breite der hohen Qualität, die St. Laurent erreicht hat. Wie gut die Rebsorte St. Laurent reifen kann, wurde in der Kategorie 2020 und 2019 St. Laurent mit 14 Weinen probiert. Auch hier waren wieder die Brüder Reinisch mit ihrem 2020 St. Laurent Ried Holzspur vorne.

Die nächste Kategorie war für 2022 und 2021 Pinot noir klassisch und Ortswein ausgeschrieben. Die knapp 20 Weine präsentierten die Stilvielfalt, die diese Rebsorte erlaubt. Der Siegerwein 2021 Pinot Noir Anning von Fred Loimer aus Gumpoldskirchner Weingärten zeigt die starke Präsenz der Thermenregion sowohl bei St. Laurent als auch bei Pinot noir. Die Kategorie 2021 Pinot noir Riedenweine und Reserve war mit circa 30 Weinen die abwechslungsreichste; sehr hohes Niveau und Pinot noir in jeder Interpretation. Die Wahl des Siegerweins, 2021 Pinot Noir Reserve von Tement, war nicht unbedingt zu erwarten. Da alle 21er-Pinot-noir-Grand-Cru-Weine – Paul Achs, Koll-wentz, Josef Scharl, Albert Gesellmann und Karl Alphart – in ihrer individuellen Stilistik sehr viel Sortencharakter vermitteln, war es ein großes Vergnügen, die Wahl zu treffen. Am besten alle verkosten und die eigenen Vorlieben für diese Rebsorte entdecken.

Die Kategorie Pinot noir 2020 & 2019 mit über 30 Weinen war wieder ein Heimspiel für die Brüder Reinisch. Sowohl der 2019 Pinot noir Ried Kästenbaum als auch der 2020 Pinot noir Ried Holzspur aus dem Hause Reinisch hatten die Nase vorne. Vor allem der Pinot noir Ried Kästenbaum steht auf einem sehr hohen 1er-Cru- bis zu Grand-Cru-Burgund-Level. In der Kategorie Cuvées mit dominantem St.-Laurent- oder Pinot-noir-Anteil wurden sieben Weine eingereicht. Beide Rebsorten sind in ihrer Jugend nicht ganz einfach in Cuvées zu integrieren. Lange Tradition und viel Erfahrung damit hat der Siegerwein 2020 Chorus vom Stift Klosterneuburg.Zusammenfassend kann man jedem Weinliebhaber und Burgunder-Freund empfehlen, sowohl österreichische Pinot noirs als auch St. Laurent zu verkosten. Da beide Rebsorten fast nur von Topbetrieben gekeltert werden (weil anspruchsvoll im Weingarten, geringere Erträge und schwierig im Keller), steht das Ausloten der Qualität im Vordergrund. Die Würze der 2021er-St.-Laurent dürfte darüber hinaus auch den Syrah und Cabernet-Franc-Fans gefallen. Für die Pinot noirs gilt: Wie im Burgund ist die Wahl das Winzerstils in der Jugend der größte Entscheidungsfaktor. Darüber hinaus sind österreichische St. Laurent wie auch Pinot noirs wahre Schnäppchen und echte Preis-Leistungs-Weine. —

Verkostet und bewertet wurden die Weine vom Autor in Zalto-Universalgläsern. Im Anschluss wurden die besten in den jeweiligen Kategorien von einer Fachjury in einer Blindverkostung bewertet und zum Grand-Cru-Wein nominiert.
Jurymitglieder waren Hans Martin Gesellmann (Kracher Fine Wine), Benjamin Mayr (Weinhandel Del Fabro/Kolarik), Dragos Pavelescu (Önologe), Johannes Tremel (Weinhandel), Philipp Schäfer (Weinakademiker & Weinhandel Schäfer), Simon Schubert (Rest. Reznicek) und der Autor.

Zu den Bewertungen:
Kategorie 1: St. Laurent 2022 & 2021 klassisch
Kategorie 2: St. Laurent 2021 Riedenweine & Reserven
Kategorie 3: St. Laurent 2020 & 2019
Kategorie 4: Pinot noir 2022 & 2021 klassisch
Kategorie 5: Pinot noir 2021 Riedenweine & Reserve
Kategorie 6: Pinot noir 2020 & 2019
Kategorie 7: Cuvées mit dominantem St.-Laurent- oder Pinot-noir-Anteil