Feine Klassik
Bordeaux und Burgund, Rioja, die Toskana und das Piemont – das sind traditionell die renommiertesten Rotweingebiete der Alten Welt. Grund genug, die Piemonteser wieder einmal Revue passieren zu lassen.
Feine Klassik
Text von Michael Prónay Foto: Alexi Pelekanos
Bevor man uns vorwirft, das Rhônetal, Ribera del Duero, das Priorat oder den Douro zu unterschlagen, so darf doch bemerkt werden, dass Ruhm und Ruf dieser Weinbaugebiete doch bedeutend jüngeren Datums sind als jene des Piemont. Sechs Provinzen umfasst die norditalienische Region, wobei in Sachen Rotwein Cuneo mit Abstand die bedeutendste ist, hier liegen die beiden Kronjuwelen Barolo und Barbaresco. Auch Alba liegt in Cuneo. Mit deutlichem Abstand folgt Asti, die zwar rotweinmäßig nicht ganz unbedeutend ist, ihren Ruhm aber doch ganz eindeutig dem weißen Perl- (Moscato d’Asti) und Schaumwein (Asti, vormals Asti Spumante) aus der Muskatellerrebe verdankt.
Etwa 55.000 Hektar stehen im Piemont unter Reben, etwas mehr als in Österreich (48.000 ha), etwas weniger als in der Toskana (64.000 ha). Die mit Abstand meistangebaute Rebe im Piemont ist Barbera (über 50%), gesamtitalienisch liegt sie auf dem zweiten Platz hinter Sangiovese. Bis in die allerjüngste Vergangenheit galt sie als anspruchslose, ertragssichere Rotweinrebe für einfachere Qualitäten: Im Piemont, der Lombardei und der Emilia-Romagna waren die anspruchslosen Vini da Tavola weit überwiegend aus ihr gekeltert.
Barbera …
Dann aber kamen zwei Winzer, die bewiesen, dass die Sorte durchaus auch zu Höherem fähig ist, wenn man sie gut behandelt. Sie standen am Beginn einer Entwicklung, die durchaus Parallelen in Österreich hat, wenn man sie mit dem Siegeszug des Grünen Veltliners vergleicht. Bis weit in die 1970er Jahre war der Grüne gleichbedeutend mit dem jugendlich-spritzigen Brünnerstraßler-Typus. Erst später zeigte sich, was die Sorte kann.
Einer der Winzer also war Bruno Giacosa, der schon in den 1970er Jahren Barbera d’Asti und Barbera d’Alba auf Flaschen zog, die sich gewaschen hatten. Allerdings hat’s damals kaum jemand bemerkt. Das änderte sich allerdings schlagartig, als der begnadete, viel zu früh verstorbene Winzer und Kommunikator Giacomo Bologna vom Weingut Braida in Rocchetta Tanaro mit dem 1982er seinen ersten Jahrgang vom Bricco dell’Uccellone auf den Markt brachte. Der barriqueausgebaute Barbera d’Asti und Bologna wurden über Nacht zu Superstars, und Barbera startete die Karriere als Edelrebsorte.
… und Nebbiolo
Nebbiolo ist neben der Sangiovese traditionell die Toprotweinsorte Italiens schlechthin und damit auch im Weltmaßstab. Allerdings ist sie von den absoluten Topstars – neben Sangiovese Cabernet Sauvignon, Pinot Noir und wohl auch Syrah – das mit Abstand unbekannteste Wesen. Nicht deshalb, weil man die besten Barolos und Barbarescos (die stets reinsortig aus Nebbiolo gekeltert werden) nicht kennen würde, sondern weil sie sich häufig kapriziös der Einordnung und Beschreibung verschließt. Cabernet und Syrah sind vergleichsweise einfach beschreibbar, deren Aromaelemente – hier Ribisel, dort Pfeffer und Maulbeeren – leicht zu erfassen. Beim Pinot fällt manchmal die Beschreibung schwer: "Knoblauch ist Knoblauch und Pinot ist Pinot – beides schwer zu beschreiben, aber einmal gerochen respektive einen guten Pinot verkostet, merkt man sich’s", meint Altmeister Michael Broadbent. Und recht hat er: Beim guten Pinot ist man sich sehr rasch einig, einen guten vor sich zu haben.
Anders beim Nebbiolo. Die Fruchtentwicklung bleibt auf eine seltsame Art hintergründig, bei aller Klasse, die die guten Weine zweifellos haben, entziehen sie sich merkwürdigerweise der Beschreibung. Pinotige Noten wurden genannt, das stimmt zwar, aber in einer anderen, deutlich weniger "süßen" Art. "Goudron" (Teer) liest man auch immer wieder, aber zwischen einem Nebbiolo und einer Asphaltiermaschine liegen mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Es bleibt einem wohl nichts anderes übrig, als Michael Broadbents Ratschlag ernst zu nehmen, nämlich gute Exemplare zu verkosten und zu versuchen, die aromatischen Eindrücke zu memorieren.
Die Weine
In Abwesenheit der Barbera-Kings Giacosa und Bologna verwundert es nicht, wenn die Topweine unserer Verkostung ausschließlich der Sorte Nebbiolo entstammen. Ebensowenig überrascht es, wenn die Weine an der Spitze schon sehr solides Geld kosten. Umso erfreulicher sind aber 91 Punkte für einen Barolo, der keine 12 Euro kostet. Ein ausgesprochen honoriger Barbera d’Asti (88 Punkte) zum Preis von 1,90 Euro dürfte allerdings als wohl sensationellstes Preis-Leistungs-Verhältnis der Geschichte dieser Verkostungen in die Annalen eingehen. Letzterer Wein hatte einen Plastikstöpsel, alle anderen Naturkorken. Übrigens: Vier Korkfehler bei 34 Flaschen sind 12 Prozent – no further comment.
Bezugsquellen
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Bruckner, 1090 Wien, Tel.: 0664/435 48 70
Ernecker, 1228 Wien, Tel.: 01/774 67 91
Fraueneder, 5020 Salzburg, Tel.: 0662/62 34 30
Geko, 1230 Wien, Tel.: 01/616 71 90-0
Gottardi, 6020 Innsbruck, Tel.: 0512/58 44 93-0
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