Das ist Weltklasse

Das Duo Steiermark und Sauvignon schreibt – etwa zehn Jahre nach dem Duo Niederösterreich und Grüner Veltliner – eine ähnliche Weißwein–Erfolgsgeschichte.

Das ist Weltklasse

Text: Michael Prónay Foto: Steiermark Tourismus

National wie international machen österreichische Weine aus dieser Rebsorte eine Karriere, wie man sie sich noch vor einer knappen Generation nicht einmal annähernd auszudenken vermochte. Bis weit in die 1980er-Jahre hinein war der steirische Sauvignon Blanc – damals zumeist unter dem Namen Muskat-Sylvaner vermarktet – ein nettes restsüßes Tröpferl. Der Beginn seiner außersteirischen Karriere lässt sich allerdings vergleichsweise deutlich ausmachen: In den 1980ern gebührt Willi Sattler senior das Verdienst, den Wein erstmals trocken ausgebaut und abgefüllt zu haben, und der Vinothek St. Stephan im Zentrum Wiens das Verdienst, den Wein, der bis dahin im Großraum Graz getrunken wurde, den Wiener Weinfreunden bekanntgemacht zu haben.

Die Karriere des Sauvignon Blanc – eine Rebsorte, die im 19. Jahrhundert aus dem Loiretal in Frankreich nach Österreich gekommen ist – ist unschwer an Zahlen abzulesen. Gab es in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre ganze 71 Hektar davon in der Steiermark (damals sogar mit fallender Tendenz), so stieg dieser Wert bis 1999 auf knappe 180 Hektar. 2009, zum Zeitpunkt der letzten Weingartenerhebung, hat sich dieser Wert beinahe verdreifacht und liegt bei 513 Hektar, womit die Sorte nach dem Welschriesling – ex aequo mit dem Weißburgunder – an der zweiten Stelle im südlichsten Weinbaubundesland liegt.

Der Hintergrund dieses Aufstiegs ist vergleichsweise einfach zu erklären: Qualität einerseits, und die Entwicklung gewisser Geschmackstendenzen andererseits. Wurde vor zwei Generationen unser Wein im wesentlichen nach den Entscheidungsmerkmalen „Heuriger“ oder „Alter“ eingeteilt (gut, das ist jetzt sehr vereinfacht, aber im Grunde stimmt es), so haben die Weinliebhaber und Fans in den letzten Jahrzehnten gewaltig dazugelernt. Und daher ist es völlig logisch, dass sich Sorten mit ausgeprägten aromatischen Merkmalen leichter tun.

Die Aromatik beim Sauvignon wird darüber hinaus – nicht bei uns, aber vor allem in französischen Weinkennerkreisen – durchaus kontrovers diskutiert. Im niedrigen bis mittleren Alkoholbereich zeigt die Sorte einen auffallend vorlaute, fast plakative Aromatik, die – freundlich gesprochen – an Paprika, Cassis, Muskat, Pfeffer und Hollerblüten erinnert; unfreundlich hat es dereinst Michael Broadbent formuliert: „The pee of an over-sexed tomcat“, also an das Pipi eines Katers auf Brautschau erinnernd. Was aber erst in jüngerer Zeit aufgefallen ist: im vollreifen Bereich zeigt der Sauvignon nebst der fein-charakteristischen Frucht-aromatik einen Tiefgang und eine Komplexität, die ihn den besten Grünen Veltlinern (und natürlich auch Chardonnays) absolut ebenbürtig erscheinen lassen. Damit geht auch eine Alterungs- und Reifefähigkeit einher, die bisher noch längst nicht gänzlich ausgelotet ist.

Unsere Probe. Wir baten die Offiziellen der Weinsteiermark (das Österreich-Weinmarketing gab uns die Namen bekannt: Hans Dreisiebner und Werner Luttenberger) um 20 bis 24 Flaschen der Rebsorte Sauvignon.

Die Auswahl war bunt gemischt – jung wie gereift, Klassik wie Lagenweine –, und so war auch das Ergebnis der Verkostung. Die allerbesten Weine zeigten sich von einer absolut grandiosen Brillanz, sie traten ganz eindeutig den Beweis dafür an, welch großes 
Potential in der Sorte steckt. Dass der älteste Wein – der 2006er hat ja schon ein solides halbes Jahrzehnt Reife hinter sich – die Verkostung gewonnen hat, spricht wiederum für das längst noch nicht gänzlich wahrgenommene Alterungspotential des Sauvignon.

Gekostet wurde blind, von jung nach alt, innerhalb desselben Jahrgangs nach steigendem Alkoholgehalt. Verkostet hat das Standardteam, bestehend aus Sandra Büchler, Dietmar Bruckner und dem Autor. Für die perfekte Verkostungslogistik und Betreuung sei meiner Frau Catrina ganz herzlich gedankt.

Verkostung

Sauvignon Blanc aus der Steiermark

Peter Skoff, Gamlitz-Kranachberg 95

2006 Kranachberg Reserve, 14%, DV/NK
Wunderschön klare, tiefe Exotik, animierend bis zum Geht-nicht-mehr, Mango, prachtvoll komplex, dabei herrlich klar; prachtvolle Frucht, feinster Holzeinsatz, vielschichtig, delikat, prachtvoll.

Tement, Berghausen 94

2007 Zieregg, 13,5%, GL

Tolle Sortenfrucht, dropsig, Cassis, Dixi-Multivitamin, Ribisellaub, Tinte, metallisch, Graphit, komplex, verwobene Frucht, Ölsardine und Melonen, unglaublich komplex; genauso vielschichtig und komplex wie in der Nase angedeutet, ganz großer Stoff.

Lackner-Tinnacher, Gamlitz-Steinbach 93

2009 Welles, 13%, GL

Wunderschön dichte, tiefe Exotik, Papaya, Mango, süßlich reif, die Sorte wunderschön interpretiert, hinten kräuterige Elemente; wunderschöner Fruchtglanz, herrlich gereift, toller Stoff nach jedem Maßstab.

Neumeister, Straden 92

2008 Moarfeitl, 13,5%, NK

Klar, reif, Apfel-Zimt-Küchlein, dazu reife Exotik mit einem Schuss Kokos, Honigmelone, blitzsaubere Sorteninterpretation; zartes Holz, passender Hauch BSA (Kaffee, Vanille), viel Potential, toller Stoff.

Stefan Potzinger, Gabersdorf 92

2010 Joseph Ried Sulz, 13%, DV

Pikante, aber absolut klassische Sortennase, Zitronen-Limetten-Zesten, Hollerblütensirup, Stachelbeeren und Brennnessel; ultra-saftig, extraktsüß, fordernd-mineralischer Schliff, tolle Länge.

Maitz, Ratsch 91

2008 Hochstermetzberg, 13,5%, DV

Wunderschön tief, dichte Süße, wie ein kandierter Apfel, komplex und saftig, ganz erstaunlich jung, Spannung Trockenfrüchte – Brennnessel, Marillenextrakt und Feuerstein; herzhafter Biss, fast scharf, hintendrein cremig-schotig, spannend-ausdrucksstarke Finish.

Silberberg, Leibnitz 91

2010 Steinbruch, 13,5%, GL

Straff-kreidig, merklich mineralisch geprägt (nomen est omen), dahinter dezente Sortenaromatik; fordernde Schärfe, dichte Kräuterwürze, Limetten, sehr fein, Zukunft.

Walter Skoff, Gamlitz-Eckberg 91

2010 Skoff Original Obegg, 14%, DV

Dezentes Holz, Brioche und Vanille, die Sorte dezent im Hintergrund, dezent süß-rauchig, tief; toll spannend, fordernd, süß-rauchig, die Sorte dezent präsent, der Alkohol perfekt integriert, tolle Länge, toller Stoff.

Weinhof Rauch, St. Peter/Ottersbach 90

2011 Ottersbachtal, 12,5%, DV

Klassische Pikanz, dazu Kamille und Feuerstein, aber nicht vorlaut, schön pfeffrig; feine Fülle, stimmig und klar, pfeffrig, Hauch Chili, guter Biss, ganz zartes Bitterl hintendrein.

Sattlerhof, Gamlitz-Sernau 90

2010 Sernauberg, 13%, GL

Sehr gereift wirkend, erinnert durchaus positiv an Riesling, Steinobst, auch etwas buttrig-cremig, auch burgundisch-füllige Elemente, Zitronencrème; lebendige Säure, frisch, Limetten, die Sorte kommt fein durch, bei aller Fülle ausgesprochen attraktiv.

Schneeberger, Heimschuh-Pernitsch 90

2011 Klassik, 13%, DV

Feine, merklich reife Sortennase, Karamell, Kandis, Trockenfrüchte, dahinter zart dropsig-vegetabilische Noten, geht mit Luft immer schöner auf; schöne Fülle, fester Körper, weinig und dicht, braucht merklich noch ein wenig Zeit zur Entwicklung.

Strauss, Gamlitz-Steinbach 90

2008 Gamlitzberg Reserve, 14%, DV

Dezente Holzfülle, Vanille und Kokos, die Sorte dadurch ein wenig im Hintergrund, salzig, rauchig und torfig, erinnert an Whisky; tolle Spannung, geiler Barriquewein, wenn auch wenig Sorte, dennoch wunderschöner Kick, toller Stoff.

Wohlmuth, Kitzeck-Fresing 90

2011 Klassik, 13%, DV

Klassische, feine und nicht vorlaute Nase, Muskat, Vanille, Hollerblüten, reife Nektarinen und Ringlotten, auch Graphit; ein wenig streng, steinig-mineralisch, momentan fast noch spröde, aber durchaus spannend, gesicherte Zukunft.

Dreisiebner Stammhaus, Sulztal 89

2010 Hochsulz, 13%, DV

Dezente Sortenpikanz, Nektarinen, deutliche Brennnessel, weiße Blüten, sehr fein im Ausdruck; schöne Balance, weinig und attraktiv, sehr sauber und frisch.

Erich & Walter Polz, Spielfeld-Grassnitzberg 89

2009 Hochgrassnitzberg, 13%, DV

Ein wenig rau und stichig, die Frucht verhalten, Apfel und Birnen in beginnender Gärung; noch verhalten, ein wenig scharf und kratzig, könnte sich wohl noch auswachsen, Geduld ist angesagt; mit Luft kommen marzipanige Cremenoten.

Erwin Sabathi, Leutschach-Pössnitz 89

2011 Poharnig, 13,5%, DV
(F)
Klassisch-frische, jugendliche Sortennase, Paprika, Tomatenmark, Flieder und Hollerblüten, auch Lavendel; guter Biss, feine Fülle, der Alkohol schiebt noch an, braucht noch Zeit, hat aber schöne Anlagen.

Langmann vulgo Lex, St.-Stefan-Langegg 88

2011 Greisdorf, 13,5%, DV

Azeton und Bananenchips, mit Luft kommen dropsige Noten, gelbe Äpfel, florale Noten, attraktiv, wenn auch nicht gerade sehr sortentypisch; transparent, dezente Säure, zartes CO2, im Ausklang frisch.

Scheucher, Labuttendorf 88

2007 Pößnitzberg „S“, 13,5%, DV

Gereifte Sortenaromatik, dezent krautig, 
hat Tiefgang, vielleicht ein Hauch Holz, ruhige Fülle; reif und vorn etwas sperrig wirkend, hintendrein kommt die Sorte dann hübsch durch.

Tschermonegg, Glanz 88

2011 Classic, 12,5%, DV

Viel CO2 zeigt sich schon im Glas; verhalten, ein wenig Kamillentee und Heu; hübscher Biss, das CO2 stützt, etwas Apfel und Pfeffer, guter Wein, aber etwas wenig Sortenausdruck, unkompliziert.

Adam-Lieleg, Leutschach-Kranach 87

2011 Classic, 12,5%, DV

Hübsche Fülle, Vanillepudding, eher auf der ruhigen Seite, etwas Tomaten und Paprika; die ruhige Seite bleibt, könnte deutlich mehr Pfiff vertragen.

Felberjörgl, St.-Andrä-Höch 87

2010 Kreuzegg, 13%, DV

Verhalten, ein wenig blättrig-schotig, Efeu und Eibisch, fast ein wenig schwermütig wirkend; irgendwie nicht wirklich lebendig, eher auf der ruhigen Seite, extraktsüß, zeigt irgendwie wenig Sortenanimo.

Kollerhof Lieleg, Eichberg-Trautenburg 87

2011 Sauvignon Blanc, 12,5%, DV

Weiche Fülle, Kekse, dezente Hefenoten, die Sorte auf der verhaltenen Seite, auch ein wenig herbal; eigenwillig, kaum Frucht, etwas aufgesetzt wirkende Säure, wenig Sortencharakter.

Riegelnegg Olwitschhof, Gamlitz-Steinbach 87

2010 Sernauberg, 12%, DV

Herzhafte Pikanz, fast scharf, Hauch Estragon, Senfsaat und Grießkoch; frisch, pikant, transparent, auf der eleganten Seite gelegen, derzeit noch etwas wenig Ausdruck.

Schwarz, Kitzeck 87

2011 Wunsum, 14%, DV

Cassislaub, Teer, Efeu, etwas feuchter Herbstwald, grüne Elemente, Granny Smith; weinige Fülle, der Alkohol ist spürbar, irgendwie bleiben die grünen Elemente.

Das ist Weltklasse

Das Duo Steiermark und Sauvignon schreibt – etwa zehn Jahre nach dem Duo Niederösterreich und Grüner Veltliner – eine ähnliche Weißwein–Erfolgsgeschichte.

Text: Michael Prónay

National wie international machen österreichische Weine aus dieser Rebsorte eine Karriere, wie man sie sich noch vor einer knappen Generation nicht einmal annähernd auszudenken vermochte. Bis weit in die 1980er-Jahre hinein war der steirische Sauvignon Blanc – damals zumeist unter dem Namen Muskat-Sylvaner vermarktet – ein nettes restsüßes Tröpferl. Der Beginn seiner außersteirischen Karriere lässt sich allerdings vergleichsweise deutlich ausmachen: In den 1980ern gebührt Willi Sattler senior das Verdienst, den Wein erstmals trocken ausgebaut und abgefüllt zu haben, und der Vinothek St. Stephan im Zentrum Wiens das Verdienst, den Wein, der bis dahin im Großraum Graz getrunken wurde, den Wiener Weinfreunden bekanntgemacht zu haben.

Die Karriere des Sauvignon Blanc – eine Rebsorte, die im 19. Jahrhundert aus dem Loiretal in Frankreich nach Österreich gekommen ist – ist unschwer an Zahlen abzulesen. Gab es in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre ganze 71 Hektar davon in der Steiermark (damals sogar mit fallender Tendenz), so stieg dieser Wert bis 1999 auf knappe 180 Hektar. 2009, zum Zeitpunkt der letzten Weingartenerhebung, hat sich dieser Wert beinahe verdreifacht und liegt bei 513 Hektar, womit die Sorte nach dem Welschriesling – ex aequo mit dem Weißburgunder – an der zweiten Stelle im südlichsten Weinbaubundesland liegt.

Der Hintergrund dieses Aufstiegs ist vergleichsweise einfach zu erklären: Qualität einerseits, und die Entwicklung gewisser Geschmackstendenzen andererseits. Wurde vor zwei Generationen unser Wein im wesentlichen nach den Entscheidungsmerkmalen „Heuriger“ oder „Alter“ eingeteilt (gut, das ist jetzt sehr vereinfacht, aber im Grunde stimmt es), so haben die Weinliebhaber und Fans in den letzten Jahrzehnten gewaltig dazugelernt. Und daher ist es völlig logisch, dass sich Sorten mit ausgeprägten aromatischen Merkmalen leichter tun.

Die Aromatik beim Sauvignon wird darüber hinaus – nicht bei uns, aber vor allem in französischen Weinkennerkreisen – durchaus kontrovers diskutiert. Im niedrigen bis mittleren Alkoholbereich zeigt die Sorte einen auffallend vorlaute, fast plakative Aromatik, die – freundlich gesprochen – an Paprika, Cassis, Muskat, Pfeffer und Hollerblüten erinnert; unfreundlich hat es dereinst Michael Broadbent formuliert: „The pee of an over-sexed tomcat“, also an das Pipi eines Katers auf Brautschau erinnernd. Was aber erst in jüngerer Zeit aufgefallen ist: im vollreifen Bereich zeigt der Sauvignon nebst der fein-charakteristischen Frucht-aromatik einen Tiefgang und eine Komplexität, die ihn den besten Grünen Veltlinern (und natürlich auch Chardonnays) absolut ebenbürtig erscheinen lassen. Damit geht auch eine Alterungs- und Reifefähigkeit einher, die bisher noch längst nicht gänzlich ausgelotet ist.

Unsere Probe. Wir baten die Offiziellen der Weinsteiermark (das Österreich-Weinmarketing gab uns die Namen bekannt: Hans Dreisiebner und Werner Luttenberger) um 20 bis 24 Flaschen der Rebsorte Sauvignon.

Die Auswahl war bunt gemischt – jung wie gereift, Klassik wie Lagenweine –, und so war auch das Ergebnis der Verkostung. Die allerbesten Weine zeigten sich von einer absolut grandiosen Brillanz, sie traten ganz eindeutig den Beweis dafür an, welch großes 
Potential in der Sorte steckt. Dass der älteste Wein – der 2006er hat ja schon ein solides halbes Jahrzehnt Reife hinter sich – die Verkostung gewonnen hat, spricht wiederum für das längst noch nicht gänzlich wahrgenommene Alterungspotential des Sauvignon.

Gekostet wurde blind, von jung nach alt, innerhalb desselben Jahrgangs nach steigendem Alkoholgehalt. Verkostet hat das Standardteam, bestehend aus Sandra Büchler, Dietmar Bruckner und dem Autor. Für die perfekte Verkostungslogistik und Betreuung sei meiner Frau Catrina ganz herzlich gedankt.