Der Zweigelt kann was 2011/4)

Derzeit sind in Sachen österreichischer Rotwein aus heimischen Sorten wohl die meisten Augen auf den Blaufränker gerichtet. Allerdings sollte man auf den Zweigelt nicht vergessen – in den richtigen Händen kann er zu großer Form auflaufen.

Der Zweigelt kann was

Text: Michael Prónay

Der Zweigelt ist eine österreichische Neuzüchtung aus den frühen 1920er Jahren, die auf Fritz Zweigelt, damals Leiter der Abteilung Rebzüchtung der Weinbauschule Klosterneuburg, zurückgeht. Die Elternsorten sind die beiden ebenfalls autochthonen Sorten Blaufränkisch und St. Laurent. Die Karriere der Sorte startete allerdings erst so wirklich in den 1950er Jahren, als Lenz Moser III. – der berühmteste dieses Namens – ihre gute Eignung für die von ihm ganz besonders propagierte Hochkultur erkannte. Lenz Moser war es übrigens auch, der sich erfolgreich dafür eingesetzt hat, die Rebsorte nach ihrem Züchter zu benennen, davor war sie unter ihrem (auch heute noch gelegentlich verwendeten) Synonym Rotburger bekannt: rot wegen der Weinfarbe, burger als Hinweis auf eine Klosterneuburger Züchtung.

Der Zweigelt ist eine früh reifende Sorte, kaum frost-, aber gelegentlich blüteempfindlich. Als Sorte, die auf ganz beträchtliche Erträge kommen kann, wenn man es darauf anlegt – der Begriff Massenträger drängt sich auf –, gab es in der Vergangenheit doch viele Weine, die kaum etwas mit feinem Rotwein, wie wir ihn heute kennen, zu tun hatten. Reduziert man allerdings die Erträge auf ein vernünftiges Maß, schaut auf den richtigen Lesezeitpunkt und die richtige kellertechnische Behandlung, dann kann der Zweigelt wesentlich mehr, als einen jung zu trinkenden, preiswert-kirschfruchtigen Einsteigerwein zu liefern – wie es unsere Verkostung ja auch eindeutig belegt hat.

Noch gegen Ende der 1970er Jahre gab es – bei einer seither etwa gleich gebliebenen Gesamtanbaufläche von 50.000ha – erst 2.000ha Zweigelt-Weingärten; heute hat sich die Anbaufläche auf knapp 6.500ha erweitert. Davon stehen knappe 3.500ha in Niederösterreich. Der Zweigelt ist in fast allen niederösterreichischen Weinbaugebieten anbauflächenmäßig die bedeutendste rote Sorte; die Ausnahme ist die Thermenregion, in der der Blaue Portugieser die Nase vorne hat. Im Weinviertel, dem mit Abstand größten Weinbaugebiet, steht mit 1.700ha knapp die Hälfte des blaugelben Zweigelt.

Die besten Weine unserer Probe darf man ohne die geringste Übertreibung tatsächlich als groß bezeichnen: Da sind Weinigkeit, Komplexität, Struktur und beträchtliches Lagerpotenzial vorhanden. Aber auch die freundlichzugänglichen, jetzt mit dem größten Vergnügen zu trinkenden Weine haben ihren Charme, der sie sowohl zu freundlichen Essensbegleitern als auch zu genüsslichen Solisten macht.

Wie wir die Probe organisiert haben: Das Österreich-Weinmarketing (ÖWM) kontaktierte jene 29 Winzer, die im derzeitigen Weinsalon mit den höchstbewerteten niederösterreichischen Zweigeltweinen – sowohl der Klassik- wie der Reserve-Kategorie – vertreten sind und bat um den entsprechenden Wein. 24 Weine sind es geworden, davon kamen je acht aus Carnuntum (CA) und dem Weinviertel (WV), drei aus der Thermenregion (TH), je zwei aus dem Kamptal (KA) und vom Wagram (WG) sowie einer aus dem Kremstal (KR). Das Herkunftsgebiet steht zu Beginn jeder Kostnotiz. Verkostet wurden die Weine blind, nach aufsteigendem Alkoholgehalt gereiht. (Zwei Korkfehler bei neun naturverkorkten Flaschen bedeuten übrigens einen Fehleranteil von über 22  %.) Die Degustatoren: Sandra Büchler, Dietmar Bruckner und der Autor. Meiner Frau Catrina sei für die perfekte Logistik herzlich gedankt.

Zweigelt aus Niederösterreich

Familie Pitnauer, Göttlesbrunn 93
2009 Bienenfresser Ried Bärnreiser, 14%, NK
(CA) 1. Flasche klarer Kork. Ein wenig morbid wirkende, zart säuerliche Frucht, geht aber mit Luft sehr fein auf, feine Sandelholzwürze, Orangenzesten, Jasmin; markant, feine Frucht, wirkt fast südfranzösisch (Grenache), anspruchsvoll, komplex, stoffig, dabei wirklich elegant.

Johann Schwertführer, Sooß 93
2008 Waasn, 14,2%, NK
(TH) Sehr jugendliche Frucht, die Säure deutet sich an, Ribisel und zart tintig, Granatapfel, Zuckermelone, komplex, geht immer mehr auf, Kürbis und Schoko; wunderschön feine, komplexe Frucht, ganz hervorragender Stoff, tolle Länge.

Alois Taferner, Bruck/L. 93
2009 Rubin Carnuntum, 14,1%, DI
(CA) Dichte Schokonoten, Rum-Pflaumen, Nougat, wunderschöner Tiefgang, Heidelbeeren und Hollerkoch, Zimt, Lebkuchen; ein richtiger Charmeur, herrlich saftig, passende Säure, der Alkohol schiebt ein wenig an, dennoch toller Stoff.

Heurigenweingut Frühwirth, Teesdorf 92
2008 Zweigelt Reserve, 14,2%, DV
(TH) Wunderbar klassische Nase, Teer, Tabak, schwarzer Tee, Lorbeerlaub, ein Gewürzbündel (viel Thymian), zarte Vanille, Kakao und Kaffee; straff und streng, hintendrein schöne Fruchtsüße und feiner Schmelz, Zukunft auf Jahre gesichert.

Franz & Christine Netzl Göttlesbrunn 92
2009 Zweigelt Haidacker, 14%, NK
(CA) Wunderbar klassische, weinig-dunkelfruchtige Nase, ein Holzschmeichler zum Eingraben; viel Kraft, viel Feuer, dabei aber auch Eleganz, seidige Textur, sehr feiner Stoff, tolle Länge, ganz ausgezeichnet.

Gottschuly Grassl, Höflein 91
2009 Rubin Carnuntum, 13,3%, DV
(CA) Feine Süße, Cremeschokolade (Lindt), Himbeeren und Kirschen, feine Würze, deutet Kraft an; freundliche helle und dunkle Beeren, gute Säurestruktur, passendes Tannin, gesichertes Potenzial.

Winzerhof Mittermayer Martinsdorf 91
2009 Zweigelt, 13,2%, DV
(WV) Hagebutten, Hibiskus, etwas dunkel-getrocknete Noten, kräftig-feste Würze, erinnert positiv an Rioja; feine Fülle, extraktsüß, kraftvoll, feine Substanz, tolle Länge.

Franz Oppelmayer Göttlesbrunn 91
2009 Rubin Carnuntum, 13,5%, NK
(CA) Feine Dunkelfrucht, Beerenconfit, feine Würzenoten, erinnert an Cabernet franc, frisch geriebener Pfeffer, würzig-ätherisch, etwas harzig; fordernd, gute Gerbstoffe, etwas Milchschoko, Heidelbeeren, weich und trinkfreundlich ausklingend.

Wein- & Obsthof Schneider Großriedenthal 91
2008 Blauer Zweigelt Select, 13,9%, DV
(WG) Fleischig, konzentriert, Bratenfett, dazu auch kraftvolles Toasting, viel dunkle Beerenfrucht; knackige Säure, kraftvolles Tannin, viel Stoff, die Frucht derzeit verhalten, braucht noch Zeit.

Wilhelm Eminger, Niedersulz 90
2009 Zweigelt Klassik, 12,6%, DV
(WV) Ein wenig fordernde Würze, Liebstöckel, Wacholder, Karamell, gebrannte Erdnüsse, auch Trockenfrüchte (Datteln, Feigen), Hagebutten; saftig-säurebetonter Fruchtbiss, guter Stoff, Zukunft.

Heinz Fink, Höbenbach 90
2009 Zweigelt Göttweiger Berg, 12,7%, DV
(KR) Zwetschkenkrampus, Kletzenbrot, Sauerkirschen, sehr klassisch in der Fruchtentwicklung; herzhafter Biss, knackig-straffe Säure, aber mit feinem, würzig-fruchtigem Biss versehen, Potenzial.

Schulz, Dobermannsdorf 90
2009 Zweigelt Selection, 13,8%, DI
(WV) Eigenwillig, deutliches Toasting, Kirschen und deren Kerne; saftig-herzhafte Frucht, fast üppige Süße, kraftvoll und stoffig, vielschichtig, gut gelungen, gesicherte Zukunft.

Stift Klosterneuburg 90
2009 Zweigelt, 12,6%, DV
(TH) Dunkelfruchtig weinig, etwas Teer, Tinte, dunkle Beeren, schöne Dichte; saftig, geschmeidig, schöner Würzebiss, hübsch und wirklich ansprechend.

Leo Jahner, Wildungsmauer 89
2009 Rubin Carnuntum, 14,5%, NK
(CA) Merklich spritig, erinnert an Zwetschken-
Rotwein-Likör, Vanille, Kokosbusserl, ein wenig auf der schwerfälligen Seite; viel Stoff, viel Gerbstoff, die Säure ist da, die Frucht noch versteckt, abwarten.

Marko – Lukas Markowitsch Göttlesbrunn 89
2009 Rubin Carnuntum, 13,4%, NK
(CA) Sehr konzentriert, braucht viel Zeit und Luft, dann solide Dunkelfrucht, Teer, Tabak, Zigarrenkiste, deutliches Toasting, auch etwas metallisch; konzentrierter Biss, deutliches Tannin, säurebetont, noch sehr jung, sehr maskulin, dekantieren!

Hagn, Mailberg 88
2010 Blauer Zweigelt, 12,5%, DV
(WV) Zuerst deutlich gereift wirkend, dann dunkle Frucht, Wildkirsche, fest und kompakt, Amarena; jahrgangstypische kräftige Säure, herzhafter Biss, frisch, gute Länge.

Heiderer-Mayer Großweikersdorf-Baumgarten 88
2009 Zweigelt Bergthal, 13,2%, DV
(WG) Dunkelfrucht mit Senfsaat, Kampfer, wird mit Luft deutlich besser, Tinte, fleischig, etwas laubig; feine Fülle, feine Frucht- und Extraktsüße, knackig, guter Stoff, noch jung, braucht noch ein wenig, Dekantieren zahlt sich aus.

Karl Neustifter, Poysdorf 88
2009 Zweigelt Riede Maxendorf, 12,5%, DV
(WV) Hübsche Zwetschkenrösterfrucht, Dörrpflaumen, gut entwickelt, hübsche Würze, etwas Sandelholz; weich-samtige Textur, etwas pritzelige Frucht, hintendrein ein wenig Gerbstoff, jetzt trinken.

Patzl, Straß-Elsarn 88
2008 Zweigelt Reserve, 13,9%, NK
(KA) 1. Flasche oxidiert und korkig. 2. Flasche weit entwickelt, dezente Fruchtsüße, zarte rote Rüben; hübsch und entgegenkommend, jetzt bald zu trinken.

Weingärtnerei Engelbrecht Etsdorf 87
2009 Zweigelt Exklusiv, 12,5%, DV
(KA) Zarte rote Rüben, auch etwas staubig wirkend, die Frucht ein wenig verhalten, wirkt etwas pritzelig; kraftvoller Säurebiss, knackig, straff, solid.

Leo Jauk, Falkenstein 87
2008 Falkensteiner Rosenberg, 12,8%, NK
(WV) Freundlich entgegenkommend, üppig, Marshmallows, fast ins Üppige gehend, dahinter zart krautig-rübig; sehr eigenwillig, heftige Säure, markanter Gerbstoff, sehr burschikos, braucht Zeit.

Trapl, Stixneusiedl 87
2009 Rubin Carnuntum, 14%, DV
(CA) Sehr eigenwillig gerüchig, braucht viel Luft, Graphit, metallisch-spröde, in der Nase sehr unnahbar; auch am Gaumen spröde, massive Säure, derzeit noch wenig Trinkcharme, ein Wein für Optimisten mit Geduld.

Hofkellerei Fürst Liechtenstein Wilfersdorf 86
2009 Zweigelt Clos Domaine, 12,5%, NK
(WV) Gute Fülle, Tabak, Sandelholz, zart rumtopfig, etwas Kiefernharz, auch Weichseln und Kirschen, etwas Schoko; ein wenig streng, Kirschkerne, zartes CO2, geradlinig, wenn auch eher kurz im Ausklang.

Josef Nekham, Paasdorf 86
2009 Blauer Zweigelt, 12,9%, DV
(WV) Zuerst ein wenig weit entwickelt, dann kommt feine Würze, Hollerröster, auch ein wenig Tomatenmark; merklich apfelige Noten, merklich entwickelt, bald trinken.