Die neue rote Qualität

Mit ziemlichem Fug und einigem Recht versucht das Weinbaugebiet Carnuntum, sich als Rotweinregion zu profilieren. Wir versuchen eine kleine Bestandsaufnahme

Die neue rote Qualität

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Text von Michael Prónay Fotos: beigestellt
Carnuntum ist bekanntlich eine römische Siedlung gewesen – vor zwei Jahrtausenden enstanden, etwa 400 nach Christus endgültig zerstört – und wesentlich wichtiger als das vergleichsweise unbedeutende Vindobona, aus dem später Wien werden sollte. Die Ausgrabungsstätte des römischen Heerlagers liegt in den Gemeinden Petronell und Deutsch-Altenburg, und Carnuntum war auch der Namensgeber für den östlich von Wien, also donauabwärts gelegenen Teil des einstigen Weinbaugebiets Donauland-Carnuntum, vormals Klosterneuburg. Heute heißt Donauland Wagram, der rechtsufrige Teil Klosterneuburg.
Das Weinbaugebiet umfasst den politischen Bezirk Bruck an der Leitha (mit den wichtigsten Weinbaugemeinden Bruck an der Leitha, Göttlesbrunn-Arbesthal, Höflein und Prellenkirchen) sowie den Gerichtsbezirk Schwechat. Es ist knapp 900 Hektar groß, was knappen zwei Prozent der gesamten rotweißroten Weingartenfläche entspricht. Zwei Drittel entfallen auf Weißen (über die Hälfte davon auf Grünen Veltliner), ein Drittel auf Roten. Die roten Hauptsorten sind Zweigelt (13% der Fläche des Weinbaugebiets) und Blaufränkisch (8%).

Die Weine
Dorli Muhr-van der Niepoort, Chefin der Agentur Wine & Partners und selbst – mit Ehegespons Dirk van der Niepoort – Winzerin in der Region, betreut jene 20 Winzer, die sich auch im Export engagieren. Von uns wurden jene 12 Winzer, die im Guide "Österreich A la Carte 2007" vertreten sind, nominiert. Die Schnittmenge ergab 22 Winzer, die wir um je einen Toprotwein nach freier Wahl gebeten haben; alle 22 machten mit.
Die Kostnotizen und Bewertungen können Sie hier lesen. Die Auswahl war eine ausgesprochen repräsentative. Etwas leichtergewichtige, eher jüngere sortenreine Weinen standen in der Mehrzahl roten Cuvées gegenüber, also Verschnitten aus verschiedenen Rebsorten. Dort, wo uns die Winzer die Zusammensetzung genannt haben, sind die Rebsorten nach fallenden Anteilen abgedruckt. Die Hälfte der Weine stammte aus dem doch etwas schwierigeren Jahrgang 2005, und dennoch: Die Roten aus Carnuntum haben ihren eigenen Stil, sie haben eine schöne Balance von zart-mineralisch spürbarem Terroir und behutsam eingesetztem Holz. Selbst wenn es da oder dort ein wenig mehr Tiefgang geben könnte, wir sind sicher, dass die Winzer auf dem richtigen Weg sind. Wenn dann auch noch der Jahrgang passt – wir freuen uns schon auf die 2006er in den kommenden Jahren –, dann wird sich Carnuntum als Herkunft feiner Roter in den Köpfen der Weinfreunde fix etabliert haben. Ein Wein verdient eine spezielle Erwähnung: Der "M1" von Gerhard Markowitsch, ein Zweigelt-Merlot-Blend, zeigt, was für ein absolut großes Potenzial in den Carnuntumer Rieden steckt.
Es kosteten Sandra Büchler (Sommelière in "Niky’s Kuchlmasterei", Wien), Stefan Köstenbauer (Lektor an der Weinakademie, Wien) und der Autor; ein herzliches Dankeschön geht wie immer an das Weingut Spaetrot in Gumpoldskirchen (für die Gastfreundschaft) und das Weingut Krug ebendort (für die Verpflegung des Teams). Die Verschlussangabe kann ausfallen, weil alle Flaschen mit Naturkork verschlossen waren.

Top-Rote aus Carnuntum

95 Gerhard Markowitsch, Göttlesbrunn 2004 M1, 14,5%
(ZW/ME) Herrlich kühle Nase, Menthol und Eukalyptus, dazu perfekt passendes, herrliches Holz, sehr modern, aber auch gewaltig tief, wunderschön verwoben, herrliche Heidelbeeren, ganz großer Stoff.
93 Franz & Christine Netzl, Göttlesbrunn 2005 Anna-Christina, 14%
(ZW/CS/ME) Tiefe, saftige, gleichzeitig auch frische Nase; saftige, knackig-frische und feine Textur, schöne Schokofrucht, sehr fein.
93 Franz Taferner, Göttlesbrunn 2005 Tribun, 14%
(CS) Wunderschön klare, feine, dichte, reife Cassislikörnase; saftige, feine, wunderschön geschmeidige Textur, dicht und stoffig, extraktsüß, ganz ausgezeichnet.
92 Johann Böheim, Arbesthal 2003 Stuhlwerker, 14%
(ZW/ME/CS/SY) Opulente, dichte, saftige Fülle; wunderschön weich und klar, saftig und dicht, stoffig und blitzsauber, ausgezeichnet.
92 Walter Glatzer, Göttlesbrunn 2004 Gotinsprun, 13,5%
(BF/ME/SY/SL/PN) Sehr hübsche und auch vielschichtige Schwarzkirschennase, dazu ein Hauch Eibisch; weiche Fülle, dezenter, perfekt passender Schokohauch, gutes Holz, viel Stoff, ganz ausgezeichnet.
91 Christian Grassl Nepomukhof 2005 Cuvée Nepomuk, 13,5%
(ZW/ME/BF) Wunderschön feine, klare, dichte Dunkelfruchtnase, saftig und dicht; saftig-knackiger Fruchtbiss, dezente Schokoelemente, sehr sauber und frisch.
91 Lukas Markowitsch, Marko, Göttlesbrunn 2005 Zweigelt Haidacker, 13,6%
Kirschen und Maulbeeren, wie ein Kreuzung aus Zweigelt und Syrah, Nougat und Rumtopf, feine Fülle, schöne Textur, saftig und erstaunlich fein.
91 Robert Nadler, Arbesthal 2003 Episode, 14%
(ZW/ME/CS) Erste Flasche Kork. Hübsche Dunkelfrucht, dicht verwoben, Zedernholz, Waldbeeren, erinnert ein wenig ans Rhônetal (durchaus positiv), viel Stoff, ganz ausgezeichnet.
91 Edith & Hans Pitnauer, Göttlesbrunn 2004 Franz Josef, 14,5%
(CS/ZW) Fleischextrakt, Kräuter und feine Dunkel-frucht; herzhaft, feine Textur, guter Biss, frisch, sehr saftig und solid.
90 Hannes artner, Höflein bei Bruck an der Leitha 2005 Amarok, 13,5%
(ZW/SY/ME/CS) Wunderschön saftige, dichte, dunkelfruchtige Nase; Kakao, Schoko, Kaffee, Hauch Oliven, feine Röstaromatik, schöne Säure, saftiger Biss, hintendrein ein wenig straff.
90 Hans & Philipp Grassl, Göttlesbrunn 2004 Bärnreiser, 14,5%
(ZW/ME/CS) Suppenwürze, Sandplatz, Fleischextrakt und Heublumen, eigenwillig; dichte Dunkelfrucht, gute Substanz, wenn auch ein wenig einfacher gestrickt.
90 Franz Oppelmayer, Göttlesbrunn 2002 Blauburgunder, 13%
Hübsche, ausgeprägte Pinotnase; weiche Fülle, samtig und sogar frisch, sehr à point, jetzt, aber ohne Eile zu trinken.
90 Stefan Ott, Arbesthal 2004 Notturno, 14%
(SY/CS/ME) Fängt in der Nase gut an, beim weiteren Einatmen aber fehlt der Tiefgang; herzhafter Biss, solide Frucht, sauber und ordentlich.
90 Schenzel-Wallner, Bruck an der Leitha 2005 Syrah, 13,5%
Estragon und Maulbeeren; saftige Fülle, dezentes Holz, schöner Biss, viel Fruchtcharme und ein wenig Druck im Abgang.
90 weingut trapl, Stixneusiedl 2005 Tilhofen, 13,5%
Ungemein klare, saubere, tiefe Nase, kein Aromaelement drängt sich vor, aber die Präzision ist beeindruckend; weiche Fülle, saftig und frisch, aber irgendwie wiederholt sich die Präzision nicht so ganz, dennoch sehr fein.
89 Robert Payr, Göttlesbrunn 2005 Granat Carnuntum, 13,5%
(ZW/CS/ME) Zarte Dunkelfrucht mit einem dezenten Holztouch; herzhaft-frische und knackige Frucht, sehr solid.
89 Gerhard Pimpel, Göttlesbrunn 2004 Zweigelt Selektion, 13,5%
Saftige, ein wenig hellgetönte Frucht, Johannisbeeren und Kirschen; herzhafter, erstaunlich junger Biss, saftig, wenn auch mit nicht allzu viel Charme versehen.
88 Christian Edelmann, Göttlesbrunn 2005 Cuvée Edelmann, 13,4%
(ZW/ME/CS) Seltsam grüne Elemente, dahinter aber hübsche Cassisnoten; weiche Fülle, samtig, hintendrein aber sehr kerniges Tannin und knackig-straffe Säure, wenig Charme.
88 Meinrad Markowitsch, Göttlesbrunn 2006 Rubin Carnuntum Blaufränkisch, 13,5%
Sehr jung, sehr frisch, Hauch Ribisel und rote Rüben; herzhafter Biss, knackig und saftig, so schmeckt ganz junger Blaufränker.
88 Muhr-van der Niepoort, Rohrau 2005 Spitzerberg, 13,5%
(BF) Fleischige, deutlich würzige Noten in der Nase; saftig und dicht, knackig und klar, im Grunde eher schlank angelegt, aber mit ganz eigenem Charme versehen.
88 Zwickelstorfer, Höflein bei Bruck an der Leitha 2004 Imperator, 13,5%
(ZW/SL/CS) Hübsche und saftige Dunkelfrucht;
saftig und frisch am Gaumen, feine Frucht, jugendlich und mit guten Ansätzen, verlässt den Gaumen aber eher kurz.
85 Hans & Martin Netzl, Göttlesbrunn 2005 Oida Schwoaza, 13,5%
(ZW/BF/ME) Saftige, kompakte Dunkelfrucht, sehr jung, Hauch Dosengemüse; am Gaumen irgendwie diffus, geht nicht aus sich heraus, hintendrein scharf, schade (beide Flaschen gleich).