Der späte Sieg des Fünfjahres-Plans

In unseren Nachbarländern Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien entwickelt sich eine rege Szene aktiver und selbstbewußter Winzer. Zum Auftakt der A la Carte-Serie eine Erkundungsreise in die Slowakei.

Der späte Sieg des Fünfjahres-Plans

Text von Manfred Klimek Foto: Manfred Klimek
Mitarbeit: Rado Svitana, Sommelier und Slowake, Gasthaus "Floh", Langenlebarn
Um das östlichste Weinbaugebiet der Slowakei zu erreichen, fährt man durch den Norden Ungarns. Auf der Autobahn. Alle machen das so, denn die kleine Parzelle des slowakischen Tokaj erreicht man von Bratislava auf direktem Wege nur über die Bundesstraße. Früher, als die Schlagbäume der Grenze geschlossen blieben, da ging so eine Reise schon mal einen Tag lang, der sich mit vielen Pausen über schlaglochübersäte Landstraßen zog. Nicht wenige trauern dieser langsamen Zeit nach. Vieles war sicher, man hatte Abgeschiedenheit, Alkohol und Ruhe.
Einer, der sicher nicht trauert, ist Jaroslav Macik. Er wird nächstes Jahr dreißig, hat eine Zeit lang in Amerika gelebt und ist nach Tokaj zurückgekehrt, nach Malá T´rna, um in einem ehemaligen staatlichen Weingut, das sein Vater 1995 gekauft hat, Wein zu machen. Wein, wie er ihn sich vorstellt. Auch Wein, um Geld zu verdienen.
Es ist etwas trostlos hier. Das Tokaj wird auf beiden Seiten der Grenze (der viel größere und bekanntere Abschnitt liegt in Ungarn) von den Weiten der ukrainischen Ebene bedrängt, die sich vor den kleinen vulkanischen Hügeln breit macht. Es ist das fahle Licht des Ostens, das ein wenig Süden verspricht, dieses Versprechen doch nur bedingt halten kann. Denn auch im Winter ist hier Osten, wie er als Osten im Buche steht. Kalt, trübe, grau.
Jaroslav Macik steht in seinem größten Weingarten und zeigt die Gegend. Die Gärten sind keine Sensation, sagt er. Und hat recht. Denn hier im Tokaj ist der Keller die Attraktion, das Unsichtbare des Weinbaus. Die Keller sind mitunter über 700 Jahre alt, geschlagen, um sich vor Feinden zu verstecken, um später dann das Kostbare, den Wein, vor Feinden zu verbergen. Der Tokajer galt jedem Eroberer als sinnliche Beute, deswegen durchziehen auch heute noch enge Gänge die Hügel, Gänge, die man nur kriechend benutzen kann.
In Maciks Keller kann man aufrecht stehen. Aber nicht in jedem Raum. Doch in jedem der Räume macht sich der regionstypische Schimmel breit, penetriert mitunter die Atemluft. Er lässt selbst junge Flaschen alt aussehen, ihr Inhalt bleibt davon unberührt. Hier lässt sich das Archaische des Weinbaus noch fühlen, die Romantik vorindustrieller Zeiten, das Handgemachte, Fußgestampfte. Aber auch das Unsaubere, das Brachiale, das man heute nicht mehr akzeptieren würde. In dieser Kulisse lagert Macik seine Kelterungen in Fass und Flasche. Und hierher führt er seine Gäste zur Verkostung. Die Stahltanks und die neuen Barriques zeigt er nur auf Anfrage. Doch dann, außerhalb des Kellers, sieht man auch die Großgebinde aus Plastik, an Ölkanister erinnernd, die Macik an die umgebende Gastronomie liefert, liefern muss, denn noch kann er auf den regionalen, meist anspruchslosen Markt schlecht verzichten. In dieser Zwickmühle steckten einst auch die österreichischen Winzer.
Jaro Macik, man darf seinen Vornamen salopp abkürzen, weiß nichts vom österreichischen Aufbruch vor über zwanzig Jahren. Er hat vom Weinskandal nur einmal etwas gehört und das Weinland Österreich interessiert ihn nicht die Bohne. Mit seiner in Amerika antrainierten Freundlichkeit würde er dies freilich nie sagen, schon gar nicht dem österreichischen Gast. Was er aber sagt, ist, dass seine Orientierung weiter nach Westen geht, in die angestammten Länder des europäischen Winzertums bis hin in die Neue Welt. Macik holt sich Hilfe von der Firma Eno-France, deren junger Mitarbeiter jetzt in einer North-Face-Jacke frierend vom Furmint kostet und von neuen kombinierenden Zuchthefen berichtet. Macik holt Grafiker, die sich an amerikanischen und italienischen Etiketten moderner Machart orientieren. Und er nennt seinen Betrieb "Macik Winery", eine Überhebung, die die große Vision erklärt, die Jaro Macik im Kopf trägt. Dafür ist er bereit, früh aufzustehen, hart zu schuften und viele tausend Kilometer zu fahren. Täglich, monatlich. Über Jahre.
Wenn Macik die designten Keller einiger burgenländischer Winzer sehen könnte, die diese mit der gleichen europäischen Förderung ins Feld gestellt haben, die nun auch er bezieht, dann würde seine Vision noch konkreter ausfallen. Macik jedoch weiß nichts von dem, was 400 Kilometer weiter westlich möglich wurde. Das ist seltsam, jedoch ein Schaden beider Nationen. Man kennt sich. Aber nicht näher. Auch Österreicher verirren sich selten hierher. Eigentlich nie.
Im Keller entkorkt Macik die Flaschen, die er aus acht Hektar eigener Fläche und Zukäufen keltert. Auf Wunsch auch die einfachen Weine, die stets ein gutes Bild abgeben, wie sich der Winzer einer Gesamtstrategie verpflichtet fühlt. Die Furmint Spätlese 2006 ist dann so ein modernes Getränk, das dank kontemporären Designs in den Szenerestaurants Bratislavas und Prags gut Platz findet. Ein mineralischer Wein ohne Restsüße, zurzeit noch mit Hefe von der Mosel vergoren. Deswegen schmeckt er auch nach Riesling, eine nicht unangenehme Groteske. Die autochthone Sorte Lipovina ist elegant oxidiert und trägt das Salz des Bodens in das Glas, eine Type der Region. Für Macik hat sich der Wein aber zu schnell entwickelt, er ist enttäuscht. Der Eno-France-Mitarbeiter empfiehlt Gegenmaßnahmen; Macik ist – ganz Amerikaner – an schnellen Lösungen interessiert.
Die Sprache kippt ins Blumige, wenn der Winzer über seine Süßweine berichtet, über die klassischen Tokajer, die er mit dem "Samarod" betritt und mit dem "Sechsbüttigen" verlässt. Beide Enden der Fahnenstange sind ausgeprägte Bringer. Der Samarod 1996 glänzt mit einer präsenten, aber gut verdauten Säure und einer Eleganz, die vorzüglich im komplexen Körper eingebaut ist. Der Sechsbüttige (6 Azu), ebenfalls aus 1996, erinnert an Eukalyptus und Minze und zeigt erste Spuren von Petrol.
Maciks Tokaj Forditas, bei dem die Zibeben ein zweites Mal im Jungwein vergoren werden, bleibt hingegen auch nach dem dritten Schluck sehr eigenwillig, schmeckt brutal nach der sonst so perfekt verarbeiteten Botrytis, auch nach feuchtem Brot, und hinterlässt so einen etwas plumpen Eindruck. Derart schmeckt es aber den Einheimischen, sagt Macik und meint mit Einheimischen die Slowaken und Tschechen, die einst eine gemeinsame Heimat hatten. Und die kaufen 90% seiner Flaschen. Der Rest landet in Ungarn. Alles Europa.
Nur ein paar Schritte nach Westen liegt das zweite bedeutende Weingut der Gegend, quasi der Zwilling der Macik Winery, das Gut von Jarka und Jaroslav Ostrozovic. Hier ist viel Gleiches und viel Gegenteiliges geschehen. Jaroslav Ostrozovic, ein gelernter Önologe, hat das Management des Betriebs zu seiner Aufgabe erklärt und die gestaltende Arbeit an
Josef Zlatnicky abgegeben, der für die Weine verantwortlich zeichnet.
Bei Ostrozovic setzt man auf einen romantisch gestochenen Keller, der viele Jahrhunderte alt scheint, jedoch nur Jahre überdauern musste. Die Patina brachte der Schimmel binnen Monaten. Man hat einen traditionellen Verkostungsraum bauen lassen, viel Holz, wenig Stahl, kaum Design, wie es in dieser Gegend üblich ist. Und man hat Etiketten entwerfen lassen, die in Österreich mit dem Prädikat scheußlich davonkommen könnten. Gäbe es noch Hässlicheres.
40 Hektar Eigenbesitz, 40 Hektar Zukauf und 20 Angestellte machen Ostrozovic zu einem großen Winzer. Doch im slowakischen Tokaj gibt es gerade mal acht Betriebe, die in Flaschen füllen. Lächerlich wenig, wenn man über die Grenze nach Ungarn schaut. Das macht Ostrozovics Größe wieder relativ. Der so lieblos vertretenen Professionalität dieses Betriebes stellen sich ordentliche Weine entgegen, etwa die Furmint Auslese 2006, in Holzfässern ohne Toasting und Luftzufuhr vergoren. Oder der Muskateller aus dem gleichen Jahr, schon im September gelesen, halbtrocken, mit einer angenehmen Säure. Dann folgt die erste original slowakische Traube, der Devin, eine Kreuzung aus Rotem Traminer und Rotweißem Veltliner, bei Ostrozovic zu einem Faserschmeichler vergoren, mit 5% Alkohol und einem Anteil von 30% Trockenbeeren. Die Trauben stammen allesamt aus Zukauf aus anderen Regionen der Ostslowakei, wo kleine Winzer unter Anleitung von Zlatnicky die Beeren betreuen. Einzigartig – und den Kreationen des Nachbarn um einiges überlegen – ist der Tokaj-Strohwein aus dem Jahre 2006, der aus den klassischen Sorten Furmint und Lipovina, jedoch ohne Muskateller komponiert wird. 236 g Restzucker und 9,5 Säure lassen eine Fruchtkonfitüre zurück, die man in dieser Art in Südfrankreich vermuten würde. Der Sechsbüttige von 1999 ist ein hoch eleganter Wein mit zartbitteren Kräutertönen. Und selbst der einfachste Tokajer, die Cuveé 2005 Auslese, verblüfft mit einer Eleganz, die man auch in Ungarn selten zu schmecken bekommt. 18 Tage im Barrique reichen, dem Wein eine internationale Note zu geben. Schade nur, dass die Kelterungen von Ostrozovic den Weg nach Österreich kaum finden, denn das Weingut setzt mehr noch als die Macik Winery auf den Verkauf im eigenen Lande und den Export in die Tschechische Republik. Ein bisschen Russland, sagt der Önologe, kommt neuerdings auch hinzu. Dort steht das schreckliche Etikett dem ökonomischen Erfolg auch keineswegs im Wege.
Die östliche Weinbauregion der Slowakei ist von jener im Westen durch ein Hügelland getrennt. Industrie prägt die Mitte. Und der Aufbruch, den neue Arbeitgeber in das Niedrigsteuerland tragen. Schien die Slowakei noch Mitte der 1990er Jahre eine ähnlich besorgniserregende Entwicklung zu nehmen wie Weißrussland oder Georgien, so ist sie heute so etwas wie ein Tigerstaat unter Schwellenländern, mitunter dramatisch besser entwickelt als der Nachbar Ungarn. Das merkt man auch in der Region um das Donauknie, im Südwesten. Budapest ist nur eine Autostunde weit weg, das herrschaftliche Estergom thront auf der ungarischen Seite der Donau. Und am Ende dieser wachauähnlichen Landschaft, dort, wo es flacher wird, wächst auch Wein.
Über seine Verwandtschaft hat auch der deutsche Spitzenwinzer Egon Müller hier eine Produktionsfläche gefunden, das Château Béla, der Weinbaubetrieb eines perfekt renovierten Schlosses, das diesen Sommer zu einem 5-Stern-Hotel umgewidmet wird. Hier ist sichtbar viel Geld geflossen. Müller hat einen eigenwilligen Mann verpflichtet, Miroslav Petrech, Önologe und Traubenlieferant zugleich. Petrech hat 1968 in Österreich gearbeitet, in Krems und in der Wachau. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings ist er in die Tschechoslowakei zurückgekehrt, die seine Fähigkeiten lange Jahre in einem staatlichen Weingut vergammeln ließ. Nach dem Fall des Kommunismus erwarb Petrech dutzende Hektar Weingarten in Belá, Musla und Umgebung. Die meisten Trauben dieser Anlagen, vor allem die des Rieslings, verkauft er Egon Müller. Und macht ihm den Wein. Eine kuriose Symbiose.
Müller lässt Petrech freie Hand. Und der fertigt selbstredend einen Riesling, wie Müller sich einen Riesling vorstellt. Einen perfekten Wein wie von der Mosel. Ein Match zwischen Süße und Säure. Petrechs Umgangsformen sind, gelinde gesagt, hemdsärmelig. Er flegelt herum und pfeift die Leute zu sich wie ein Bierkutscher seine Gäule. Er hält sich nicht viel mit Umgangsformen auf. Das macht den Mittsechziger authentisch cool, ein Clint Eastwood des Weinbaus. Wenn man erkennt, wie genial er ist – und davon ist er freilich überzeugt –, wird er fast ein sanftes Lamm, ein pflegeleichter Begleiter durch seine und Egon Müllers Welt.
Château Béla wurde berühmt, weil Robert Parker eine Flasche 2001er trank und begeistert 94 Punkte vergab. Damit war man von Beginn an auf dem Weltmarkt vertreten, der Béla geht heute fast zu 100% in den Export. Er sollte nie der Stolz der slowakischen Nation sein, dazu denken die beiden Macher zu sehr in ökonomischen Kriterien. Château Béla ist ein Fremdkörper im slowakischen Weinbau.
Im alten Keller stehen viele moderne Edelstahltanks, Doppelmantel neuester Bauart. Petrech köpft nacheinander alle verfügbaren Jahrgänge, die 2005er Auslese etwa, 60 g Zucker und 9,5 Säure, die 2006er Trockenbeere mit 11% Alkohol. Beide stark jahrgangsbetonte und herrliche Rieslinge für einen breiten internationalen Qualitätsmarkt. Dann öffnet Petrech eine der letzten verfügbaren Flaschen der Legende von 2001. Er ist sichtbar stolz auf diesen Kraftausdruck von Wein, diese Trockenbeerenauslese mit 110 g Zucker, die erst durch einen Säurewert von 9,8 zum Trinkvergnügen gerät. Schon merkt man erste Spuren von Petrol.
Und dann die Überraschung der Verkostung: ein Eiswein vom Grünen Veltliner, Jahrgang 2006, gelesen im Jänner 2007, 220 g Zucker, 8,6 Säure, eine Bombe, eine Wucht.
Trotz seiner ausgesprochenen und gelebten Liebe zu allen edelsüßen Kreationen versucht Petrech zunehmend trockene Weine zu keltern, denn trocken verkauft sich besser. Er kennt jeden Stock in den Weinbergen, er ist über die Jahre knorrig geworden wie sie. Jetzt, am Ende seiner Karriere, hat sich Petrech noch mal aufgerafft, den Ruhm zu holen, der ihm immer schon zustand: Der Slowakei bester und berühmtester Kellermeister zu sein. Egon Müller sei Dank, Petrech wird auch seinen Siebziger im Weingarten verbringen. Kein Pensionsschock.
Wenige Kilometer nördlich sind sie Petrech auf der Spur. Sie, das sind Tibor Melecky und Zsolt Sütö, junge Angehörige der ungarischen Minderheit und die garantiert einzigen Garagenwinzer internationalen Formats in der Slowakei. Sie leben in Strekov, einem kleinen Dorf südöstlich von Bratislava. Beide sind Quereinsteiger aus Elektrik und Mechanik, die den Boden ihrer Väter neu bebauen. Sie arbeiten in Strekov 1075 und so heißt auch ihr Weingut, cool und selbstbewusst wie eine Werbeagentur. Strekov 1075 ist ein mittelgroßes Haus mit großem Dachboden und betoniertem Keller. Nichts hier trägt Design, alles ist improvisiert und nur dem Nötigsten verpflichtet. Es rührt an, wenn man sieht, wie sich die beiden mit Energie in ihre neue Karriere stürzen. Und man freut sich mit ihnen, wenn man die Ergebnisse kosten darf, die den professionellen Popanz anderer Erzeuger in den Schatten stellen. Alle Weine von Strekov 1075 sind außergewöhnlich, einige einzigartig. Wer Unbekanntes auf hohem Niveau sucht, wird hier fündig werden.
Melecky und Sütö haben, so handgezimmert ihr Weingut auch wirken mag, klare Vorstellungen von Qualität und Ethik. Dazu gehört die spontane Vergärung, der Verzicht auf Enzyme, auch der spontane Säureabbau. Sie führen den Besucher durch einen umgepflügten Weingarten, der dieses Jahr neu ausgepflanzt wird. Sie bücken sich und wühlen im lehmigen Boden auf der Suche nach Muschelkalk. Tatsächlich kann Melecky ein komplett erhaltenes Gehäuse einer Meeresschnecke bergen. Millionen Jahre alt. Das mag geringe Auswirkungen auf die Weine haben, es hat aber große Auswirkungen auf die Art, wie die Weine gemacht werden. Hier entsteht eine moderne Bodenständigkeit, fern jeder Ideologie.
Zurück auf dem Dachboden wird grauer Gummikäse auf Teller geschnitten, die ideale Begleitung für eine Verkostung, fast geschmacklos. Der Welschriesling 2006 trägt die Formel "sur lie", das klingt besser als "auf der Hefe gelagert". Das wurde er. Und zwar neun Monate lang. Deswegen schmeckt er auch nach keinem vergleichbaren Welschriesling österreichischer Provenienz. Die beiden Winzer lassen sich viel Zeit, ihre Weine auf den Markt zu bringen. Diese Spätlese wird erst im Frühjahr ausgeliefert. Langer Atem.
Dann die Cuvée von Welschriesling und Grünem Veltliner. Viel Wein aus alten Fässern, wenig aus dem Stahltank. Ein fettes Getränk mit einer geringen, sehr schön eingebundenen Restsüße und – wie immer – hoher konternder Säure. Ein extrem vielschichtiger, mineralischer Wein.
Was noch? Achthundert Flaschen. Na dann.
Der Alibernet ist kein slowakischer Badezimmerschrank, sondern eine Kreuzung aus Alicante Bouchet und Cabernet Sauvignon. Er kommt aus Odessa und ist ein Erbe der Sowjetunion. Daher weht der Wind, der die vielen, oft absurden Kreuzungen hervorbrachte: Die kommunistische Planwirtschaft verlangte in so genannten "5-Jahres-Plänen" immer neue Kreuzungen, die gegen Schädlinge resistent sein sollten. Neben Unbrauchbarem entstand so manch Einzigartiges. Ein spät erkanntes Nebenprodukt des Kommunismus, das die Slowaken da in ihrem Reservoir bereithalten.
Der Alibernet von Strekov 1075 wird in zigmal gebrauchten Barriques ausgebaut und ist tiefdunkel wie Tinte. Eine Aufgabe für Fleckenlöser. Er duftet nach Kirsche und führt strenge Tannine vor. Der Dunaj, die sehr botrytisanfällige letzte Züchtung des Kommunismus (Muskat Bouchet, Oporto und St. Laurent), wird 2007 als Trockenbeerenauslese verbucht. Ein unglaublich dichter Wein, eine Essenz aus Erde, Hanf, Zwetschke und Kirsche. Ein kleines Wunder, endgefertigt in einem Keller eines ehemaligen Einfamilienhauses am Rande eines Dorfes. Besser kann man Aufbruch, Innovation und Freude an der Kreation nicht darstellen. Ach ja: 400 Flaschen wird es geben.
Trotz Sortenübereinstimmung und geografischer Nähe findet der österreichische Weinbau in Strekov keine Beachtung. An der Wand stehen aufgereiht jene Flaschen, die Melecky und Sütö beeindruckt haben. Einige kleine französische Güter, etwas aus Slowenien, etwas aus dem Friaul. Kein Österreicher. So nah, so fern.
Unweit von Bratislava liegt Pezinok, eine Kleinstadt an den kleinen Karpaten, dort, wo der slowakische Präsident sein Haus hat. Es dämmert schon, als der Kellermeister von Janousek & Fischer die Lagerhalle aufsperrt. Eine Industriegegend, hässlich hoch zehn. In der Betonhalle stehen fette Stahltanks aus Italien, in denen die beiden Geschäftspartner den Saft
aus zugekauften Trauben verarbeiten. Improvisation ist hier der Tagesbefehl. Und alles ist meilenweit weg von dem edel gestalteten Leben vieler österreichischer oder italienischer Winzer. Doch die Weine von Janousek und Fischer sprechen Bände über den Fortschritt der Veränderung. Jeder Wein, Zweigelt, Alibernet, Chardonnay, Veltliner oder Riesling, ist extrem sauber und sortentypisch ausgebaut. Hier wird nicht gefeilt und nach der Nische gesucht wie bei Strekov 1075, hier bietet ein Unternehmer erstklassige Ware an.
Nationalstolz spielt keine Rolle. Doch entsteht jene Mitte, die ein Weinland als Basis für Elaboriertes braucht. Österreich hat diese Mitte 1985 verloren und sie erst durch Spitzen wieder aufgebaut. Die Slowakei geht den Weg des gemeinsamen Vorankommens. Diesen Weg geht jeder für sich. Dass man sich gegenseitig erkennt, wird noch Jahre dauern. Inzwischen tobt das Abenteuer nur im Kopf. Das viele Interessante, das diesen Köpfen entspringt, macht wundern.
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