Die Ruhe der Könner
Als Weinbaugebiet ist das Kremstal mit einiger Wahrscheinlichkeit weniger bekannt als dessen natürliches Gravitationszentrum, die Stadt Krems. Hervorragende Weine wachsen aber im gesamten Gebiet.
Die Ruhe der Könner
Text von Michael Prónay Foto: Philipp Horak
Weinrechtlich gesehen umfasst das Weinbaugebiet Kremstal "die Stadt Krems an der Donau und die Gemeinden Furth bei Göttweig, Gedersdorf, Imbach, Paudorf, Rohrendorf bei Krems, Senftenberg und Stratzing-Droß" (ß 21 Weingesetz 1999). Dass Imbach gar keine eigenständige Gemeinde ist, sondern nur Katastralgemeinde von Senftenberg, ist eines der gar nicht so seltenen Redaktionsversehen in der Legistik. Drei Katastralgemeinden der Stadt Krems (Angern, Hollenburg und Thallern) sowie die Gemeinden Furth und Paudorf liegen am rechten Donauufer, alles andere am linken.
Mit knapp 2.200 Hektar Fläche hat das Kremstal knappe 5 Prozent der heimischen Rebfläche aufzuweisen. Davon sind gute 1.200 Hektar oder 53% Grüner Veltliner, prozentuell sogar etwas mehr als im Weinviertel. Mit gut 200 Hektar folgt der ziemlich totgeschwiegene Müller-Thurgau (Rivaner), dann allerdings kommt King Riesling mit fast 190 Hektar. Von den übrigen Sorten – Zweigelt mit 180 Hektar ausgenommen – erreicht keine eine dreistellige Hektarzahl.
Grüner Veltliner und Riesling sind auch die unbestrittenen Qualitätsregenten, wobei der Grüne Veltliner in seiner Vielseitigkeit weltweit unschlagbar sein dürfte: Keine andere Weißweinsorte (von Rotwein sowieso abgesehen) schafft es, trockenen Wein in der gesamten Spannweite zwischen 11 und 14 und mehr Volumsprozent zu erzeugen, der in jeder Ausprägung harmonisch ist und zu überzeugen vermag.
Regionales Komitee und DAC
"Nach dem derzeitigen Stand der Dinge wird es im Moment keine DAC geben", sagt der Obmann des Regionalen Komitees Kremstal, Gerald Malat. Seine Vision geht in eine andere Richtung: "Man könnte ein Weinbaugebiet ,Donautal‘ schaffen, das die vier Gebiete Kremstal, Kamptal, Wagram und Traisental umfasst, ohne die bisherigen Gebiete aufzulösen." So etwas gibt es bereits, auch wenn es kaum jemand weiß: Sowohl Niederösterreich wie auch das Burgenland sind eigene Weinbaugebiete. Was hätte das für Vorteile? "Zu viert wären wir dann halb so groß wie das Weinviertel, und dann wäre auch genug Geld da, einen professionellen Manager zu haben, der die Aktivitäten bündelt wie im Weinviertel oder in der Champagne. Man kann von keinem Obmann verlangen, dass er seinen vollen Einsatz auf Dauer zum Nulltarif zur Verfügung stellt."
Ein anderes bezeichnungsrechtliches Problem stößt Bertold Salomon vom Undhof ein wenig sauer auf: "Eine der besten Einzellagen in Krems ist der Pfaffenberg in Stein, die westlichste Lage der Stadt, übrigens historisch eindeutig zur Wachau zu zählen, denn in den Passauer Stiftungsurkunden des Mittelalters wird sie unter diesem Begriff erwähnt." Wo ist das Problem? "Es gibt nach dem Landesweinbaugesetz eine Großlage ,Pfaffenberg‘, die die gesamte westliche Hälfte der Stadt Krems umfasst. Für den Konsumenten ist das unmöglich zu durchschauen." Dem schließen wir uns vorbehaltlos an: Eine Großlage, die nach einer renommierten Einzellage heißt, ist ein Unfug, von dem Krems gleich zwei sein eigen nennt: Das östliche Pendant heißt "Sandgrube".
Die Probe
Wir baten die 28 im Guide "Österreich A la Carte 2007" vertretenen Kremstaler Weingüter, uns einen Wein zur Verfügung zu stellen: Riesling oder Veltliner, jung oder gereift, trocken oder süß. Erstaunlicherweise machten alle (!) mit. 17 Veltliner und 11 Rieslinge haben wir verkostet, blind nach aufsteigendem Alkoholgehalt, nur den halbtrockenen und die lieblichen am Ende ihrer Sortengruppe. Alle Veltliner waren aus dem Superjahr 2006, bei den Rieslingen waren drei 2005er und ein 2001er dabei.
Die Kostnotizen – Grüner Veltliner
94 Rosenberger, Rohrendorf 2006 Gebling, 15%, NK
Erste Flasche Kork. Steinobst- und Birnennase, intensiv und dicht; wunderschön extraktsüß, Erdbeeren, feiner Obstkorb, herrlich extrakt- und wohl auch zart restsüß, toller Stoff nach jedem Maßstab, brillanter Wein.
92 Walter Buchegger, Dross 2006 Pfarrweingarten, 14%, DV
(Der Gedersdorfer ist nach Droß übersiedelt.) Feine Würze, Pfeffer und ein ganzer Kräutergarten; saftige, extraktsüße Fülle, feiner Glanz und wirklich schön, sehr feines Spiel.
92 Anton Hagen, Krems-Rehberg 2006 Holzgasse, 14%, DV
Wunderschön üppige, dabei aber auch unendlich tiefe Frucht, Kernobst, Pfeffer, Kräuter; wunderschöner Fruchtbiss, herrlicher Glanz, saftig, dicht, ein Paradeveltliner aus einem ganz großen Jahr.
92 Mantlerhof, Gedersdorf 2006 Spiegel, 14%, NK
Wunderschön feine, klare, dichte Fülle; herrlicher Glanz, reifes Kernobst, unglaublich komplett und saftig, herrlicher Wein.
92 Hermann Moser, Rohrendorf 2006 Der Löss (Septemberfüllung), 14,5%, Fassprobe
Sehr reife Nase, Hauch Honigobertöne; wunderschöner Fruchtglanz, Kernobst und weißer Nougat (!), toller Wein, ganz ausgezeichnet, sehr, sehr fein.
91 Meinhard Forstreiter, Krems-Hollenburg 2006 Tabor, 14%, NK
Wunderschöne klare, feine, mineralische Fülle, feines Obst, vielleicht (durch steinaltes, wurzelechtes Rebmaterial bedingt) nicht die Brillanz, wohl aber die profunde Fülle betonend, ausgezeichnet.
91 Stadt Krems 2006 Weinzierlberg, 13,5%, GL
Fürwitzige, fast freche Nase; am Gaumen wunderschöne Frische, herrlich saftige Birne, zart dropsig, aber durchaus im Rahmen, sehr fein und attraktiv.
91 Thiery-Weber, Rohrendorf 2006 Kremser Weinzierlberg Optimum, 13,5%, DV
Schöne Frucht mit ganz zartem Joghurttouch; feine Kernobstfülle, sehr schöne Balance, Alkohol perfekt eingebunden, wunderschön klar und tief.
91 Türk, Stratzing 2006 Frechau, 14,5%, NK
Wunderschön mineralische, dichte, ungemein tiefe Nase; am Gaumen kommt das feine Kernobst hinzu, der Alkohol ist perfekt weggesteckt, toller Stoff
90 Berger, Gedersdorf 2006 Gebling, 13,5%, DV
Weiche Fülle, dahinter mineralisch abgehauchter, steinobstiger Fruchtbiss, feine Balance mit einem guten Schuss Kernobst, sehr fein und attraktiv.
90 Josef Edlinger, Palt 2006 Optimas, 14%, DV
Dichte, eine wenig vordergründige Nase, "g’schert auf sehr hohem Niveau", denn das Kernobst ist sehr deutlich; schöne traubig-mostige Frucht (ohne Oxidation), herzhafter Biss, auch ziemlich füllig, sehr ordentlich.
90 Rudolf Fritz, Krems-Thallern 2006 Schweren Zapfen, 14%, DV
Saftige Fülle; wunderschöner Biss, herrliches Kernobst, stoffig und dicht, gesicherte Zukunft auf Jahre und Jahrzehnte.
90 Ewald Walzer, Krems-Gneixendorf 2006 Wolfsgraben Kabinett, 12,5%, DV
Etwas dunkelfruchtig, Blutorangen und hochreife gelbe Äpfel; das reife Kernobst zieht sich auch am Gaumen wunderschön durch, feine Apfelfülle, feiner Biss, schönes Spiel und feine Balance.
89 Lenz Moser, Rohrendorf 2006 Kremstal Selection, 12,5%, TT
(Im Datenblatt ist der Alkoholgehalt mit 12,0% angegeben.) Feine Nase, floral angehaucht, auch mineralisch; wunderschön klare, blitzsaubere, feine frische Frucht, sehr zugänglich und attraktiv, sehr fein.
88 Lehenhof Ditz 2006 Sandgrube Pfarrweingarten, 13,5%, TT
Wow! Eine Fruchtexplosion, die eigenartigerweise am Gaumen von hefe-autoplytischen Noten (wie bei gutem Sekt und Champagner) begleitet wird, sehr stoffig und dicht, auch dunkelfruchtig und ganz zart gerbstoffig. (Beide Flaschen gleich.)
90 Zimmermann, Theiss 2006 Rosshimmel, 13,5%, NK
Sehr reifes Kernobst, dazu ein Hauch Dörrobst, schöne Dichte, guter Biss, sehr fein und animierend.
86 Wolfgang Aigner, Krems 2006 Sandgrube Privat halbtrocken, 14%, GL
Feine Fülle, unendlich viel Stoff, aber irgendwie fehlt das Leben, wirkt momentan seltsam lasch, der Zuckerrest nicht eingebunden, in dieser Form nicht harmonisch, könnte sich aber auswachsen.
Die Kostnotizen – Riesling
95 Nigl, Senftenberg 2006 Hochäcker, 15%, DV
Wow! Absolute Prachtnase, ein ganzer Obstkorb, Steinobst und Exotik perfekt verwoben, unendlich tief; herrlicher Glanz, wunderschöne Extrakt- und wohl auch zarte Restsüße, brillanter Wein, ganz ausgezeichnet.
93 Malat, Palt 2001 Das Beste vom Riesling lieblich, 13,5%, NK
Wow! Brillante Nase, herrliche Süße, feinster Rieslingglanz; herrlich geschliffene Rieslingfrucht, wunderschön ziseliert, reif und voll auf der Höhe, auch nussig, sehr, sehr fein, auch hier die Süße perfekt eingebunden.
93 Vorspannhof Mayr, Dross 2006 Kremser Marthal, 13%, DV
Würzig-mineralische Nase; erst am Gaumen kommt das Steinobst, witzigerweise mit feinen Birnennoten unterspickt, seidiger Glanz, wunderschön klar, sauber und füllig, bei aller Stoffigkeit auch elegant.
93 Franz Proidl, Senftenberg 2006 Pfeningberg Fassprobe
Wow! Herrliche Dunkelfrucht, wunderschöne Mandarinen; am Gaumen dezente Süße andeutend (wird wohl halbtrocken sein), aber herrlich balanciert, ganz großer Stoff, brillant.
92 Sepp Moser, Rohrendorf 2006 Gebling, 13,5%, DV
Wunderschön tiefe, saubere und ganz klare Steinobstfrucht; herrlicher Fruchtglanz, wunderschön klar und sauber, fast rauchig, herzhaft und doch schmeichelnd, großer Stoff, hat eine große Zukunft.
92 Josef Schmid, Stratzing 2006 Sunogln Priorissa, 13,5%, NK
Feine Steinobstfrucht mit würziger Unterfütterung; herzhafter Fruchtbiss, saftig, knackig und klar, wunderschöner Stoff, feiner CO2-Biss, wiederum rauchig, ausgezeichnet.
91 Hauerinnung Krems Stein (Winzer Krems) 2006 Pfaffenberg, 13,5%, NK
Feines Steinobst und ganz deutliches Basilikum; saftig-klare, freundlich-schmeichelnde Frucht, stoffig und dicht, weich und saftig, sehr sauber und animierend.
90 Geyerhof Ilse Maier, Oberfucha 2005 Goldberg, 14,5%, NK
(Bio-Wein) Weiche Fülle, dezenter Honigoberton; dichte, fast dunkelfruchtige Fülle, viel Stoff, saftige Dichte, vollmundig, konzentriert, saftig und reif, sehr fein.
90 Salomon Undhof, Krems-Stein 2005 Metternich & Salomon Steiner Pfaffenberg Reserve lieblich, 13%, NK
Herrlich reifes süßes Steinobst, Lemongrass, unendlich tief; wunderschöner Fruchtglanz, saftig und schmeichelnd, fast trocken wirkend, ausgezeichnet.
88 Hackner, Furth-Palt 2006 Reserve, 13,5%, NK
Hübsche Marillen, ein Hauch Dixi-Traubenzucker, auch ganz zart krautig; ein wenig rustikal in der gesamten Anlage, sehr solid und ordentlich.
84 Petra Unger, Furth 2005 Gaisberg Stein, 13,5%, NK
Witzige, erstaunlich intensive Erdnussnase, auch krautig und rauchig; am Gaumen sehr schräg, säurebetont, kurz. Beide Flaschen gleich.