Eine Frage der Lage

Lagen-, Herkunfts- oder Cru-Kaffeebohnen gelten als die Krönung des sensiblen Kaffee-Genusses. Und als großes Geschäft natürlich auch.

Text von Florian Holzer/Foto: GettyImages

Kaffeebohnen um 3.000 Dollar pro Kilo? Ja, das gibt es, wenngleich selten. Aber auch 300 Dollar für ein Kilo Kaffee kann man zahlen, wenn man will, sogar recht häufig. Die Preis-Rankings der „teuersten“, „wertvollsten“ und sonstwie ­superlativen Kaffees werden von Kaffee-Blog zu Kaffee-Blog weitergereicht.

Tatsächlich spielten Herkünfte im Kaffee-Business natürlich immer schon eine entscheidende Rolle. Berechenbare Qualitäten und Typizitäten waren und sind entscheidend, um gleichbleibende Mischungen anbieten zu können. Santos aus Brasilien für Body und die haselnussige Grundnote, Tarrazu aus Costa Rica für das komplexe Spiel, indischer Malabar für die dunklen Schoko-Akzente, und Sidamo oder Yirgacheffe aus Äthiopien sorgen dann noch für die blumig-fruchtigen Nuancen.

Und wenn es etwas ganz Besonderes sein sollte, dann durften es Bohnen sein, die schon über Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinweg besondere Qualitäten erbrachten. Wegen besonderer Böden, eines besonderen Klimas, das sie langsam reifen lässt, wegen einer besonderen Sorte, außergewöhnlich, selten und daher teuer. Die bekannteste davon ist sicher Jamaica Blue Mountain, eine karibische Arabica-Bohne, die schon lange vor Erfindung des Third Wave-Trends mit mildem Geschmack und ­geringen Bitterstoffen überzeugte. Jamaica Blue Mountain zählt mit rund 200 Euro pro Kilo einerseits zu den teuersten dieser „klassischen“ Lagen-Kaffees, kann allerdings auch wirklich als „Cru“ bezeichnet werden, da die Herkunfts- und Produktionsbedingungen – gewachsen zwischen 910 und 1.700 Höhenmetern an vulkanischen Hängen in vier Regionen im Osten Jamaicas – von staatlichen Behörden kontrolliert werden.

Auch Kona aus den beiden hawaiianischen Regionen Hualalai und Mauna Loa auf Big Island ist so ein Fall: Seit dem 19. Jahrhundert kultiviert, extreme geologische und klimatische Voraussetzungen und eine äußerst geringe Menge (aktuell außerdem bedroht sowohl durch den Kaffeebeerenkäfer als auch durch den sogenannten „Kaffeerost“, eine Pilzerkrankung) sorgen für Kilopreise bis 150 Euro.

Das sorgt natürlich für Anreize. Einerseits, prestigeträchtige Lagen-Kaffees zu fälschen, wie etwa im Fall von Michael Norton aus Berkely, der 1996 angeklagt wurde, mittelamerikanischen Kaffee als Kona zu verkaufen, im Jahr 2000 bekannte er sich schuldig. Andererseits, prestigeträchtige Kaffee-Crus schlichtweg zu erfinden und – zweifellos guten – Kaffees wohlklingende Finca- und Hazienda-Namen zu geben, sie aufwendig in Kartons zu verpacken, mit einer Fantasie-Klassifikation wie „Premier Grand Cru“ oder überhaupt gleich „Gran Café Grand Cru Premier Grand Cru“ zu versehen und einen Preis von 770 Dollar für 250 Gramm zu verlangen. Ist natürlich völlig absurd, aber auch so kommt man in Rankings.

Das sind die „Marketing-Crus“, sagt Karl Heissenberger aus Graz, seit 40 Jahren im Tee- und Kaffeehandel tätig, Kaffees für Leute, die auch Kopi Luwak oder Black Ivory kaufen (in Thailand von Elefanten ausgeschiedene Kaffeebohnen, mit einem Kilopreis von 2.300 Euro derzeit der Anführer aller Preis-Rankings). Die interessieren ihn aber nicht, stolz ist er dafür, einen der sehr besonderen „klassischen“ Lagen-Kaffees anbieten zu können, und zwar einen Galapagos in ­Peaberry-Qualität. Galapagos-Kaffees gelten generell schon als extrem selten, die „Peaberries“ – statt zwei flachen Bohnen befindet sich aufgrund einer genetischen Mutation in manchen Pflanzen nur eine einzige kleine runde Bohne in der Kaffeekirsche, in der sich das Aroma von zwei Bohnen konzentriert – sind quasi superselten. Dazu kommt, dass auf den Galapagos-Inseln nur biologische Landwirtschaft erlaubt ist, sodass die Beeren aufgrund der kalten Nächte langsam reifen und nur ein Mal pro Jahr abgeerntet werden, „ein Traum!“, jubelt Heissenberger.

Das sind die „Marketing-Crus“, sagt Karl Heissenberger aus Graz, seit 40 Jahren im Tee- und Kaffeehandel tätig, Kaffees für Leute, die auch Kopi Luwak oder Black Ivory kaufen (in Thailand von Elefanten ausgeschiedene Kaffeebohnen, mit einem Kilopreis von 2.300 Euro derzeit der Anführer aller Preis-Rankings). Die interessieren ihn aber nicht, stolz ist er dafür, einen der sehr besonderen „klassischen“ Lagen-Kaffees anbieten zu können, und zwar einen Galapagos in ­Peaberry-Qualität. Galapagos-Kaffees gelten generell schon als extrem selten, die „Peaberries“ – statt zwei flachen Bohnen befindet sich aufgrund einer genetischen Mutation in manchen Pflanzen nur eine einzige kleine runde Bohne in der Kaffeekirsche, in der sich das Aroma von zwei Bohnen konzentriert – sind quasi superselten. Dazu kommt, dass auf den Galapagos-Inseln nur biologische Landwirtschaft erlaubt ist, sodass die Beeren aufgrund der kalten Nächte langsam reifen und nur ein Mal pro Jahr abgeerntet werden, „ein Traum!“, jubelt Heissenberger.

Foto: GettyImages. Auf der Insel St. Helena ist nicht nur Napoleon verstorben, hier wächst auf vulkanischen Hängen mit etwa 300-Kilo-Jahresproduktion einer der rarsten – und ­damit wertvollsten – Arabica-Kaffees der Welt. Sehr gut ist er darüber hinaus auch.

Mit dem Boom des Kaffeemarkts, mit der Begehrlichkeit nach Besonderem und Rarem tauchten aber natürlich auch neue Player am Markt auf. Giganten wie Starbucks zum Beispiel oder finanzstarke Handelshäuser aus Japan. Und während sich Karl Heissenberger noch in Sicherheit wiegt und sagt, „die kaufen eh nur große Lots, die kleinen, wirklich speziellen Lagen sind für Starbucks nicht interessant“, startete der Kaffeekonzern eine Linie namens Starbucks Reserve und hier eine Serie namens Micro Lots. Und dafür sind dem Riesen aus Seattle auch hundert Kilo von der Atlantik-Insel St. Helena – ein Drittel des dortigen Gesamtertrags, also ­einer der rarsten Kaffees der Welt – nicht zu wenig. Für 250 Gramm zahlt der Starbucks-Kunde 80 Dollar.

Veranstaltungen wie die in fast allen Erzeugerländern stattfindenden Cup of excellence-Verkostungen und -Versteigerungen, die 1999 von einer Gruppe unabhängiger Kaffee-Experten eigentlich ins Leben gerufen wurden, um Kleinproduzenten eine Präsentationsmöglichkeit jenseits althergebrachter Handelskanäle zu geben, spielen den Konzernen da durchaus in die Hände. Denn kaum erreicht ein Kaffee dort eine fantastische Punkteanzahl und ist außerdem noch schön selten, heben die Vertreter von Starbucks oder ein japanischer Kaffeehändler die Hand. „Bei einem absurd hohen Score kann das Kilo dann gleich einmal ein paar hundert Dollar kosten“, weiß Tobias Radinger, unabhängiger Kleinröster und Besitzer der Kaffeefabrik in Wien, „ich möchte nicht wissen, was in Japan die Tasse dann kostet.“

Diese Hype-Kaffees seien dann jedenfalls so teuer, dass sie ihn ohnehin nicht interessieren, so Radinger, „aber bei der Kategorie darunter steigen sich unabhängige Röster wie wir und Starbucks schon ab und zu auf die Füße“. Denn schließlich hätten die Großröstereien – in Österreich bietet etwa auch Meinl seit Kurzem eine Serie mit Kleinröster-Anmutung namens Just Roasted an – das Marketing-Potenzial des speziellen Kaffees längst entdeckt. „Das heißt, dass wir zumindest irgendwas richtig gemacht haben“, lacht Radinger.

Aber wie darauf reagieren, wenn finanzstarke Großunternehmen jetzt die Bohnen haben wollen, für die Kleinröster zwanzig Jahre lang Marketing machten? Da gebe es unterschiedliche Strategien, so Tobias Radinger. Einerseits Direct trade, also direkten Handel mit den Erzeugern und Erzeuger-Kooperativen, hinfahren, vor Ort sein, gute Preise zahlen, beim nächsten Besuch Kaffee mitbringen und den Leuten zeigen, was man aus ihren Kaffeebohnen macht, „das ist oft ein sehr starkes Argument“. Oder ganz neue Kaffees entdecken: Wie viele Kleinröstereien bezieht Radinger auch Bohnen von Hamburger oder Londoner Agenturen, die sich ­darauf spezialisiert haben, den „neuesten heißen Scheiß“ zu finden, aber die werden natürlich auch von den Agenten und Brokern der Großen beobachtet. Außerdem könne man auch alte, in Vergessenheit geratene Crus wieder zum Leben erwecken oder sogar verbessern, weiß Karl Heissenberger, etwa ­indem man prestigeträchtige Sorten wie die augenblicklich extrem populäre Arabica-Sorte Gesha pflanzt, „die junge Generation von Pflanzern sorgt da für dramatische Qualitätsverbesserungen, und die verdienen jetzt drei Mal so viel wie ihre Väter“. Oder man konzentriere sich überhaupt auf die traditionellen Top-Destinationen wie Santos oder Äthiopien, die für den Hype-Markt uninteressant seien, wo sich abseits des Mainstream-Markts aber auch immer Tolles tue, so Heissenberger. Erinnert uns das alles ein bisschen an die Weinwelt?