Blaufränkisch Summit am Arlberg

Im Rahmen eines Fachsymposiums diskutierte eine internationale Expertenrunde den Stellenwert der Sorte Blaufränkisch.

Foto von Anna Stöcher
Text von Willibald Balanjuk
Journalisten, Winzer und Sommeliers trafen sich am Arlberg, um die „Große Rebsorte Blaufränkisch“ zu besprechen und zu diskutieren.

Im Rahmen des Events Arlberg Weinberg findet jedes Jahr nicht nur der Best ­Bottle Award statt – den hat übrigens diesmal 2008 Comte de Champagne vor 2008 Winston Churchill und 2017 Blanc de Blancs Les Pierrieres von Ulysse Collin ­gewonnen –, sondern die große Anzahl der internationalen Gäste diskutiert auch über unterschiedliche Wein-Themen.

Dieses Jahr haben Clemens Riedl und Roland Velich, unterstützt von Dorli Muhr und der Österreichischen Weinmarketing Gesellschaft, die Frage Ist Blaufränkisch eine große Rebsorte? zum Thema gemacht. Über zwei Tage wurden die unterschiedlichsten Weine verkostet und besprochen. Andreas Wickhoff MW begann die Diskussion mit dem Statement:

„Dickschalig, dunkelbeerige Frucht, trendige Rebsorte mit österreichisch-ungarischer Geschichte … reicht das, um eine große Rebsorte zu sein?“

So wurde anfangs diskutiert, welche Kriterien eine große Rebsorte erfüllen soll.

Die Mehrheit einigte sich auf folgende Anforderungen:
Die Rebsorte muss die Eigenschaft besitzen, ihre Herkunft auszudrücken.
Sie muss über Alterungspotenzial verfügen.
Sie muss aromatische Komplexität, Finesse und Eleganz besitzen.
Sie sollte über eine geschichtliche Bedeutung verfügen.
Sie sollte flächenmäßig relevant sein.

Weniger einig war man sich bei der Frage, ob eine große Rebsorte:
sich sowohl in der Basis als auch in Topqualität ausdrücken können muss,
über Icon-Weine verfügen soll,
über altes Rebmaterial verfügen soll,
ein sehr guter Cuvée-Partner sein soll.

Wenn man die bisher genannten Punkte auf Blaufränkisch umlegt, kann man im Grunde bis auf den Punkt „ausgezeichneter Cuvée-Partner“ alle Fragen mit Ja beantworten. David Schildknecht (Vinous, USA) sieht den Blaufränkisch als große Rebsorte, weil Blaufränkisch „eine Frische und Lebendigkeit vermittelt, die ich sonst nur bei Weißweinen kenne“. Sascha Speicher (Meininger Verlag) ergänzt den Gedanken: „Dass Blaufränkisch seine Herkunft im engeren Sinn vermitteln kann, ist für mich wichtiger als der Rebsortencharakter.“ Roland Velich bestätigt dieses Argument mit der Aussage, dass für Blaufränkisch der„sense of place“ über „Terroir“ stehe. Unter Terroir versteht man das Zusammenspiel zwischen Boden, Klima und dem Faktor Mensch (Winzerin bzw. Winzer). Wie stark sich die ­unterschiedlichen Parzellen auch innerhalb eines Weingartens ­unterscheiden können, sieht man am besten an den Lutzmannsburger Lagen oder am Spitzerberg. Dieser Blickwinkel bestätigt den engeren Begriff „sense of place“. Dem hält Marc Almert (MS & Baur au Lac, CH) entgegen, „dass der Aspekt Rebsorte für den Konsumenten aber sehr wichtig ist“.

Die Geschichte des Blaufränkisch geht bis zu Karl dem Großen (768–814) zurück. Die Verbreitung der Rebsorte – Lemberger in Deutschland und Kékfrankos in Ungarn – machte sie zur typischen Mitteleuropäerin.

Wie hat sich der Blaufränkisch geschmacklich verändert?
Nach der Verkostung von mehr als 50 Weinen an diesen beiden ­Tagen – von mehr als 17 österreichischen Winzern aus den Jahrgängen 1896 bis 2020 – wurde festgestellt, dass sich Stil und ­Geschmacksbild des Blaufränkisch leicht verändert haben. Laut ­Romana Echenberger MW (BRD) und Stephan Reinhardt (Robert Parker) haben sich Weinstil und Geschmack „globalisiert“. Die ­süßen und kandierten Beerenfrüchte, Nougat, Kakao und Fruchtjoghurt stehen für dieses reifere und modernere Aromenspektrum. Bio, biodynamisch, Amphore, Reduktion und ein leichter Touch von Brett (Brettanomyces-Hefestamm, der aromatisch-animalische Noten im Wein vermittelt) finden sich auch beim Blaufränkisch wieder. James Goode (UK) und Joschua Greene (USA) sehen diese individuellen Aromen für sehr viele Märkte einerseits als Bereicherung, andererseits auch als Weinfehler. Auch viele Pinot noir und Cabernet Sauvignons tragen diese Aroma-Marker.

Wie wirkt sich Erderwärmung auf den Blaufränkisch aus?
Roland Velich meint, „wir [österreichische Winzer] sehen heute Säure mehr als Freund denn als Feind“. In der Geschichte waren viele österreichische Blaufränker sehr hoch in der Säure. Der legendäre 1986 Blaufränkisch Ried Mariental verfügt über eine Säure, die bei knapp 6 g/l liegt. Davon können einige Winzer heute nur mehr träumen. René Langdahl (DK) sieht die Tanninfestigkeit und gute Säure als einen Vorteil für Blaufränkisch unter dem Aspekt des Klimawandels. In der Diskussion unter Journalisten und Fachleuten sowie anwesenden Sommeliers am Arlberg wurde gefordert, keine technische, sondern eine stärker emotionale Beschreibung der Rebsorte Blaufränkisch zu generieren und zu kommunizieren. Frische und fruchtig unterlegte Säure waren die verkürzten Argumente, auf die sich das Forum einigen konnte.

Bei unserer Grand-Cru-Verkostung kann man als Zusammenfassung „Frische, präzise Fruchtaromen, engmaschige Struktur und eine feine Würzigkeit, die an Wacholder und Nelken erinnert, sowie pikanten Gerbstoff“ nennen. Wenn sich diese Komponenten im Blaufränkisch wiederfinden, kann man mit Sicherheit von einer großen Rebsorte sprechen. —