Der Espresso-Ferrari

Die Barista-Szene hat einen neuen Fetisch. Er heißt „Spirit“, wird von einem Holländer gebaut, kostet sehr viel Geld und sieht sehr gut aus.

Text von Florian Holzer · Fotos von lucas vossoughi, beigestellt
Espressomaschinen sind ja schon auch ­irgendwie schön. All das funkelnde Chrom, die Stell-Schrauben, die Anzeigen, Männer lieben so etwas. Und da Espresso zum großen Teil eine technische Angelegenheit ist, deren Erfolg von Qualität, Ganggenauigkeit und Wartung einer Hightech-Mühle sowie der korrekten Harmonisierung von Druck, Temperatur und Zeit innerhalb der Espressomaschine abhängt, gibt es da erwartungsgemäß ein großes Feld für Beschäftigung, Optimierung und Diskussion. Internetforen sind voll davon, Millionen Baristas diskutieren da über Dinge, die auf den ersten Blick recht wenig mit Kaffee zu tun haben.
Und sie haben einen Guru, einen Star, dessen Name bewundert und voller Demut ausgesprochen wird: Kees van der Westen, ein Holländer, der schon seit Mitte der 80er Jahre Designer-Espressomaschinen baut und bestehende Geräte sowohl technisch als auch vor allem optisch modifizierte. Als holländischer Importeur und Vertreter von La Marzocco, einer italienischer Traditionsfirma mit enormem Qualitätsanspruch und Innovationswillen, entwickelte er auf Basis von La Marzocco-Teilen die legendäre Mistral, eine mehr oder weniger schwebende Espressomaschine mit dem expliziten Anspruch, nicht nur technisch perfekt zu sein, sondern auch den optischen Mittelpunkt des Raumes, in dem sie installiert wird, darzustellen. 116 Mal wurde die Mistral von 1995 bis 2004 von Kees van der Westen in seiner Werkstatt gebaut und erlangte in der Szene Kultstatus. In dieser Zeit entwickelte van der Westen auch ein eingruppiges Espresso-Raumschiff namens Speedster, wie schon bei der Mistral mit der riesigen, alten Brühgruppe der La Marzocco GS aus den Siebzigern, kombiniert mit einem stromlinienförmigen Chassis in poliertem Aluminium und einem Bedienungshebel, der an die Gangschaltung eines alten Porsche-Rennwagens erinnert. Die sechs Homologationsmodelle aus dem Jahr 2001 waren jedenfalls rasch verkauft, und nachdem die Italiener die zweite Generation der Mistral lieber selbst herstellen wollten, stieg der Holländer aus dem Vertrag aus und begann, seine Speedsters in Serie zu bauen. Die so ziemlich die extravaganteste und mit knapp 6.000 Euro auch eine der teuersten Espressomaschinen für den Haushaltsgebrauch ist.
Der Speedster folgte die Mirage, ein Profigerät, wahlweise zwei- oder dreigruppig, manuell oder halbautomatisch, klassisch oder mit Hebel-Bedienung.
Und heuer dann die Spirit. Natürlich mit allen technischen Spezifikationen, die man sich nur denken kann, der extra-sanften Befeuchtung des Kaffeepulvers, der multi-kontrolliert gesteuerten Beschickung mit neun bar Wasserdruck, gelasertem Siebträger, individuell regulierbarer Temperatur jeder Gruppe, Echttemperaturanzeige jeder Gruppe und vor allem einem Design, das an das Armaturenbrett des amerikanischen 60er-Muscle-Car-Klassikers Ford Thunderbird erinnert – der Kees van der Westen nämlich sehr gut gefällt. Wenn sich jemand in David Lynchs Science fiction-Epos „Dune“ einen Espresso gemacht hätte, dann mit so einer Maschine.
Evelyn Priesch und Werner Savernik holten sich ihre Spirit persönlich ab. Die Marketing-Fachfrau und der Werber hatten die Eingebung, einen Coffeeshop zu machen, während ihrer einjährigen Weltreise, auf der sie speziell die lebendige Kaffeeszene in Neuseeland faszinierte. Graz, woher sie stammen, schien ihnen kaffeemäßig schon zu besetzt, also Wien. Im Sommer eröffneten sie ihr „coffee pirates“ direkt hinter dem alten AKH, „the third wave Coffeeshop in Wien“. Eigentlich hatten sie ja schon eine gute Gebraucht-Espressomaschine, erzählt Evelyn Priesch, aber als sie Kees van der Westen und die 10.000 Euro-Spirit auf einer Messe in Wien kennen lernten, da war’s um die Rationalität dann halt leider geschehen, „das war rein emotional“.
In Europa gibt es einstweilen noch nicht viele von diesen Geräten, eine in Prag, ein paar in London, die meisten gehen nach Australien, in Österreich sind die Kaffeepiraten definitiv die ersten mit einer Spirit. Demnächst kommt auch noch ein kleiner 2,5-Kilo-Röster dazu (Diedrich, unter Kennern ebenfalls geschätzt, aber kein Vergleich zur Spirit …), dann gibt’s die Piraten-Mischung aus brasilianischen, kolumbianischen und äthiopischen Arabicas für die Spirit auch noch aus der eigenen Röstung. 7.000 Watt, 31 Ampere, die Kees van der Westen-Maschinen sind bei den Baristas nicht zuletzt deshalb so beliebt, weil da wirklich viel Strom reinpasst, weil man mit ihnen wirklich sehr, sehr viele Espressi machen kann, ohne dass die Leistung abfällt. „Auf unsere erste Stromrechnung bin ich jedenfalls schon gespannt“, sagt Evelyn Priesch.
ADRESSE
Coffee Pirates
Spitalgasse 17, 1090 Wien
Tel.: 0660/342 14 11
www.kaffeepitaten.at