Den kühlen Roten gehört die Zukunft

Heimische Winzer keltern sowohl aus St. Laurent als auch mit Pinot noir Weine auf Premier-Cru-Niveau.

Der St. Laurent gilt für viele Sommeliers und internationale Weinhändler als eine der erfolgsversprechendsten Rotweinsorten Österreichs. Warum? Erstens, weil aromatisch intensive, komplexe Rotweine mit lebendiger Säurestruktur und geringem Alkoholgehalt weltweit sehr rar sind und nur in geringen Mengen angeboten werden. Zweitens wird aufgrund von „global warming“ so manche etablierte Rebsorte im nächsten Jahrzehnt vor große Herausforderungen gestellt werden und sich vielleicht auch ihre Stilistik stark verändern. PH-Werte und Alkohol werden steigen und die Trinkfreudigkeit reduzieren. Bordeaux (rechtes Ufer) und Maremma offerieren bereits jetzt Weine mit 15,5 bis 16,5  % Alkohol. Dieses Problem kennt der St. Laurent nicht, dessen geringe Zuckerbildung bei höchster physiologischer Reife sein großer Vorteil in dieser Hinsicht ist. Dazu kommen seine dunkelbeerigen Noten, kombiniert mit nuancierten Kräuter-Würzenoten, eine gute Affinität mit Holz sowie fester Gerbstoff. Die Schwierigkeiten bei der Standortwahl, das unterschiedliche Rebmaterial, die hohe Fäulnisgefahr der Rebsorte und die geringen Erträge erklären, warum sie nicht weiter verbreitet ist. Die 740 Hektar, die in Österreich mit der Rebsorte bearbeitet werden, befinden sich in der Thermenregion und im Burgenland auf der Parndorfer Platte und am Leithaberg.

Pinot noir ist international betrachtet zurzeit die -erfolgreichste Rebsorte der Welt. Die höchsten Preise und die stärkste Preisentwicklung unter Rotweinen gibt es bei Weinen aus dieser Rebsorte. Nicht nur Burgund, sondern auch die besten deutschen Spätburgunder und Schweizer Pinot noirs befinden sich in der Preiskategorie um 100 Euro plus bis nach oben offen. Dagegen bietet Österreich mit seinen 620 Hektar Rebflächen noch ein sensationelles PN-Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Preise der besten Weine liegen hier zwischen 25 und 50 Euro. Die größte Gefahr für den österreichischen Pinot noir besteht aber im Vergleich mit Burgund. Da die Stilistik dort stark variiert, sollten sich heimische Winzer auf die Definition einer eigenen Stilistik konzentrieren.

Verkostet wurden in der A la Carte-Grand-Cru-Probe insgesamt 176 Weine. In der Kategorie St. Laurent 2019 und 2018 wurden 28 Weine eingereicht. Die jugendlichen Varianten präsentierten sich sehr unterschiedlich. Sowohl Stahltank als auch gebrauchte Barriques für den Ausbau bildeten ein inhomogenes und schwierig zu vergleichendes Spektrum ab.

Die Weine der Kategorie St. Laurent Reserven 2017 & älter (31 Weine) verfügten über ein größeres Qualitätspotenzial. Die puristischen Interpretationen verbinden die Fruchtnoten mit zarter Holzwürze. Die hohe Reife des 2017er-Traubenmaterials erlaubt, die Weine bereits gut anzutrinken, und die besten 2016er zeigen die Komplexität dieser Rebsorte.

Der Pinot noir 2018 (28 Weine) war für die Winzer eine echte Herausforderung. Die sommerliche Hitze und die schnelle Vegetation veranlassten viele Winzer dazu, etwas früher zu lesen. Diese Entscheidung hat sich als richtig herausgestellt. Die besten Weine der Verkostung verfügen über eine lebendige Struktur und gutes Säurespiel.

Die Kategorie Pinot noir 2017 war ein Hochgenuss. Es wurden 42 Weine verkostet. Die Vielfalt und Intensität der Aromen und Stilistiken war beeindruckend. Die Finalverkostung der Besten führte zur Diskussion, welche Burgunder-Winzer-Stilistik diese Weine am ehesten widerspiegeln. Modernistische Winzer wie Méo Camuzet und Confuron wurden bei einzelnen Weinen angedacht, Comte Georges de Vogüé, dessen Weine straff und rotbeerig schmecken, war ein weiterer Burgunder, der ins Spiel gebracht wurde, ein Wein hatte die Holz-Nougat-Note von Rousseau und wieder weitere die Finesse von besten 1er- und feinen Grand-Cru-Weinen.

Bei den 2016ern (28 Weine) war die Serie ebenso hochwertig. Diese Weine brauchen etwas Luft, entwickeln sich sehr gut im Glas und präsentieren sich mit dichter und lebendiger Struktur. Die Weine von Axel Stieglmar und vor allem der „Pinot Noir Kästenbaum“ von Reinisch zeigen das großartige Potenzial der Rebsorte.

Die Cuvées (19 Weine) präsentierten sich wiederum sehr unterschiedlich. Zum einen komponieren viele Winzer Pinot noir und St. Laurent, andere cuvéetieren mit Merlot, wieder andere mit Cabernet Sauvignon. Diese Cuvées entwickeln sich sehr unterschiedlich während der Flaschenreife, daher kann man eher eine Winzerhandschrift der Cuvées entdecken, aber der jeweilige Sortencharakter tritt in der jugendlichen Phase in den Hintergrund.

Zusammenfassend bietet St. Laurent wunderbare Alternativen für alle Syrah- und Cabernet-Franc-Fans. Die Weine vereinen Frucht und Würze mit lebendiger Textur. Die Pinot noirs 2018 vermitteln den Fruchtcharakter der Rebsorte. Die 2017er und 2016er waren zum größten Teil auf höchstem internationalen Niveau. 1er-Cru-Niveau mit Anlagen zum Grand Cru aus Österreich und einem Hauch mehr Fruchttiefe als Burgund.

Verkostet und bewertet wurden die eingereichten Weine vom Autor in Zalto-Universalgläsern. Danach wurden die besten Weine in den Kategorien von einer Jury in einer finalen Blindverkostung bewertet.

Jurymitglieder waren Hans Martin Gesellmann (Weinhandel Kracher Fine Wine), Wolfgang Kneidinger (Sommelier Palais Coburg), Benjamin Mayr (Del Fabro), Dragos Paveluscu (Önologe), Philipp Schäfer (Weinhandel Schäfer), Johann Scherngell (Burgund Kenner) und der Autor.

Pinot Noir 2016 & älter


St. Laurent 2017 & älter


Cuvées mit PN- und/oder SL-Anteil 2018 & älter


Pinot Noir 2017


Pinot Noir 2018


St. Laurent 2018