Der Anspruchsvolle

Text von Willi Balanjuk
© ÖWM / WSNA

Wie kein anderer verführt der Riesling mit präziser und vielschichtiger
Frucht. Eine Verkostung der Jahrgänge 2021 und 2022
.

Rund 2.000 Hektar Riesling sind in Österreich gepflanzt. Sie stehen mehrheitlich im Donauraum, Kremstal und Kamptal, Traisental, sowie in der Wachau und in Wien. Aufsteiger der letzten Jahre ist zudem die Südsteiermark, vor allem der Raum Kitzeck/Sausal. Aber auch in allen weiteren Weinbaugebieten pflegen zahlreiche ambitionierte Winzer die anspruchsvolle Rebsorte. An den Standort stellt der Riesling sehr hohe Ansprüche. Gneis, Schiefer und Kalk geprägte Böden verleihen den Weinen der spät reifenden Rebsorte intensive Steinobstaromen mit lebendiger Struktur. Da die Trauben über eine hohe Säure verfügen, ist perfekte Reife gewünscht und die Wahl des optimalen Lesezeitpunkts die Herausforderung, der sich die Winzer stellen müssen. Stiellähme (Trauben fallen von abgestorbenen Stielen) und Botrytisbefall (Verlust der klaren, präzisen Steinobstaromen) sind hinsichtlich des richtigen Erntezeitpunkts ebenfalls wichtige Faktoren. Die Jahrgänge 2022 und 2021 unterschieden sich deutlich in ihrem Vegetationsverlauf. 2021 startete mit einer späteren Blüte, damit war auch eine spätere Lese bei kühleren Temperaturen erwartbar. 2022 gab es nach einer längeren Trockenperiode leichte Niederschläge in der Lesezeit. Dadurch ergab sich ein knapperes Erntefenster als 2021. Dennoch: Die Qualität beider Jahrgänge basiert auf hoher physiologischer Reife, guter, reifer Säure, hohen Extraktwerten und wenig bis gar keinen Botrytisanteilen.
Für Rieslingliebhaber sind auch 2020 und 2019 Jahrgänge mit sehr hoher Basisqualität sowie einer vielschichtigen Aromatik und Topqualitäten in den Spitzen.

A la Carte hat eine Riesling-Grand-Cru-Verkostung in vier Kategorien ausgeschrieben. 272 Weine wurden insgesamt eingereicht.

Die Kategorie 1 – fruchtbetonte, klassische Sortenvertreter war mit 108 Weinen präsent. Die Mehrheit überzeugte mit einladenden reifen Fruchtnoten und gut stützender Säure. Oft waren einige Gramm Restzucker verantwortlich für einen leicht fruchtigen Schmelz im Abgang. Die gesamte Bandbreite von Kohlensäure(CO2)-geprägten Weinen bis hin zu den ­wertigsten Lagenweinen belegt die hohe Qualität des Jahrgangs 2022. Mit Bründlmayers Ried Heiligenstein hat ein außergewöhnlicher Wein mit Finesse und Engmaschigkeit diese Kategorie gewonnen. Daneben waren auch Ortsweine und Federspiele auf einem sensationellen Niveau. Der ­Vorteil dieses Jahrgangs ist die saftige, harmonische Textur, die die Weine bereits gut antrinkbar macht.

Die Kategorie 2 – körperreiche Weine, DAC-Reserve- & Smaragd-Weine war mit 57 Weinen vertreten und zeigte die größte Diversität des Rieslings. Schiefer, Gneis und Kalk prägen in dieser Kategorie die Spitzenweine. Die Familie Wohlmuth hat seit jeher im Kitzecker Raum den Riesling gepflegt. Mit der Pflanzung des Weingartens Dr. Schuh wurde eine Schieferlage mit enorm steiler Exposition etabliert, die einen großartigen, straffen, engmaschigen Riesling ergibt. Dahinter die Usual Suspects mit Wachau, Kremstal, Kamptal, Traisental und Wien.

In der Kategorie 3 – Riesling 2021 wurden 80 Weine verkostet. Das Niveau dieser Weine ist sensationell, und die Bandbreite der Stile unterstreicht das Potenzial des Rieslings. Zwei Weine präsentierten sich in der Finalprobe außergewöhnlich: Der Riesling Ried Heiligenstein Alte Reben von Bründlmayer ist einer der besten Sortenvertreter des Landes. Bereits 2019 wurden von A la Carte 100 Punkte vergeben. Der 2021er ist ein einzigartiger, dichter und engmaschiger Wein mit einem beeindruckenden Säurespiel. In der Finalprobe zeigte sich der Wein perfekt. Diesem Juwel sollte man Zeit geben oder es mit viel Luft verkosten. Ein Muss für alle Riesling-Kenner. Knapp dahinter präsentierte sich der 2021 RI Ried Pfaffenberg vom Weingut Salomon. Ähnlich wie der Heiligenstein ein Bilderbuchwein – kristallklar wie ein Bergsee. Dahinter viele sensationelle Weine, die durch Flaschenreife noch zulegen werden. Trinken Sie bitte die 2022er vor den 2021ern und verfolgen Sie die Entwicklung dieses außergewöhnlichen Jahrgangs.

Die 4. Kategorie – gereifte Rieslinge der Jahrgänge 2020 und 2019 war mit 27 Weinen vertreten. In dieser Kategorie sollten die Entwicklung und Trinkbarkeit der Weine überprüft werden. 2020 und 2019 sind gut antrinkbar. Die Besten verfügen aber auch noch über enormes Potenzial.
Zusammenfassend unterstreicht der Riesling die Position Österreichs im Spitzenfeld der besten Weißweine der Welt. Die Abfolge der großartigen Jahrgänge 2019, 2020, 2021 und 2022 erlaubt, die Weine sowohl in der primär aromatischen Fruchtphase als auch in der komplexeren aromatiefen Phase zu genießen.

Verkostet und bewertet wurden die Weine vom Autor in Zalto-Universalgläsern. Im Anschluss wurden die Besten in den jeweiligen Kategorien von einer Fachjury in einer Blindverkostung bewertet und zum Grand-Cru-Wein nominiert.
Jurymitglieder waren Hans Martin Gesellmann (Kracher Fine Wine), Benjamin Mayr (Weinhandel Del Fabro/Kolarik), Dragos Pavelescu (Önologe), Johannes Tremel (Weinhandel), Philipp Schäfer (Weinakademiker & Weinhandel Schäfer) und der Autor.

Zu den Bewertungen:
Kategorie 1

Kategorie 2
Kategorie 3
Kategorie 4