Die Welt der feinen Roten

Gehen wir die sechs Herkunftsländer einmal rasch durch und vergessen nicht zu erwähnen, dass viele Details dem "Oxford Companion to Wine" der famosen britischen Fachautorin Jancis Robinson entspringen.

Argentinien (sechs Weine in der Probe) ist der wichtigste Weinproduzent Südamerikas. Die Rebfläche ist mit etwas über 200.000 Hektar über viermal so groß wie die Österreichs, und weltweit ist das Land mit etwa 15 Mio. Hektolitern der fünftwichtigste Weinproduzent (nach Frankreich, Italien, Spanien und den USA). Mit Abstand am renommiertesten ist das Land (wie die übrigen fünf mit Ausnahme Neuseelands) für seine Roten, und da wiederum für jene aus Bordeauxrebsorten und ganz speziell Malbec. Die Sorte ist zwar in Bordeaux zugelassen, dort aber seit vielen Jahren zu Lasten der beiden Cabernets und des Merlots auf dem Rückzug.

Australien (14 Weine) ist mit einer Produktion von knapp 15 Mio. Hektolitern inzwischen der sechstwichtigste Weinproduzent unseres Planeten. Hergestellt werden so ziemlich alle Weintypen, die es auf unserem Planeten gibt, alkoholverstärkte Süße inklusive. Die Rebsorte, der die australischen Roten ihr Renommee verdanken, ist die Syrah, auf Englisch Shiraz genannt. Aus ihr wird Australiens berühmtester Rotwein, der "Grange" gekeltert, und auch die Topweine unserer Verkostung zeigen, wie gut sich das Land für die Rebsorte, die in Europa im oberen Rhônetal ihre Qualitätsspitze erreicht, eignet.

Chile (13 Weine) produziert etwa 6 Mio. Hektoliter (weniger als die Hälfte Argentiniens), hat aber eine überaus florierende Weinwirtschaft. War man früher der An- sicht, dass der Merlot die wichtigste rote Sorte im Lande ist, so haben Untersuchungen vor einigen Jahren ergeben, dass die meisten Stöcke gar keinen Merlot tragen, sondern (ebenfalls aus Bordeaux stammende, dort aber inzwischen bedeutungs­los gewordene) Carmenère (in Chile seltsamerweise häufig falsch Carménère geschrieben). Daneben sind Cabernet Sauvignon und Merlot das rote Qualitätsrückgrat des Landes.

Kalifornien (13 Weine) ist so etwas wie der "Rising Star" unter den Qualitätsweinbaugebieten. So vor ungefähr 40 Jahren kelterte man dort Topweine, die bei der berühmt gewordenen Pariser Blindprobe 1976 ("The Judgment of Paris", ein Wortspiel mit dem "Urteil des Paris" aus der griechischen Mythologie) die Topweine aus Bordeaux und Burgund entthronten. Neben den Bordeauxreben und Syrah ist es der quasi-autochthone Zinfandel, der in jüngerer Zeit Furore macht. War man ursprünglich der Ansicht, dass Zinfandel und Primitivo aus Süditalien identisch sind, so haben jüngere Forschungen ergeben, dass Zinfandel eigentlich die in Kroatien beheimatete Crljenak Kaštelanski ist.

Neuseeland (zwei Weine) ist weinmäßig ein bisschen so etwas wie das "Österreich Ozeaniens": Das kühlere Klima lässt hervorragende Weiße wachsen, und bei den Roten bringt auch der insgesamt eher hitzeempfindliche Pinot Noir höchst erfreuliche Ergebnisse. Die Rebfläche liegt mit etwa 20.000 Hektar etwas unter der Hälfte Österreichs.

Südafrika (zwölf Weine) ist unter unseren sechs Ländern das einzige der alten Welt und das Land mit der längsten Weinbautradition: Im 17. Jahrhundert war der "Constantia" ein Süßwein mit demselben hohen Renommee (und Preis) wie Tokajer (dem damals teuersten Wein der Welt). Die bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts extrem regulierte Weinwirtschaft – das Hauptaugenmerk lag auf der Erzeugung von Brennweinen – begann sich erst deutlich nach Ende der Apartheid zu erholen und hat in allerjüngster Zeit mit ihren Topweinen den Anschluss an die Weltspitze geschafft. Angebaut wird praktisch das gesamte europäische Topsortenspektrum, wobei es auch hier so etwas wie eine autochthone Sorte gibt: Pinotage, eine Neuzüchtungs-Kreuzung der Universität Stellenbosch aus dem Jahr 1925 aus Pinot Noir und Cinsault.

Ganz feine Rote

Jedenfalls hat unsere Probe eines bewiesen: Aus Übersee kommt eine erkleckliche Anzahl wirklich feiner Rotweine, wobei der Preis allerdings nur sehr entfernt ein Gradmesser der Qualität ist – aber das ist nun wirklich nichts atemberaubend Neues. Wir haben die Weine bei gleicher Punktezahl nach aufsteigendem Preis geordnet, so, wie wir das bei unserer Serie "Neuigkeiten aus aller Welt" auch hand­haben. Wir dürfen übrigens besonders auf die Seiten weiter hinten im Heft hinweisen, diesmal war die Rotweinauswahl (aus Europa logischerweise) ganz besonders zufriedenstellend.

Gekostet haben – wie immer blind – Sandra Büchler und der Autor; Catrina Prónay sei für Logistik und Organisation gedankt.

95 2006 Domaine Tournon Mount Benson Shiraz, M. Chapoutier Australien 15%, NK, Derksen € 16,– Wunderbar tief und klassisch, die Rebsorte perfekt interpretiert, die Anklänge an das Rhônetal sind eindeutig spürbar, Berberitzen; wunderschön klassische, glasklare Frucht, "edle Einfalt, stille Größe", toll.

95 2004 Penley Estate Coonawarra Cabernet Sauvignon, Australien 15%, NK, Vergeiner € 42,20 Witzige Nase, Liebstöckel pur, dahinter wunderschön feine Frucht; extraktsüß, volle Dunkelbeerenfrucht, dabei klarer Fokus, der Alkohol perfekt integriert, ganz toller Stoff, viel Cassis, ewige Länge.

94 2006 Finiss River Shiraz, Salomon Estate, South Australia 14,5%, NK, Salomon € 25,– Wunderschön klare, feine, dicht verwobene Frucht, Tannenwipfelhonig und ein Hauch Ahornsirup, weiche, reif-dunkle Beeren; wunderschön saftig und verwoben, Schoko und Nougat, man merkt, dass die Sorte perfekt hierher passt.

93 2006 Ross Estate Barossa Valley Single Vineyard Shiraz, Australia 14,5%, DV, Vergeiner € 19,– Wunderschön klare, feine, dichte Frucht, schöne Reife, dicht und konzentriert, Brom- und Heidelbeeren ohne Ende; wunderschön klare, feine, dichte Frucht, feine Dunkelschokolade, Nougat, toller Stoff, saftig, brillant.

93 2007 Finiss River Shiraz, Salomon Estate, South Australia 14,5%, NK, Salomon € 25,– Wunderschön klare, feine, dichte, tiefe Maulbeernase, Milchschokolade, ganz feiner Holzeinsatz, auch Dörrzwetschken; herrlich klar-saftige Konturen bei seidiger Textur, trotz Kraft auch elegant, toller Stoff.

93 2007 The Heretic Petite Sirah, Four Vines, Paso Robles, Kalifornien 14,8%, NK, Magazin € 45,– Zuerst eigenwillig animalisch, mit Luft kommt eine betont feine und tiefgründige Dunkelfrucht, Brom- und Heidelbeeren und auch Schoko; wunderschön extraktsüße Würze, extraktreich, saftig, wunderbarer, toller Stoff.

93 2003 Cheval des Andes, Argentinien 14%, NK, Moët Hennessy € 54,90 (Kooperation von Château Cheval Blanc und Terrazas de los Andes; CS/MA/PV) 1. Flasche merklich oxidiert: Korkproblem. Kompakte, dichte Würze, ungemein jugendlich und saftig; herrlich bordelesker Fruchtausdruck, passendes Tannin, Potenzial ohne Ende, großer Stoff.

93 2005 Dominus, Christian Moueix, Napa Valley, Kalifornien 14%, NK, Derksen € 99,– (CS/CF/PV 92/5/3) Zuerst ein wenig verhaltene Dunkelfrucht, mit Luft wird die Tiefe immer deutlicher, Garrigue, rote Beeren, Majoran, Oregano, Süßholz, ungemein komplex; eine Tanninbombe mit unglaublich viel Frucht dahinter, herrlich klar und saftig, ganz großer Stoff, tolle Zukunft.

92 2007 Stellekaya Merlot, WO Stellenbosch, Südafrika 14%, NK, Wineworld € 11,90 Feine, reife Dunkelfrucht, Dörrobst, Schoko, Maronipüree; saftig-dichte Frucht, ungemein zugänglich und attraktiv, dabei auch komplex, saftig, ganz ausgezeichnet, super PLV.

92 2007 Valdivieso Single Vine-yard DO Sagrada Familia Merlot Reserva, Chile 14%, NK, wineSelect € 15,–Feine, dichte Rot- und Dunkelbeerenfrucht, feine Würze, dicht und konzentriert; vollmundig, kräftig und elegant zugleich, feiner Biss, anspruchsvoll und wirklich schön.

92 2007 In Situ Laguna del Inca, San Esteban, Aconcagua, Chile 14,5%, NK, Vergeiner € 20,30 (CS/CA/SY) Cassis wie im Bilderbuch, der Cabernet gibt eindeutig den Ton an, Milchschokolade, Kletzenbrot; saftig-feine Frucht, vollmundig, sehniger Körperbau, schöner Fokus, blitzsauber.

92 2006 Finiss River Cabernet-Merlot, Salomon Estate, South Australia 14%, NK, Salomon € 22,– Feine, reife, warme Rumtopfnoten, Cassislikör, Powidl, Heidelbeerconfit; feine Frucht, passende Säure, bei aller Kraft überaus lebendig, sehr fein.

92 2006 Friedrich Laibach The Founder’s Blend, WO Stellenbosch, Südafrika 14%, NK, Derksen € 23,– (CS/ME/PV/Malbec 50/22/12/11/5) Tiefe Frucht, saftig und fest, feinwürzige Dominanz, rote und dunkle Beeren, zarte Schoko, ein wenig fordernd; saftiger Fruchtbiss, knackig-straff, sehr jung, aber auch ausgesprochen vielversprechend.

92 2004 Kendall-Jackson Grand Reserve Cabernet Sauvignon, Kalifornien 14,5%, NK, wineSelect € 27,12 (Sonoma/Napa 88/12) Wunderschön klassisch, dicht, feinstes Cassis, dazu verwobene dunkle Beerenfrucht, üppig, aber immer kontrolliert; wunderschön fester Fruchtglanz, herrlich saftig, üppige Fülle, toller Stoff.

92 2008 Four Vines Biker Zinfandel, Paso Robles, Kalifornien 15%, NK, Magazin € 32,50 Fein-füllige, reife Zwetschken, schon voll entwickelt, passendes Holz, Tabak, Oliven und Maulbeeren; saftige Fülle, herrlich feine Würze, wunderschön, ein wirkliches Prachtstück.