Der Meister der Trester

Hans Reisetbauer ist A la Carte Meisterbrenner 2008

Text von Peter Hämmerle Foto: Peter Hämmerle
Hans Reisetbauer blickt auf eine sensationelle Williamsernte zurück, und er teilt seine Freude in einer Form mit, die einen genau spüren lässt, wie viel Herzblut und Zeit er in die Hunderten von Bäumchen gesetzt hat, die er vor einigen Jahren pflanzte, und die nun im Ertrag stehen und endlich den erhofften Beitrag zu guten Williamsdestillaten liefern. Immerhin hat Hans Reisetbauer einst seinen Ruf mit Williams begründet. Der Titel Mister Williams hat ihn zu Beginn seiner Brennerkarriere begleitet. Die Basis für seine nunmehr vierte Auszeichnung als A la Carte Meisterbrenner hat er allerdings mit einer anderen Disziplin gelegt, mit Trester.
"Grappa und Trester waren eine Zeit lang modern", meint er rückblickend, "und als diese Welle nachgelassen hat, hat die Sache begonnen, mich zu interessieren. Ein bestimmendes Erlebnis dafür war Alois Gölles‘ Trester aus Trockenbeerenauslese von Alois Kracher aus dem Jahr 1995." Auch durch unsere Redaktion ist bei Erscheinen dieses monolithischen Schnapses ein Ruck gegangen. Eine solche Vielfalt an Nuancen neben der gleichzeitigen Wucht hatten wir noch nicht erlebt. Das hatte nichts damit zu tun, was wir unter Grappa kannten oder unter Treberner oder Restlverwertung, wie man das auch nannte. Und nun, zwölf Jahre später ist es Hans Reisetbauer, der uns einen Trester hinstellt, dass es einem die Sprache verschlägt und den Atem vor lauter Botrytis obendrein. Erraten: Auch dieser Trester stammt von einer TBA – aus Rieslingtrauben von Egon Müller. Es ist der beste Schnaps im aktuellen A la Carte Ranking. Den Juroren, die hinter dieser Wertung stehen, ist dabei zweierlei bewusst: Diesen Schnaps verstehen nur wenige Menschen, und noch viel weniger bekommen ihn zu kosten – die davon produzierte geringe Menge ist fast ausverkauft, und die 35-cl-Flasche kostet 499,– Euro. Dieser Preis ist übrigens in keiner Hinsicht diskutabel. Erstens verdient ihn Hans Reisetbauer und zweitens ist der Brand sein Geld auch wert, denn dieser Rieslingtrester vom Scharzhofberg ist eine Grenzerfahrung für Schnapsliebhaber.
Von acht Diamanten, die Hans Reisetbauer heuer eingefahren hat, gingen vier an Tresterbrände. Das ist außerordentlich und nicht zuletzt das Ergebnis jahrelanger Arbeit ebenso wie ein Beleg für die gute Zusammenarbeit mit den betreffenden Winzern. Hans Reisetbauer ist etwa mit Albert Gesellmann und Bernhard Ott, deren Trester er regelmäßig brennt, seit Jahren befreundet. In Reisetbauers Trester liegt damit gleichzeitig eine große Wertschätzung für die Winzer, und umgekehrt vertrauen diese ihm ihr bestes Material an und liefern es innerhalb kürzester Zeit. "Darin", so Hans Reisetbauer, "liegt wahrscheinlich das Geheimnis meiner Tresterbrände. Die Tresterkuchen werden nicht so stark gepresst wie üblich und sie werden innerhalb von 24 Stunden verarbeitet."
Reisetbauers Tresterpalette spiegelt die Kombination der bedeutendsten Traubensorten mit hervorragenden Produzenten wider. Der Grüne Veltliner stammt von Bernhard Otts Rosenberg, die Rotweintrester von Albert Gesellmanns Bela Rex und der Muskateller aus Südtirol, von Manincor. Mit seinem letzten Opus, dem Riesling TBA Scharzhofberg, ist aber auch Hans Reisetbauer an eine magische Grenze gestoßen. Dort hatte er erstmals das Gefühl, nicht die Trauben sollten seinen Ansprüchen gerecht werden, sondern seine Arbeit sollte dem legendären Ruf von Egon Müller angemessen sein. Und sie ist es in der Tat.

Spannende Seiten der Statistik

Wir bekennen: Wir mögen keine Rankings, trotzdem machen wir sie, weil sie das Salz in der Suppe sind und weil sie einiges aussagen, wenn man sie richtig zu lesen versteht. Sie gleichen darin einer Statistik und auch diese enthüllt ihre Aussage nur dem geübten Blick. Das Gute an unserem Ranking ist jedenfalls, dass wir es jedes Jahr stolz präsentieren können, denn auch wenn sich die teilnehmenden Personen kaum dramatisch verändern, es ist doch irgendwie anders als im Jahr zuvor. An der Spitze der brennenden Pyramide hat sich allerdings nichts verändert. Hans Reisetbauer heißt unser neuer alter Meisterbrenner. Er ist es zum vierten Mal geworden, und, wie nebenan zu lesen ist, mittels eindrucksvoller Brände. Neu im „Brennenden Dutzend“ ist Georg Hiebl, der es auf Anhieb(l) beinahe zum Meisterbrenner schaffte – keines seiner 15 eingereichten Produkte bekam unter 85 Punkte! Starke Auftritte hatten außerdem Thomas Schmidl und Michael und Brigitte Weutz, die beide erst vergangenes Jahr von sich reden machten und diese Form nun bestätigt haben. Von den Newcomern knapp, aber doch verdrängt wurde die Brennerei Pirker aus Mariazell.

Dem Schlechten an unserem Ranking wollen wir auch etwas Platz einräumen. Es beginnt mit der strittigen Arithmetik der Gerechtigkeit und endet mit der Unvollständigkeit. Weil es bekanntlich nicht leicht ist, es allen recht zu machen, haben wir uns auf eine Formel geeinigt: Ins Ranking gelangt daher nur, wer zumindest sechs Proben zur Verkostung eingereicht hat, und nur die Punkte dieser Destillate werden zur Errechnung herangezogen. Zudem gibt es in Österreich eine Hand voll namhafter Brenner, die heuer nicht teilgenommen haben und daher nicht im Ranking aufscheinen. Und nicht zuletzt ist eine Verkostung, selbst wenn sie absolut verdeckt erfolgt, nur eine Momentaufnahme, denn Brände verändern sich und Gaumen sind nun einmal nur subjektive Messinstrumente. Dennoch glauben wir, dass das neue „Brennende Dutzend“ eine sehr repräsentative, nachvollziehbare und sehr spannende Reihung darstellt.

Das brennende Dutzend

Meisterbrenner 2008: Hans Reisetbauer, Thening (OÖ) 91
2. Georg Hiebl, Stadt Haag (NÖ) 88,5
3. Destillerie Schosser, Buchkirchen (OÖ) 88
4. Privatbrennerei Gebhard Hämmerle, Lustenau (V) 87,7
5. Alois Gölles, Riegersburg (Stmk) 87,3
6. Landgasthof Peilsteinblick – Hans Krenn,
Yspertal (NÖ) 87
7. Stockvogler – Thomas Schmidl, Marz (NÖ) 86,8
8. Markus Wieser, Weißenkirchen (NÖ) 86,4
9. Michael & Brigitte Weutz,
St. Nikolai im Sausal (Stmk) 86,3
10.–12. Achensee’r Edelbrennerei – Franz Kostenzer,
Maurach (T) 86,2
Schnapsbrennerei Bartl Enn, Hinterglemm (S) 86,2
Kurt Lagler, Kukmirn (B) 86,2

Die besten Destillate – Brände über 90 Punkte

94 Riesling Scharzhofberg TBA Trester 2005, Hans Reisetbauer, Thening
93 Traubenkirsche Herzstück 2004, Privatbrennerei Gebhard Hämmerle, Lustenau
92 Elsbeere 2004, Hans Reisetbauer, Thening
91 Bramburus 2005, Pfau, Klagenfurt
91 Tresterbrand Rosenberg Reserve 2006, Hans Reisetbauer, Thening
91 Vogelbeerbrand 2006, Hans Reisetbauer, Thening
91 Weichsel 2005, Destillerie Schosser, Buchkirchen
90 Gelber Muskateller Tresterbrand Tement 2004, Alois Gölles, Riegersburg
90 Weichsel 2005, Destillerie Hiebl, Stadt Haag
90 Rote-Rüben-Brand 2006, Destillerie Hiebl, Stadt Haag
90 Rote und Schwarze Johannisbeere 2006, Lagler, Kukmirn
90 Williamsbrand 2006, Stockvogler, Marz
90 Marillenbrand 2006, Franz Tinnauer, Gamlitz
90 Zwetschkenbrand Reserve 2001, Franz Tinnauer, Gamlitz