Donau so blau

Die Donau ist nicht nur Titel Österreichs inoffizieller Nationalhymne – des gleichnamigen Walzers –, sondern durchfließt auch Regionen,

Donau so blau …

in denen viele von Österreichs allerbesten Weißweinen wachsen.
Text von Michael Prónay Foto: beigestellt
Was macht einen Wein zu einem großen, zu einem besonderen Wein? Seitdem über Wein geredet und geschrieben wird, gehen die Meinungen darüber ein wenig auseinander. Für die Traditionalisten geht nichts über die Herkunft. Ein klassifizierter Bordeaux, ein Weißer oder Roter aus einer Grand-Cru-Lage an der Côte-d’Or in Burgund, ein Riesling von der Mosel oder aus dem Rheingau: Das ist ihrer Meinung nach die Krönung, die die Weinwelt zu bieten hat.
Etwas anders denken Nonkonformisten: Wenn Klima und Boden passen und darüber hinaus Winzer oder Kellermeister das passende Gespür haben, gibt es nicht den geringsten Grund anzunehmen, dass nicht auch abseits der renommierten Weinregionen wirklich große Weine wachsen können. Wobei wir eine ganz einfache Definition von "Größe" heranziehen wollen: Was an einem Wein gut riecht und schmeckt, ist gut; wenn im direkten Vergleich ein Wein besser schmeckt, ist er besser. Und je mehr Tiefgang (Komplexität) ein Wein hat, je länger sich der Geschmackseindruck nach dem Schlucken am Gaumen hält, desto größer ist er. Einen weiteren Faktor für potenzielle Größe werden wohl alle anerkennen: die Fähigkeit eines Weins, sich mit dem Alter nicht nur zu halten, sondern deutlich zu verbessern.
Wenn wir uns die beiden Rebsorten anschauen, um die es geht, dann sind das Riesling und Grüner Veltliner, die hier (und natürlich auch in der Wachau) zur Höchstform – zu unbestritten großen Weinen – auflaufen können. Der Riesling gilt als die noblere der beiden, seine Eignung, von staubtrocken bis hochprädikatig edelsüß alle nur möglichen Weinspielarten auszudrücken, ist tatsächlich einmalig und auch seit langem bekannt.
Der Grüne Veltliner hingegen hat eine wesentlich jüngere, dafür umso fulminantere Karriere hingelegt. Noch bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde er von der offiziellen Weinbaupolitik als relativ sicher hohe Erträge abwerfende Sorte empfohlen. Prototyp war der alkoholleichte, trockene "Brünnerstraßler", so quasi der ideale Grundwein zum Aufspritzen mit Sodawasser. Parallel dazu wurde er aber von Winzern – die allesamt an der Donau respektive ihren Seitentälern zuhause waren – als körperreicher, kraftvoller und nach wie vor trockener Wein ausgebaut, der sich nicht nur als prachtvoller, geradezu universeller Speisenbegleiter eignet (selbst zu kaum weinaffinen Produkten wie etwa Artischocken), sondern auch eine Reifungs- und Alterungsfähigkeit aufweist, die sich nach Jahrzehnten bemisst.
Grund genug also, uns die Weine der drei Donauseitentäler-DACs anzusehen. DAC-Anrecht haben Veltliner und Riesling mit 12% und 12,5% (immer laut Etikett), die Reserve von 13% aufwärts. Die Weine müssen trocken im Sinne des Weingesetzes sein, maximal 9 g/l Zuckerrest (entsprechende Säure vorausgesetzt) sind erlaubt, mit zwei kleinen Ausnahmen: Im Traisental hat der Vel­t-liner eine Obergrenze von 6 Gramm, während für die Kremstal-Reserve die
9 Gramm ohne Säurevorbehalt zulässig sind: Theoretisch kann es also auch halbtrockene Veltliner-Reserven geben (gesehen haben wir aber noch keine). Ein weiterer Unterschied zwischen DAC und Reserve: Erstere dürfen ab 1. Jänner des auf die Lese folgenden Jahres zur DAC-Prüfung eingereicht werden, die Reserven erst ab 15. März. Also haben wir uns die 2010er-DACs und die 2009er-Reserven angesehen.
Die Probe
Die Obmänner der drei regionalen Weinkomitees haben uns insgesamt
38 Weine geschickt: 16 Kamp- ("KA"),
15 Krems- ("KR") und 7 Traisentaler ("TR"). 28 waren Grüne Veltliner, 10 Rieslinge.
26 Weine waren Reserven ("R") aus 2009, 11 DACs aus 2010, eine Reserve (die von Matthias Hager aus Mollands) war aus 2008. Verkostet haben wir die 2010er vor den älteren Weinen, innerhalb der Gruppen zuerst die Rieslinge, dann die Veltliner, jeweils nach aufsteigendem Alko- holgehalt geordnet und wie immer blind. Wo bekannt, haben wir auch den Zuckerrest abgedruckt. Verkostet hat das bewährte Team aus Sandra Büchler, Dietmar Bruckner und dem Autor.

Die Verkostung

Riesling
90 Brandl, Zöbing 2009 Kogelberg Privat KA-R, 14,5%, 3,5 g/l, DV
Kraftvoll, dicht, feiner Marillenschnaps, dichtes Steinobst, auch ein wenig Kernobst und Bananen, würzig; wunderschön kompakt, Alkohol gut eingebunden, extraktsüß, ungemein saftig, kompaktes Trinkvergnügen.
90 Peter Dolle, Straß 2009 Heiligenstein EL KA-R, 13,5%, 5,5 g/l, NK
Ein wenig verhalten, dahinter aber zart kühle Sortenaromatik, Steinobst und hübsche Frische; saftig-frische Frucht, hinten mineralisch angetönter Biss, auch Cassis, vielschichtig, ganz erstaunlich gut.
90 Türk, Stratzing 2009 Kremser Wachtberg KR-R, 13,5%, DV
Ansprechend reifes Steinobst, dazu auch die passend pfeffrige Würze, Zitronenpfeffer; saftig, dicht, knackig, feste Struktur, trocken, schöne Länge, sehr fein.
89 Grillmaier, Langenlois 2009 Rheinriesling KA-R, 13,5%, 5,5 g/l, DV
Reifes Steinobst, dazu auch merklich kräuterwürzig und fast pfeffrig; herzhaft-straffer Säurebiss, knackig, kompakt, zart dunkel getönt, sehr fein.
89 Stadt Krems 2009 Grillenparz EL KR-R, 13%, GL Hübsche, klare Sortennase, etwas Steinobstmark, auch dezente Würzefülle; saftig-freundlicher Fruchtcharme, schöner Schmelz, fester Kern, kraftvolle, gute Länge, fein.
88 Meinhard Forst­reiter, Krems-Hollenburg 2010 Donau Riesling KR, 12,5%, DV
Sehr jung, deutlich reduktive, auch sauvignonesk angehauchte Nase; herzhafter Jugendbiss, knackig-straffe Säure, in seiner Art appetitlich und frech.
88 Josef Schmid, Stratzing 2009 Sunogeln KR-R, 13,5%, NK
1. Flasche leichter Kork. Eigenwillig, zart gerüchig, etwas püriertes Steinobst; kernige Säure, Zitrus, auch ein wenig Grapefruit, sauber und geradlinig.
87 Jurtschitsch, Langenlois 2009 Zöbinger Heiligenstein Alte Reben EL KA-R, 13%, 2,8 g/l, DV
Reife Trockenfruchtaromatik, braucht merklich Luft, mehr Würze als Frucht, die Sorte gut versteckt; am Gaumen kommt der Riesling, Steinobst und merkliche Extraktsüße, hintendrein ein wenig bittrig ausklingend.
86 Allram, Straß 2009 Gaisberg KA-R, 13,5%, 7,5 g/l, DV
Eigenwillig, Johannisbeerlaub, dazu deutlich kräuterwürzig; die Aromatik setzt sich kraftvoll fort, eher individuell an­gelegt, die Sorte nicht leicht erkennbar.
86 Markus Huber, Reichersdorf 2009 Berg EL TR-R, 13%, 7 g/l, DV
Eigenwillig dichte Würze, braucht Luft, dann kommen Trockenfrüchte, Schwarztee; saftige Fülle, aber auch merklicher Gerbstoff, derzeit noch wenig Sorte und Animo.
Grüner Veltliner
92 Josef Edlinger, Palt 2009 Optimas KR-R, 14%, DV
Wunderschön kühle und zarte Pikanz, Menthol, harzig-ätherisch, auch Rosmarin, mit Luft immer dichter und reicher; herrlich saftig, wunderschön klar, fast brillant, der Alkohol völlig weggesteckt, wirklich fein.
92 Schloss Gobelsburg 2009 Lamm EL KA-R, 13,5%, NK
Wunderschön frisch, tolle Dichte, glasklar, tief, ausgesprochen animierend; herrlich saftig, Holunderblüten, mineralisch, schöne Spannung, toller Stoff.
91 Thomas, Gerhard & Elfriede Dockner, Theyern 2009 Konglomerat TR-R, 13,5%, 2,4 g/l, DV
Apfel-Quitten-Grapefruit-Gelee, Honig, auch ein wenig mineralisch, dazu feine Würze; fester mineralischer Biss, dahinter tolle Kern- und Steinobstfrucht, saftig, auch grüner Pfeffer, Himbeeren und Chili, toll.
91 Rudolf Hofmann, Traismauer 2009 TR-R, 13,6%, 4,8 g/l, DV
Freundlich, saftig, zugänglich, dicht und tief, schöne Würze, ausgesprochen animierend; saftig, klar, blitz-sauber, feine Extraktsüße, saftig, mineralischer Biss, gelber Apfel, wunderschön.
91 Martin & Christine Nigl, Senftenberg 2009 Pellingen Privat EL KR-R, 13,5%, DV
Ungemein dicht, ätherisch-ölig-würzig, Zitrus, rosa Pfeffer, Melone, auch Pfefferwürze; wunderschön saftig, herrliche Dichte, feine Extrakt- und Fruchtsüße, mineralischer Kick, feiner Stoff.
90 Josef Dockner, Höbenbach 2009 Privatfüllung Gudrun KR-R, 14,5%, DV
Dicht, füllig, Rum-Kokos und reife Exotik, auch dezent sauvignonesk (aber nicht störend), spannende Pikanz, feine Würze; saftige Fülle, fest, mächtig, dabei aber lebendig und knackig, pikant, in seiner Art fein.
90 Matthias Hager, Mollands 2008 Alte Reben KA-R, 13%, NK
(Bio-Umstellung) Feine Reife, saftige Süße, auch rauchige Würze mit Sandelholz; dezenter Holzeinsatz spürbar, saftige Säure, gute Substanz, ausgesprochen angenehm.
90 Ludwig Neumayer, Inzersdorf/Tr. 2009 Der Wein vom Stein TR-R, 13,5%, 5,2 g/l, DV
Feine Zarte Pikanz, weiße Ribisel und feiner Pfeffer, auch ein wenig grüne Elemente (Minze); saftig, klar, blitzsauber, die Sorte sehr präsent, sehr fein.
90 Salomon Undhof, Krems-Stein 2009 Berglagen KR-R, 14%, DV
Witzige Nase, Würze in die rindsuppenaromatische Richtung (Liebstöckel, Zucchini), gelbe Äpfel und Kumquats; knackig-straffer Biss, kompakt, fast streng, frische Frucht, gute Säure, sehr fein.
90 Summerer, Langenlois 2009 Schenkenbichl KA-R, 13%, 6 g/l, GL
Steinobst und Quittengelee, auch ein wenig Pfirsich, dicht und tief; saftig-dichte Fülle, das CO2 noch nicht ganz eingebaut (wer’s nicht mag, soll dekantieren), erstaunlich lebendig und stoffig, lang.
89 Arndorfer, Straß 2009 Strasser Weinberge KA-R, 13%, DV
Kompakte, feste, dunkle Frucht, hübsches Pfefferl; "ein anschmiegsamer Lackel", auch ein wenig karamellig, Trockenfrüchte, stoffig, charaktervoll.
89 Fred Loimer, Langenlois 2009 Terrassen KA-R, 13%, 4,6 g/l, GL
Kraftvoll, saftig, dicht, sehr sortenaffin pfeffrige Kräuterwürze, auch Grapefruit und Quitte; feine und dichte Würzefülle, saftig, die Fülle balanciert die zarte Bitterkeit.
89 Malat, Palt 2010 Höhlgraben KR, 12,5%, DV
Hübsche, wenn auch recht deutliche, Würzepikanz, fast schon ein forscher Auftritt; saftig-herz­hafter Biss, Zitrus und Grapefruit, fein eingebundene Säure, erstaunlich charaktervoll, sehr fein.
89 Günter & Renate Nastl, Langenlois 2010 WelKam KA, 12%, DV
Süßlich angehauchtes Gletschereis, frisch, viel Pepp, Zitrus und rosa Grapefruit; herzhafter Biss, klassisches Pfefferl, feine Würze, feiner
Sommerwein, animierend und süffig.
88 Walter Buchegger, Droß 2010 Gebling KR, 12,5%, DV
Etwas eigenwillig durch zarte Gerüchigkeit, mit Luft kommt Staubzucker; beginnt erstaunlich körperreich, saftig, guter Biss, sehr
ordentlich.
88 Birgit Eichinger, Straß 2010 Wechselberg, KA, 12,5%, 2 g/l, NK
Hübsch parfumiert, Maiglöckchen, Jasmin, auch ein wenig Minze, zart kräuterwürzig; am Gaumen holt er auf, schönes Pfefferl, zartes CO2, frisch und saftig, auch Druck und hübsche Länge.
88 Holzer, Nußdorf/Tr. 2009 Privat TR-R, 13,5%, 4,7 g/l, DV
Wunderbar klare, klassische Pfeffernase, die Sorte springt richtiggehend aus dem Glas, dazu Kernobst; eigenwillige Schärfe, Zitrus, Pfeffer, gute Würze, individuell.
88 Mantlerhof, Gedersdorf 2009 Spiegel EL KR-R, 13,5%, NK
Ungemein eigenwillig gerüchig, braucht viel Luft und Geduld, das Gerüchige verflüchtigt sich nur langsam; dezente Vanille vom Holz, kommt mit der Zeit (unbedingt dekantieren!), kontroversielle Sache.
88 Vorspannhof Mayr, Droß 2010 Point KR, 12,5%, DV
Feine süße Steinobstnoten, erinnert an Riesling, attraktiv, auch Zuckerstangerl und kandierte Früchte; herzhafter Säurebiss, knackig, frisch, sollte noch zulegen.
88 Müller, Krustetten 2010 Kremser Kogl KR, 12,5%, DV
Fast aufdringliche Sauvignonpikanz, fast kitschige Maracujanoten; in seiner schrägen Art saftig, hinten reifes Steinobst, feiner Wein – aber wo bleibt die Sorte?
88 Rabl, Langenlois 2009 Vinum Optimum KA-R, 13%, 2,8 g/l, DV
Süß angehauchte Pikanz in die sauvignoneske Richtung, auch etwas Bazooka-Kaugummi, reife Ringlotten; fleischige Fülle, ganz zartes CO2, fast freche Würze, witziger Wein.
88 Johann Topf, Straß 2009 Ofenberg EL KA-R, 14,5%, 6,8 g/l, DV
Reif, dicht, geht in Richtung Trockenfrüchte, auch zarte Vanillekipferl; füllig, die Süße spürbar, geschmeidig, aber auch ein wenig gerbstoffig, momentan wenig Animo, ruhig, braucht merklich Geduld.
87 Renate Haimel, Traismauer 2009 TR-R, 13%, 1,7 g/l, DV
Sehr fein, dicht, klassisch, auch viel Schmelz, warme, reiche, reife Fruchtwürze; füllig, fast üppig, viel Stoff, vierschrötig, aber irgendwie fehlt’s an
Eleganz und Charme.
87 Andreas Herzinger, Nußdorf/Tr. 2009 Hochschopf Privat TR-R, 13%, 1,9 g/l, DV
Honig, Mandel-Milch-Noten, auch noch wie zart hefig angehaucht, zudem etwas bierig; wenig Sortenanimo, aber als Wein nicht unspannend, milde Säure, dadurch weich wirkend, hinten wieder hefig-bittrig.
87 Landesweingut Krems 2010 KR, 12,5%, DV
Gletschereis pur, floral; am Gaumen zarte Bananennoten, merklich auf der einfach gestrickten Seite liegend, die Sorte nur zart angedeutet.
87 Stift Göttweig 2010 Göttweiger Berg KR, 12,5%, DV
Merklich verhalten, dahinter zart floral, auch Kräuterbonbons und blättrige Noten; geradlinig, sehr solid und sauber.
87 Weixelbaum, Straß 2010 Ried Absdorfer KA, 12,4%, 3,5 g/l, DV
Klar und klassisch, feines Pfefferl, etwas kühles Menthol, Quitten; ein wenig rustikales Mittelgewicht, sauber, frisch, ordentlich.
86 Godfried Steinschaden, Weinschlössl, Engabrunn 2010 Riede Stein KA, 12,8%, 4,8 g/l, DV
Eigenwillige Würze, zarte Bananenelemente, Honigmelone, ein wenig schwermütig; auch am Gaumen eher ruhig, der zarte Zuckerrest merklich, könnte mehr Animo zeigen.