Bordeaux mit Finesse
Die 2017er Weißweine bestechen durch besonders hohe Qualität, die Rotweine durch ihre Feinheit.
Verkostung von Willi Balanjuk
Bei der Beurteilung des Jahrgangs 2017 sind zwei Punkte prägend: die geringen Erträge durch starke Frostschäden auf der einen sowie die inhomogene Reife der Trauben und damit „leicht unreifen Tannine“ auf der anderen Seite.
Im Rahmen von vier „2017er Bordeaux Arrivage“-Proben konnte der Autor eine breite Palette von Weinen blind verkosten.
Nur so viel vorweg: Die Weißweine 2017 präsentieren sich großartig.
Zusammenfassend: 2017 Haut-Brion Blanc (98+ Pkt.) und 2017 La Mission Haut-Brion Blanc befinden sich auf einem anderen „Preis-Planeten“ (€ 750,– Haut-Brion; € 510,– La Mission Haut-Brion). Großartige Weine, aber nur für „schmerzbefreite“ Weinliebhaber. Während Haut-Brion blanc auch in der Blindprobe wirklich überzeugte und sich als großer Wein präsentierte, war La Mission Haut-Brion Blanc sehr umstritten.
Die Klassiker aus Pessac-Léognan, wie etwa Smith Haut Lafitte Blanc (98+ Pkt.), Domaine de Chevalier Blanc (96+ Pkt.), Pape-Clément Blanc (97+ Pkt.), Ma-lartic-Lagravière Blanc (94+ Pkt.) und Carbonnieux (94 Pkt.) Latour Martillac (94+ Pkt.), zeigen mit ihren unterschiedlichen Stilen die großartigen Interpretationen der Rebsorten Sauvignon blanc und Semillon, wobei Smith Haut Lafitte eine Eleganz und Tiefe vermittelt, die auf einem Niveau mit Haut-Brion spielt.
Die große Überraschung waren die Weine aus dem Haut-Médoc. Pavillon Blanc (96+ Pkt.), Aile d’Argent (Mouton Rothschild, 96 Pkt.), Cos d’Estournel (95 Pkt.) und Blanc de Lynch-Bages (95 Pkt.) zeigten die Stärken des 2017er: aromatisch präzise und balancierte Säure.
Beim Rotwein waren die nördlichen Gemeinden Saint-Estèphe, Pauillac und Saint-Julien weniger von den Witterungsproblemen betroffen als Margaux, dennoch befinden sich Château Margaux (98+ Pkt.), Château Palmer (97+ Pkt.), Château Rauzan-Ségla (97+ Pkt.) und Château Giscours (95 Pkt.) auf dem Niveau von 2015 und 2018. Die Konzentration und die Tanninmenge wirken etwas eleganter, und die Weine überzeugen auf allen Linien.
In Saint-Estèphe matchen sich Château Montrose (97+ Pkt.) und Château Calon-Ségur (97 Pkt.) um den 1. Platz! Für mich hat Montrose die Nase leicht vorn, der 2017er strotzt vor balancierter Kraft und Eleganz. Als große Überraschung aller Verkostungen präsentierte sich Château Capbern (94 Pkt.), Saint-Estèphe, ein Weingut, das von Calon-Ségurs neuem Team betreut wird. Zudem ein sensationelles Preis-Leistungs-Verhältnis!
In Pauillac legt Château Mouton-Rothschild (97 Pkt.) die Latte sehr hoch. Mein Favorit der Appellation ist aber Château Pichon-Longueville
(98 Pkt.). Vielleicht einer der besten Weine, der Bordeaux neu – gemeint ist eleganter, seidiger Stil im Ausbau – perfekt ausdrückt. Cabernet
Sauvignon at its best und dabei eine enorme Länge im Nachhall mit feinsten Tanninen. Grand-Puy-Lacoste (95 Pkt.), Lynch-Bages (95 Pkt.) und Pichon Baron (95+ Pkt.) verfügen auch über den leicht minzigen Charakter im Finish. Als ein Weinstil für sich – daher etwas umstritten – präsentiert sich Château Pontet-Canet(96 Pkt.). Da dieser Wein durch den Ausbau in Holz und Beton (rund ¹⁄³ des Weins, ¹⁄³ gebrauchte Fässer und nur ¹⁄³ neues Holz) offener wirkt und zugänglichere Frucht bietet, finden viele den Wein „einladend“elegant (auch meine Meinung) und andere zu weit entwickelt für einen großartigen Wein. Das Château pflegt diesen „neuen“ Stil seit 2012 und hat seitdem den Anteil an Amphoren erhöht.
Latour war bei der En-Primeur-Probe einer der feinsten Weine, ist aber leider noch nicht verkostbar. Auch Lafite-Rothschild war bei keiner Probe dabei, präsentierte sich aber En Primeur ebenfalls exzellent.
In Saint-Julien legt Ducru-Beaucaillou (97 Pkt.) die Benchmark vor.
Léoville-Poyferré (96 Pkt.) und Léoville-Barton (95+ Pkt.) präsentieren sich sehr gut. Die stärkere Holzpräsenz (Bitterschokolade und Nougat in der Nase und im Finish) führt bei Blindverkostungen zu einer leichten Präferenz von Poyferré. Léoville-las-Cases war leider nicht bei den Verkostungen dabei, ist aber En Primeur ein ganz toller Wein. Für viel Überraschung sorgten die „weniger bekannten“ Weingüter wie Château Branaire-Ducru (94 Pkt.) und Château Saint-Pierre (94 Pkt.), deren Weine durch leichten und eleganten Trinkfluss sowie seidige Tannine großen Zuspruch fanden.
In Pessac-Léognan erwartet man mit Château Haut-Brion (95+ Pkt.) einen klaren Sieger. Leider war meine Beurteilung diesmal nicht dementsprechend. Zwei Mal probiert, beide Male waren sowohl Château La Mission Haut-Brion (96 Pkt.) als auch Château Haut-Bailly (96+ Pkt.) besser. Domaine de Chevalier (95 Pkt.) gehört für mich seit 2004 zu einem der verlässlichsten Weine, und auch Smith Haut Lafitte rouge (95 Pkt.) präsentierte sich wiederum verführerisch.
Am rechten Ufer haben sich in Pomerol die Weine von den besten Terroir grandios präsentiert, und in Saint-Émilion die Weine von der Côte.
Château Lafleur (98 Pkt.), Château Pensées de Lafleur (96+ Pkt.) -sowie Château Trotanoy (98 Pkt.) zeigten alle Elemente eines „großen
Weines“ und präsentierten sich sensationell. Vieux Château Certan (96+ Pkt.) wirkt daneben etwas fordernd und Château La Fleur-Pétrus (96 Pkt.) etwas opulent. Château -Clinet (95 Pkt.) ist zur Zeit von sehr viel Holzaromen geprägt, verfügt aber über Potenzial.
Saint-Émilion war die Appellation, die am stärksten von den Witterungsproblemen betroffen war. Strenge Selektion und feinere, etwas geringere Extraktion war bei Merlot zwei der Erfolgsfaktoren.
Château Canon (97 Pkt.), Château Bélair-Monange (97 Pkt.) und Château Figeac (96+ Pkt.) waren die Highlights aus Saint-Émilion. Canon überzeugte durch Tiefe und Finesse, Bélair-Monange durch straffe, fruchtig-lebendige Struktur und Figeac durch Aromatiefe, Komplexität und Länge. Dahinter dokumentieren Château Le Dôme (95+ Pkt.), Château Tertre-Roteboeuf (95+ Pkt.) und Canon La Gaffelière (94+ Pkt.) die Vielfalt der Appellation auf hohem Niveau. Stephan von Neippergs Château d’Aiguilhe (93 Pkt.) ist wie immer einer der besten Preis-Leistungs-Weine und verführt mit dunkler Kirschfrucht, Heidelbeere, Bitterschokolade und Saftigkeit.
Resümee: Die Weine haben eine vielschichtige Aromatik und wirken dabei leichter und eleganter als 2016 und 2015. Balance und Textur der besten Weine sind sensationell. Die Menge des Gerbstoffs ist (bis auf Margaux, Palmer, Pichon-Longueville und Figeac) etwas geringer und wirkt feiner. Dennoch werden die Weine problemlos die nächsten zwanzig Jahre reifen. Preislich hat sich die Subskription für die besten Weine gerechnet. Viele von ihnen werden in den kommenden Monaten auf den Markt kommen oder in den Restaurants zu finden sein.
Bordeaux rouge 2017
98+
Château Margaux, Margaux
98
Château Lafleur, Pomerol
Château Trotanoy, Pomerol
Château Pichon-Longueville, Pauillac
97+
Château Montrose, St.-Estèphe
Château Palmer, Margaux
Château Rauzan-Ségla, Margaux
97
Château Mouton-Rothschild,Pauillac
Château Bélair-Monange, St.-Émilion
Château Canon,St.-Émilion
Château Calon-Ségur, St.-Estèphe
96+
Château Ducru-Beaucaillou, St.-Julien
Château Figeac, St.-Émilion
Château Pensées de Lafleur,Pomerol
Château Haut-Bailly, Pessac Leognan
96
Château Pontet-Canet, Pauillac
Château La Fleur-Pétrus, Pomerol
Château La Mission Haut-Brion, Pessac-Léognan
Château Léoville-Poyferré,St.-Julien
95+
Château Pichon Baron, Pauillac
Château Haut-Brion, Pessac-Léognan
Château Léoville-Barton,St.-Julien
2005 Chateau Tertre-Roteboeuf,St.-Émilion
Château Le Dôme,St.-Émilion
95
Château Clinet, Pomerol
Château Grand-Puy-Lacoste, Pauillac
Château Lynch-Bages, Pauillac
Château Smith Haut Lafitte rouge, Pessac-Léognan
Domaine de Chevalier, Pessac-Léognan
Château Giscours, Margaux
94
Château Branaire-Ducru,St.-Julien
Château Saint-Pierre,St.-Julien
Château Canon La Gaffelière,St.-Émilion
Château Capbern, St.-Estèphe
Bordeaux blanc 2017
98+
Haut-Brion Blanc, Pessac-Léognan
Smith Haut Lafitte Blanc, Pessac-Léognan
97+
Pape-Clément Blanc, Pessac-Léognan
96+
Domaine de Chevalier Blanc,Pessac-Léognan
Pavillon Blanc, Margaux
96
Aile d’Argent(Mouton Rothschild)
95
Cos d’Estournel
Blanc de Lynch-Bages
94+
Malartic-Lagravière Blanc, Pessac-Léognan
Latour-Martillac
94
Carbonnieux
94+
Les Hauts de Smith,Pessac-Léognan