Espresso, handgepresst

Hoher Druck, hohe Temperatur, hoher Grad an Präzision – Espresso galt bisher nur mit reichlich technischem Aufwand machbar. Ein Engländer erfand ein schlichtes Gerät, das diese Ansicht widerlegt.

Text von Florian Holzer Foto: beigestellt

Wir wissen, dass man in einer Bialetti keinen Espresso machen kann – zu hohe Temperatur, viel zu wenig Druck. Mokka ist das Ergebnis und Mokka ist eh gut, aber halt was anderes. Manche rätseln auch, wie all die kleinen Kapselkaffee-Automaten in nur wenigen Minuten Aufwärmzeit die thermischen und drucktechnischen Parameter erlangen können, um 95° Wassertemperatur und 9,5 Bar Druck zu generieren. Unten kommt jedenfalls ein schaumiges Heißgetränk heraus, und ob es veramente Espresso ist, darüber wird in Internet-Foren trefflich gestritten.

Wie auch immer, wir haben uns damit abgefunden, dass Gerätschaft, die uns die braune Essenz in die Tasse drückt, teuer und technisch kompliziert sein muss.

Patrick Hunt nicht. Der Industriedesigner aus Leeds entwickelte 2002 ein Gerät, das auf Ideen aufbaut, die italienische Kaffeemaschinendesigner schon vor langer Zeit hatten, nämlich den notwendigen Druck nicht über Pumpe, sondern mit der Hand zu erzeugen – und zwar nicht durch Spannung einer Feder, wie bei den meisten Hebel-Espressomaschinen, sondern durch schlichtes Drücken. Die von ihm entwickelte Konstruktion geisterte zwar ein paar Jahre durch die Kaffee-Foren, hatte aber noch echte Schwächen und ein gutes Espresso-Ergebnis war eher Zufall, was man so hört. Vor zwei Jahren wurde jedoch redesigned, und seither lauten die Urteile etwas anders …

Der ROK-Espressomacher sieht aus wie ein Mittelding aus Orangenpresse und irgendeinem dieser unglaublich praktischen Büro-Geräte, von denen Weihnachtskataloge nur so überzuquellen pflegen, mit denen man sich Büroklammern selber biegen oder die Visitkarten mit einzigartigem Prägedruck versehen kann. Ein Metallgestell mit einem Plastikgehäuse und zwei Hebeln. Fertig. Zweifel, dass aus so einem Gerät ernst zu nehmender Espresso kommen kann, sind nicht nur berechtigt, sondern unvermeidlich. Schon allein der Preis …

Aber das Prinzip ist grundsätzlich nicht blöd: Das heiße Wasser kommt nicht aus dem Gerät selbst, sondern aus der Teekanne, womit eine nicht unwesentliche technische Hürde elegant delegiert wird. Der wesentliche Punkt ist die durch eine Gummidichtung versiegelte Wasserkammer, die wie ein Ventil wirkt. Man schnallt unten den Siebträger mit Kaffeepulver ein, füllt die Kammer mit Wasser, lüpft die Hebel, der Wasserbehälter hebt sich, das Wasser fließt durch zwei kleine Öffnungen in den sich darunter bildenden Hohlraum über dem Kaffeepulver. Dann drückt man die Hebel wieder runter, kräftig, der in der Kammer entstehende Druck sorgt dafür, dass der Gummiring die zwei kleinen Einfließöffnungen versiegelt und man kann nun das heiße Wasser mit aller einem zur Verfügung stehenden Kraft durch das Kaffeepulver pressen. Und siehe da, da unten kommt wirklich Espresso raus.

Also natürlich nicht beim ersten Mal. Beim ersten Mal verabsäumt man es ziemlich sicher, den Siebträger mit heißem Wasser anzuwärmen. Und man macht es vielleicht auch so, wie es in der Anleitung steht, füllt somit zu wenig Wasser ein, womit nicht genug Druck entsteht und eine braune Suppe ausrinnt.

Aber je mehr einem das doch recht schlichte Prinzip verständlich ist, je mehr sich das Metall des Gerätes erwärmt hat, und vor allem je öfter man sich das Anleitungsvideo auf Youtube angesehen hat, desto besser wird es. Beim zweiten Mal kommt aus dem Passalacqua „Cremador“ – Patrick Hunt empfiehlt explizit vorgemahlenen Kaffee, und ein bisschen was Cremigeres kann da ja nicht schaden, denkt man sich – dann schon so etwas Ähnliches wie Crema. Beim dritten Mal nimmt man schließlich wirklich viel Kaffeepulver, drückt es mit dem mitgelieferten, jämmerlichen Plastik-Löffel/Tamper so fest wie möglich in das Sieb, und man füllt auch wirklich viel Wasser ein, was den Druck deutlich erhöht. Ergebnis: Okay, sieht aus wie Espresso, riecht wie Espresso und schmeckt auch schon so ähnlich.

Mit ein bisschen Herumexperimentieren hat man es dann bald so weit im Griff, erstens nicht die ganze Küche zu überschwemmen, zweitens sich auch über frisch in der Mühle gemahlenes Kaffeepulver zu trauen (immer besser) und drittens den wesentlichen Schritt – der in Barista-Kreisen übrigens auch immer mehr an Bedeutung gewinnt – zu beachten, nämlich die Befeuchtungs- und Quell-Phase: Was bei herkömmlichen Espresso-Maschinen automatisch passiert, nämlich dass heißes Wasser zuerst mit geringerem Druck ins Kaffeepulver dringt, um die ätherischen Öle zu lösen und das Pulver aufquellen zu lassen, kann bei diesem kleinen, billigen Espresso-Drucker ganz nach Belieben gesteuert werden – so wie bei den irrwitzig tollen, sündteuren High-End-Geräten in den Dimensionen einer Slayer, La Strada oder wie die Feuchtträume der Baristas alle heißen mögen. Man drückt da also vorsichtig das Wasser in den Kaffee, man spürt den größer werdenden Widerstand, man merkt, wie das gepresste Kaffeepulver quillt und kompakt wird. Man kommuniziert quasi mit dem Kaffee. Ein paar Sekunden, vielleicht, bis unten das erste Tröpflein in die Tasse fällt, dann Hebel wieder rauf, mit voller Kraft runterdrücken – und aahhhh! Da löst sich plötzlich wirklich der idealtypische Espresso-Faden, haselnussbraun und von cremiger Geschmeidigkeit, oben dicker, unten dünner, wahrhaftige Crema. Ein sehr schöner Moment.

Einen Nachteil hat das Gerät natürlich, es kann nur doppelten Espresso machen, keinen einfachen. Eine gewisse Kaffeemenge ist bei diesem System nämlich notwendig, um den entsprechenden Widerstand zu generieren, der den notwendigen Druck erzeugt. Aber okay, trinkt man halt mehr, soll sein. Dass der Siebträger von rechts nach links eingespannt werden muss, anders als sonst immer, liegt wahrscheinlich daran, dass es ein englisches Design ist, okay, gewöhnt man sich auch daran. Die filigrane Bauweise vor allem des Siebträgers tut allerdings ein bisschen weh. Da ist man versucht, auf die nächste, vielleicht etwas massiger gefertigte Variante zu warten …

Tatsache aber ist, dass der ROK-Espressomacher die bisher einfachste und günstigste Variante ist, um dem idealen Espresso möglichst nahe zu kommen. In Situationen, in denen kein Strom zur Verfügung steht und vielleicht auch gerade keine vernünftige Siebträger-Espressomaschine zugegen ist – auf der einsamen Schihütte etwa, im Bunker, im Zelt, im Iglu, auf der Insel – rettet einen der ROK-Espressomaker somit durchaus aus der Espresso-losen Not. Und das effektiv besser als die Bialetti.

ROK Espressomaker
um € 159,– bei www.connox.de