Die Grüne Veltliner?

Machen Frauen feminine Weine und Männer maskuline? Darüber diskutierte der Autor mit sieben Winzerinnen aus dem Weinviertel.

Führende Bio- und biodynamische sowie konven­tionelle Weinbaubetriebe weltweit werden von Frauen geleitet: Lalou Bize-Leroy, Domaine Leflaive, Anne Gros, Domaine du Pegau, Foradori, Corison, Gallo, ­Bodegas Catena, Gaja, Antinori von drei Töchtern – aus internationaler Sicht. In Österreich der Nikolaihof, Geyerhof, Pferschy-Seper, Müller-Grossmann, Taferner, Mazza, Steininger, Schüller, Pfaffl, Kögl Birgit Eichinger, Heidi Schröck, Silvia Heinrich, Schwert-führer(innen), Christina Netzl, – um nur einige zu nennen.

Stellt sich die Frage: Gibt es einen Unterschied zwischen Weinen, die von Frauen und jenen, die von Männern gekeltert werden?

Um dieses Thema zu diskutieren, hat sich der Autor mit sieben namhaften Winzerinnen des Weinviertels getroffen. Die Winzerinnen wurden zudem eingeladen, jeweils zwei Weine ihres Sortiments mitzubringen, die sie entweder als weiblich oder männlich „empfinden“.

Bereits 2004 lautete eine Master of Wine-Aufgabenstellung „Do woman dominate in wine? Discuss …“. Mit der anschließenden Fragestellung, ob und wie stark der Einfluss von Frauen in der Weinwirtschaft ist. „A bua muss her“ – Wünsche wie dieser haben über die letzten 100 Jahre die Weinbaubetriebe gekennzeichnet. Weinwirtschaft ist eine reine Männerdomäne, nach wie vor … oder doch nicht? Durch den Generationswechsel in den letzten zehn ­Jahren übernehmen immer mehr Frauen, also Töchter, die ­elterlichen Weingüter. In den Weinbauschulen variieren die Jahrgänge von ein Drittel Schülerinnen bis hin zu gar 50 % Frauenanteil. Seit 2005 gibt es eigene Mädchen-Pensionate in den Weinbauschulen. Durch die enorme Entwicklung der Technik sind die körperlichen Herausforderungen und ­Anstrengungen auch geringer geworden bzw. lassen sie sich besser einteilen. „Frauen können keinen Stockräumer ­anhängen“ war das Argument einer Teilnehmerin an der eingangs erwähnten Diskussionsrunde zu diesem Thema. „Aber die Frauen haben immer schon in der Vertriebs­struktur und im Export erfolgreich ihren Beitrag am Weingut geleistet. Die meisten Weingüter werden in Wirklichkeit von den Ehefrauen gemanagt“, konterten andere Teilnehmerinnen darauf sofort.

Zurück zu den sieben Winzerinnen und ihren Weinen. Eingangs wurde versucht, Begriffe und Attribute, die in der Weinsprache verwendet werden, in weiblich und männlich zu unterteilen.

Naturverbundenheit, biologische Aspekte, Gesundheitsbewusstsein, Eleganz, Finesse, seidige Struktur waren dabei die meist genannten „weiblichen“ Begriffe.

Technologie, gehaltvoll, Fülle, körperreich sind dem Männlichen zugeordnete Attribute. Viele Begriffe werden von den Frauen aber als neutral oder nicht zuordenbar empfunden. Zudem hat man sehr lange darüber diskutiert, dass „Frauen auch männliche Weine keltern können“ – ohne ­allerdings (in der Frauenrunde) einen Konsens zu erzielen.

Die Mehrheit der Winzerinnen sieht eine „genderneu­trale“ Entwicklung im Weinbau, ohne vorgegebene Rollenbilder. Außer: Die Frau muss – allerdings in allen Berufen – die Herausforderung Job (Leitung des Weinguts) mit der Mutterrolle vereinbaren können. Das wird heute aber als leichter empfunden und die Erziehung „als Frau kann man das …“(Ingrid Groiss) führt zu einer entsprechenden Ausbildung. Einig sind sich alle Diskussionsteilnehmerinnen über die positive Entwicklung der weiblichen Winzerschaft, die sie sehen. Vielleicht ist es aber auch der emphatische Zugang, der Frauen auszeichnet.

Nach einer mehrstündigen Diskussion wurden die Weine gemeinsam verkostet. Dabei wurden diese, über die regio­nalen Unterschiede hinaus, nach der eingangs diskutierten Beschreibung und der emotionalen Wahrnehmung der Winzerinnen im Kontext weiblich/männlich besprochen.

In der Diskussion wurden viele amüsante Vergleiche zu Musikstilen, Musikern, Malern und Bildhauern gezogen, um die etwas „ermüdende“ Weiblich-Männlich-Aufteilung aufzulockern und zu bereichern.

Die Diskussion endete mit der Conclusio, dass Frauen männliche Weine und Männer feminine Weine keltern können. Wichtig sind Nachhaltigkeit, Respekt der Natur gegenüber, Authentizität und der „human impact“ beim Verwenden des Begriffes Terroir.

Elisabeth Rücker

2017 Grüner Veltliner Ried Halblehen (maskulin)
Da der Jahrgang mit Ganztraubenpressung und Vollhefe-Kontaktzeit vinifiziert wurde, merkt die Winzerin an, dass dieses Beispiel für sie femininer ist als ältere Jahrgänge. Die Verkostungsrunde findet mehrheitlich die Begriffe kraftvoll und Finesse, daher sowohl männliche als auch weibliche Attribute.

2016 Chardonnay 5 Elemente (new generation)
Dieser Wein wurde nach längerer Maischestandzeit sehr lange ohne Schwefelzugabe ausgebaut. Die Kosterinnen merkten straff, kernig und harmonisch an.

Katharina Baumgartner

2017 Grüner Veltliner Rosenprinzessin (feminin)
Fruchtig, leicht verspielt, blumig und floral sind die Merkmale, die die Winzerin im Wein wiederfinden will. Der Konsens der anwesenden Winzer­innen und des Autors: saftige, klare Fruchtnoten, lebendige Struktur und das Gesamturteil „verspielt“ – daher war der Anspruch nachvollziehbar.

2017 Grüner Veltliner himmlischer ­Bacchus (genderneutral)
Die Winzerin spricht von einem „Wein für taffe Mädels“. Die Verkosterinnen fanden den Wein gehaltvoll, balanciert und kräftig – also neutral.

Simone Jordan

2017 Grüner Veltliner Alte Reben Weinviertel DAC Reserve (maskulin)
Dieser gehaltvolle Wein stammt von einer knapp 50-jährigen Rebanlage und wird in 600-l-Fässern gekeltert. Die Runde empfand den Wein als gehaltvoll, stoffig und mit großem Potenzial ausgestattet. Diese Kraft und Stoffigkeit wurde mehrheitlich als männlich angesehen.

2015 Zweigelt Exklusiv (maskulin)
Nuanciertes Fruchtspiel, balancierte Textur, leicht wirkender Trinkfluss lang anhaltend und feinfruchtiges Finish führten zu sowohl weiblicher als auch männlicher Charakterisierung.

Ingrid Groiss

2017 Riesling (feminin)
Der Charakter der Rebsorte wird als elegant, frisch und präzise fruchtig interpretiert. Die Verkostungsrunde fand idente Merkmale und Schlussfolgerungen zu diesem Wein.

2017 Riesling Auf der Henne (feminin)
Dieser gehaltvolle Riesling verströmt Steinobstaromen und kandierte Noten. Er ist halbtrocken und wirkt daher eher feminin. Ob Frauen höhere Restzuckergehalte präferieren, brachte bei der Diskussion und Besprechung unterschiedliche Ansichten zutage. Auch Männer mögen mehr Restsüße, war die mehrheitliche Meinung der Winzerinnen. Ingrid Groiss beendete die Diskussion mit dem Statement: „Die Mehrheit meiner männlichen Kunden präferiert diesen Wein.“

2015 Gemischter Satz Bernhard (new generation)
Dieser alte Rebbestand (1955 oder früher gepflanzt) verfügt über eine offene, reife Fruchtaromatik, straffe Struktur und kerniges Finish. Die verwendeten Begriffe würden einen männlichen Wein vermuten lassen.

Maria Faber-Köchl & Tochter Anna

2017 Grüner Veltliner Ried Saatzen (maskulin)
Die Winzerinnen sehen den Wein als „geradlinig, straff und kräftige Interpretation des Grünen Veltliners“. Die Verkostungsrunde verwendete ähnliche Begriffe und empfand den Wein ebenfalls als eher männlich.

2017 Cuvée Klöchl Verzeichnis (new generation – keine Geschlechtermerkmale)
Diese Cuvée aus Weißburgunder, Grünem Veltliner und Riesling stellt eine „kreative Herausforderung“ an beide Geschlechter dar. Der Grüne-Veltliner-Anteil ist maischevergoren, und der Wein verströmt ein komplexes Bukett, „nicht vertraut“; er verfügt über eine lebendige Struktur und endet mit feinkörnigem Gerbstoff und enormer Länge. Darauf konnten sich auch die Verkosterinnen einigen.

Marion Ebner-Ebenauer

2010 Blanc de Blancs (feminin)
Dieser elegante Schaumwein überzeugt durch Leichtigkeit, feine Perlage und ­Finesse. Sowohl die Winzerin als auch die Verkostungsrunde sah diesen großartigen Schaumwein als feminin an.

2015 St. Laurent Alte Reben (maskulin)
Die 70-jährigen Reben ergeben einen dichten, konzentrierten Wein mit großem Potenzial. Straff, kernig, markante, feinkörnige Tannine waren die Attribute von der Verkostungsrunde – daher mehrheitlich: maskuliner Wein.