Die Champagner-Polizei

Champagner ist nicht nur ein fantastisches Getränk, sondern auch eine überaus wertvolle Marke. Diese zu schützen ist die Aufgabe des „Bureau de Champagne“ – und das geht nicht immer ganz friktionsfrei.

Text von Florian Holzer Foto: Imagno/Austria Archives

Es gibt so Briefe, auf die wartet man nicht unbedingt. Etwa jenen, den ein junger Winzer aus dem Burgenland vorigen November bekam und in dem ihn ein Wiener Anwaltsbüro davon in Kenntnis setzte, dass er auf seiner Homepage gegen die markenrechtliche Schutzbestimmung „Art 118m der VO über die einheitliche GMO sowie gegen das österreichisch-französische Herkunftsabkommen BGBI 1976/196“ verstoßen habe, dass er binnen acht Tagen eine Verzichtserklärung zu unterschreiben habe, andernfalls er bei Wiederholung 5.000 Euro Konventionalstrafe zahlen müsse. Und dass er die angefallenen Anwaltskosten in Höhe von 800 Euro bitte an dieses Konto überweisen möge, Zahlschein beiliegend.

Der Tatbestand: Der Winzer hatte auf seiner Homepage schwärmerisch seinen Rosé-Sekt beschrieben und darauf verwiesen, dass ihm die großen Rosé-Champagner als Inspiration gedient hatten. Darf er nicht. Muss er Strafe zahlen.

„Wir müssen solchen Dingen nachgehen, auch wenn die Dosierung unserer Maßnahmen oft diskussionswürdig erscheint“, ist sich Christian Josephi, Chef des „Bureau de Champagne, Deutschland & Österreich“ mit Sitz in Stuttgart der Tatsache durchaus bewusst, dass er auf diese Art nicht nur Sympathien einfährt. „Produzenten, die wir auf ihre Verstöße hinweisen, haben nicht immer Verständnis, vor allem, wenn man die Marke Champagner benützt, um ein ganz anderes Produkt zu bewerben.“

Aber Verständnis hin oder her – der Name Champagner wirkt nun mal. Und nach Meinung der Champagner-Erzeuger sollte er das ausschließlich für Schaumweine, die in der Champagne erzeugt und unter dem Namen Champagner verkauft werden. Das hat natürlich primär ökonomische Gründe, in der Champagne werden pro Jahr 300 bis 320 Millionen Flaschen Schaumwein produziert, deren hohes Renommee Jahrzehnte-lang erarbeitet wurde, deren Prestige Teil der USP ist und bleiben soll. Aber es gibt auch eine historische Komponente: Der interprofessionelle Dachverband der Champagner-Wirtschaft CIVC (Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne) wurde 1942 während der deutschen Besatzung gegründet, aus der Sorge heraus, die Besatzer können sowohl den Wirtschaftsfaktor als auch die hohe Symbolkraft des Begriffs Champagner missbrauchen. Genau das war den Deutschen übrigens nach dem Ersten Weltkrieg 1919 im Vertrag von Versailles verboten worden, die Furcht vor Revanche in der Champagne daher sicher nicht ganz unbegründet.

In diesem CIVC-Dachverband sind sowohl Champagnerhäuser, Traubenproduzenten, Winzer und die gesamte Zulieferindustrie organisiert, Technik und Forschung machen etwa 50% des Aufwandes aus, erklärt Christian Josephi, Information und Schutz der Bezeichnung sind die weiteren Aufgaben des Komitees. Und genau für diese beiden Punkte gibt es die „Bureaux“, mittlerweile in 15 Ländern, die jüngste Filiale wurde soeben in China gegründet, die Verhandlungen über die Anerkennung der AOC und des Markenschutzes liefen dort auf höchster Ebene zwischen den Landwirtschaftsministern. Christian Josephi erfüllt das mit Stolz, „das zeugt schon von großem Respekt“. Wieviel wirtschaftlicher Druck da dahinter stand und welcher Art der gewesen sein könnte, kann er aber nicht sagen.

Womit jetzt auch China verstärkt im Fokus der Champagnerpolizei stehen wird. Die Art und Weise der Verletzungen des Markenrechts und der Ursprungsbezeichnung, die von den Bureaux de Champagne verfolgt werden, sind jedenfalls vielfältig.

Zuerst einmal Missbrauch des Namens, Teile des Namens oder Champagner-ähnliche Namen und Bezeichnungen – das heißt, Hersteller jedweden Produktes, das nicht Champagner aus der Champagne ist, markenrechtlich aber unter „Champagne“, „Champagner“, Champ“ oder auch „Schampus“ im Register eingetragen wird, bekommen den strengen Brief vom Anwalt. Für die Namen einzelner Produkte treffe das ebenfalls zu, das sei aber nicht so relevant, meint Josephi, weiters ginge es um Verfolgung von der Verwendung des Begriffs in Firmennamen und eben um Ahndung von missbräuchlicher Verwendung des Begriffs Champagner für Wein, Schaumwein oder ähnliche Produkte. Die USA waren diesbezüglich lange Zeit ein Sorgenkind, da das europäische Gesetz der geschützten Ursprungsbezeichnung dort nicht anerkannt wurde und amerikanischer Schaumwein somit ohne Rücksicht auf Verluste als „Champaign“ oder mit sonst einer Bezeichnung etikettiert werden konnte. Weshalb das amerikanische Bureau dort eine etwas andere Strategie verfolgte, nämlich Lobbying und positive Verstärkung, erklärt Josephi, „wir versuchten den Herstellern klar zu machen, dass sie eher davon profitieren würden, eine regionale, amerikanische Identität zu forcieren …“ In der Ukraine und anderen ehemaligen GUS-Staaten sei die Sache auch nicht gerade einfach, riesige Schaumwein-Industrien und keinerlei Anerkennung der AOC-Regelung machen die Sache für die Bureaux schwierig. Aber auch hier kann der deutsche Bureau-Chef von Annäherungen berichten, die sich einstweilen im Kompromiss äußern, für dortigen Sprudel auf die Bezeichnung Champagne in lateinischen Schriftzeichen zu verzichten, auf kyrillisch darf er weiterhin so heißen.

Weitere Punkte der Bureau-Agenda: Verfolgung von Fälschung, das käme aber nicht oft vor, eher schon die missbräuchliche Verwendung des Begriffs für artfremde Produkte, und da hätte er schon so ziemlich alles gehabt, erzählt Christian Josephi: Fußcremes, Shampoos, Zigarettenpapier, Autolacke, „das ist ein klarer Fall von Ruf-Ausbeutung, dagegen gehen wir natürlich vor. Schwierig sei die Sache bei Produkten, denen ein minimaler Prozentsatz Champagner zugesetzt wird, die sich dann aber mit der Prestige-trächtigen Bezeichnung brüsten würden. Champagner-Trüffel sind da ein gutes Beispiel, wobei die Bezeichnung ohnehin Humbug sei, so Josephi, da ja kein Champagner, sondern Marc de Champagne verwendet werde. Ziel sei, dass der Champagner zwar in der Zutatenliste vermerkt werde, nicht aber im Titel des Produktes, „aber da stehen wir erst ganz am Anfang, die diesbezügliche Rechtsprechung ist da noch nicht sehr fortgeschritten“. Das Video eines deutschen Konserven-Giganten, in dem stolz darauf verwiesen wird, dass für eine Million Dosen Champagnerkraut nicht weniger als 15.000 Champagnerkorken ploppen würden – das ergibt 0,011 Liter Champagner pro Dose Sauerkraut –, kann die Bureau-Angestellten also noch länger ärgern.

Ebenfalls verfolgt werde natürlich der werbliche Vergleich, er widerspreche dem Wettbewerbsrecht, und missbräuchliche Verwendung des Begriffs Champagner oder Teilen davon als Domaine-Namen im Internet, „aber das ist eine Hydra, einem abgeschlagenen Kopf wachsen drei neue nach“, übt sich Christian Josephi in desperatem Realismus.
Die Hinweise, denen das Bureau de Champagne nachgehen müsse, seien jedenfalls reichlich. Mit Google-Alert und Internet-Recherche sei heutzutage nahezu jeder Verstoß zu finden, „da sind Dinge sichtbar, die früher als lokales Phänomen höchstwahrscheinlich unbemerkt blieben“. Zusammenarbeit mit Handels- und Markenregistern, offene Augen und Ohren von Champagnerhändlern – „die Arbeit geht uns jedenfalls nicht aus“.

Auch in Österreich nicht: Der junge Winzer aus dem Burgenland bezieht sich auf seiner Homepage mittlerweile auf Prosecco, der heimische Sekt-Marktführer Schlumberger versektet nach der „Méthode traditionelle“ und nicht mehr nach der Champagnermethode und die Brüder Polz lagern ihren großartigen Jahrgangssekt in ihrem Gut Pössnitzberg seit kurzem auch nicht mehr in einer malerischen „Champagnerie“, sondern in einem Sektkeller. „Bei solchen Unternehmen streben wir eine sehr einvernehmliche Lösung an, das ist ein Qualitätsniveau, da will man partnerschaftlich miteinander umgehen“. Erich Polz bestätigt, dass ihm der Wiener Anwalt den Umstand seines Vergehens wirklich sehr freundschaftlich und respektvoll eröffnet habe. Die 800 Euro musste er aber trotzdem zahlen.

Schön langsam spreche sich herum, resümiert Christian Josephi, dass die Marke Champagner nicht nur gut geschützt, sondern auch hart bis drakonisch verteidigt werde, „die Vorsicht steigt“. Und die realistische Einschätzung, bei einem Verstoß gegen die Champagner-Regeln nicht ungeschoren davonzukommen, wahrscheinlich auch. Wenngleich es immer wieder auch Ausnahmen gibt, wie die Schampus-Bar am Karlsplatz. „Die haben auch einen Anwalt konsultiert, aber der war wohl falsch informiert. Nach zweieinhalb Wochen war die Sache jedenfalls geregelt …“