Der Zauberberg

Seit je her wussten die Weinbauern um die besonderen Qualitäten des

Der Zauberberg

Eisenbergs. Aber nur wenige machten sich die Mühe, auf den steilen Hängen Wein anzupflanzen. Der Aufwand schien zu groß. Drei ungewöhnliche Winzer stellten sich der Herausforderung.
Text von Christina Fieber Foto: Michael Reidinger
Es ist ein idyllischer Flecken Erde. Die Weizenfelder wiegen im Wind. Es riecht nach Wiesenkräutern und frisch geschnittenem Heu. Nur ein paar schmale Landstraßen führen von Dorf zu Dorf, vorbei an unzähligen Weingärten. Autos tauchen nur vereinzelt auf. Kaum jemand scheint sich in diese Gegend mit den schmucken alten Häusern zu verirren.
Eigentlich seltsam, lockt die Region zwischen Großpetersdorf und Deutsch-Schützen im südlichen Burgenland nicht nur mit bizarr schöner Landschaft; es wächst auch ziemlich guter Wein. Die Besten kommen vom Eisenberg. 415 Meter ist er hoch, für burgenländische Verhältnisse geradezu alpine Dimensionen. Südöstlich fallen die Hänge steil in die Ebene und bilden einen Kessel, der die Weinberge vor kalten Nordwinden schützt und ihnen viel Sonne bietet. Zum warmen pannonischen Klima kommen kühlere und feuchtere Wettereinflüsse vom oststeirischen Hügelland. Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sind höher als im restlichen Burgenland. Erst die kühlen Nächte erlauben es den Trauben ihre Säure konstant zu halten. Sie können länger reifen, mehr erleben. Das macht die Weine ausdrucksstärker.
Doch der eigentliche Clou vom Eisenberg ist der Boden. Der hohe Anteil an Eisen macht die Schiefer- und Lehmböden so besonders. In den Weinen ist eine intensive Mineralik spürbar. Vor allem der Blaufränkisch transportiert die Bodenbeschaffenheit optimal; die Weine schmecken tatsächlich nach Eisen. Kaum eine andere Lage bringt derart elegante Blaufränkisch hervor. Traditionell wurde am Eisenberg allerdings Weißwein angebaut. Die Mönche, in deren Besitz die Weingärten waren, pflanzten vor allem Furmint, der weit über die Grenzen des Landes begehrt war. Erst nach der Reblauskrise wurde Blaufränkisch ausgesetzt. Die meisten Weingärten aber verwahrlosten oder wurden gerodet. „Zu steinig, zu steil und zu mühsam“, sei der Eisenberg. Die meisten Winzer waren Nebenerwerbsbauern und hatten nicht die Muße sich auf derart aufwendige Manöver einzulassen.
Offensichtlich brauchte es erst einen Quereinsteiger: Uwe Schiefer, damals Sommelier in renommierten Restaurants, reizte die schwierige Lage. Er war schon damals ein Querdenker und Qualitätsfanatiker. Schiefer, gebürtiger Südburgenländer erkannte das Potential des Eisenbergs, schmiss seinen Job in Wien und wurde Weinmacher. Am Anfang produzierte er nur einige hundert Flaschen. Nach und nach kaufte der Neueinsteiger die Filetstücke vom Eisenberg: Szapary, Reihburg, sind heute Kultlagen und kaum mehr zu bezahlen. Mit der ihm eigenen Unnachgiebigkeit gelangen ihm Blaufränkische, die völlig neue Dimensionen setzten. Weine von einer beinahe dogmatischen Geradlinigkeit und Puristik. Nie zuvor zeigten Blaufränkische eine derart gnadenlose Mineralik. Die internationale Fachpresse war hingerissen von dem diskreten Charme seiner Weine.
Aber Uwe Schiefer lässt nicht locker. Nach und nach eliminiert er alle Barriquefässer aus dem Keller und verzichtet auf Technologien, die den ursprünglichen Ausdruck der Weine verzerren könnten. Nach fast 20 Jahren brennt er immer noch vor Leidenschaft und Tatendrang. Seit 2005 baut er Blaufränkischen von der ungarischen Seite des Eisenbergs an. Unter dem Namen Pala, was soviel heißt wie „Schiefer“, produzierte er charakterstarke Weine, die angreifen. Ein Hauch von Chili schwingt da mit und nuanciert die zarte Himbeerfrucht.
Der Jahrgang 2009 zeigt erneut die Klasse von Uwe Schiefer: Der klassische Blaufränkische kommt aus 15 verschiedenen Parzellen am Eisenberg und hat schon alles was ein großer Wein haben muss. Pure, dunkle Frucht, vielschichtig und unendlich lang. Blaufränkisch Szapary und Reihburg 2009 geben dann richtig Gas. Beide von den gleichnamigen „Grand Cru“ Einzellagen mit besonders hohem Schieferanteil. Szapary ist der angriffigere von beiden. Beißende Mineralität, salzig und wurzelig. Zestenschalen und wilde Sauerkirschen. Ein schwindelerregendes Spiel am Gaumen. Von atemberaubender Schönheit. Reihburg schmeckt als wäre er die Uridee von Blaufränkisch. Verführerisch tänzelnd, feingliedrig, zart, umwerfend. Tiefschwarze, kühle Frucht und blutiges Fleisch. Nicht von dieser Welt.
Reinhold Krutzler hat mit seinen Weinen einen etwas anderen Weg eingeschlagen. Sein Vater hat schon vor 30 Jahren Trauben vom Eisenberg zugekauft. Er war sicher ein Pionier in Sachen Qualität. Mit ihrem Perwolff, einer Cuvée aus Blaufränkisch und einem Schuss Merlot oder Cabernet, sorgten Krutzler und seine Söhne für Furore. In einer Zeit, als fast überall im Land opulente Rotweine getrunken wurden, brachten die Krutzlers finessenreiche Blaufränkische auf den Markt.
Heute setzt man nicht mehr auf Einzellagen, sondern füllt Blaufränkische aus verschiedenen Weingärten vom Eisenberg und Deutsch Schützen ab, um der enormen Nachfrage gerecht zu werden. Alle drei Blaufränkisch zeichnen sich durch Eleganz und Geschmeidigkeit aus. Eine feine Mineralik durchzieht die Weine, bleibt aber diskret im Hintergrund. Es geht weniger um spezifischen Ausdruck der Lage, als um eine kontinuierliche Stilistik. Reinhold Krutzler setzt auf seidige Textur und feine Frucht. Am Eisenberg hat er jetzt Merlot ausgesetzt, der auch reinsortig abgefüllt wird und durch besondere Saftigkeit erfreut.
So ganz lässt das Thema Terroir die Krutzlers aber nicht los, und so soll von der ungarischen Eisenberg-Seite nächstes Jahr auch ein Blaufränkisch erscheinen. Die Böden weisen besonders viel Schiefer und Quarz auf und das ist deutlich spürbar. Vom Jahrgang 2008 gibt es nur eine Probeabfüllung, die nicht in den Verkauf kommt. Ein Wein von faszinierender Lebendigkeit heftiger Mineralik. Im gebrauchten 500-l-Fass ausgebaut, lässt Krutzler ihm sein ungestümes Temperament. Großer Wein. Einziger Wermutstropfen: Es gibt ihn eigentlich gar nicht.
Was aber macht die magische Anziehungskraft des Eisenbergs aus, der auch blutjunge Winzer verfallen sind. Wahrscheinlich sind es gerade die schwierigen Bedingungen, die die ganze Persönlichkeit des Winzers erfordern, ist Christoph Wachter-Wiesler überzeugt. 2008 ist er mit knapp 20 Jahren in den Traditionsbetrieb eingestiegen und seit der Ernte 2009 alleine für die Weine verantwortlich.
Der Jungwinzer schlägt einen radikal anderen Weg ein. Wie Uwe Schiefer geht er dabei kompromisslos ans Werk, befreit seine Weine von Gefälligkeit und Firlefanz. Vielleicht weniger wild als Schiefer, aber ebenso leidenschaftlich. Er will charakterstarke Blaufränkische, die ihre Herkunft zeigen. Am Eisenberg hat er bereits vier Hektar, die sein Herzblut sind. Im Herbst letzten Jahres präsentierte Christoph Wachter seinen Blaufränkisch „Feine Töne“ aus zwei Rieden vom Eisenberg.
Der Jungwinzer hat peinlichst darauf geachtet, dass keine Technologie im Keller den Ausdruck dieses Ausnahmeweines verfälscht. Im offenen Holzbottich vergoren, kommt er danach ins große Holz, das ist alles. Das Ergebnis sind feine Töne, allerfeinste Töne, genau genommen.
Es hat sich schnell herumgesprochen, dass hier ein neuer Stern am Weinhimmel aufgetaucht ist. Ein Stern der besonders hell über dem Zauberberg strahlt.