Feine Weine vom Kap

Südafrika ist jenes Land der Neuen Welt, dessen Weine unserem Weingeschmack erstaunlicherweise am nächsten stehen, wie eine kleine Verkostung glaubhaft belegt hat.

Feine Weine vom Kap

Text von Michael Prónay Foto: iStockphoto

Den meisten Lesern wird Heinz Kammerer, Gründer und Chef der Weinhandelskette Wein & Co, durchaus ein Begriff sein. Wir können wohl mit Fug und Recht behaupten, dass er einen Narren an Südafrika gefressen hat, was sich logischerweise auch auf die Größe des Angebots niederschlägt: 77 südafrikanische Weine umfasste bei Redaktionsschluss das Sortiment. Dass Südafrika 2010 Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft ist, soll dabei auch nicht vergessen werden.
Wie kommt jemand wie Heinz Kammerer ausgerechnet nach Südafrika?
Die Antwort mag durchaus überraschen. Heinz Kammerer litt an Flugangst, insbesondere Langstreckenflüge waren seine Sache nicht. Ein einschlägiges Therapieseminar schien geholfen zu haben, also wollte er es ausprobieren. Da traf es sich gut, dass Kammerer auch kein besonderer Freund von Zeitverschiebungen ist (Südafrika liegt in derselben Zeitzone wie Mitteleuropa), und dass ihn weiters Pieter Malans von Simonsig – das Weingut war schon von Beginn an bei Wein & Co dabei – schon seit ewigen Zeiten bekniet hatte, Südafrika zu besuchen. Vor zwei Jahren war’s dann soweit, und inzwischen war er schon fünfmal unten, zum Zeitpunkt, da dieses Heft erscheint, ist es das sechste Mal.
Weinland Südafrika
Streifen wir die Urzeiten kurz: 1652 wurde die erste Weinernte eingefahren, 1685 das Weingut Constantia unweit Kapstadt gegründet, das etwa hundert Jahre später zum Star im europäischen Hochadel avancierte. Für den weitaus größten Teil des 20. Jahrhunderts war Südafrikas Weinbranche weit überwiegend Brennweinlieferant. 1918 wurde die KWV (Ko-operatiewe Wijnbowers Vereniging van Zuid Afrika) gegründet, eine Genossenschaft, die von Auspflanzrechten über Preise die Weinwirtschaft bis in die 1990er-Jahre fest im Griff hatte: Brennweinerzeugung mit preisgarantierter Abnahme ließen private Flaschenweinerzeugung kaum aufkommen.
Mit den ersten freien Wahlen 1994 und dem Ende der Apartheid und der Aufhebung des Handelsembargos ging es wie ein Ruck durch die Weinwirtschaft. Die Traubenproduktion für Brennwein und Traubensaftkonzentrat ist inzwischen von der Produktion von flaschengefülltem Wein völlig getrennt.
Südafrikas nach wie vor meistangebaute Flaschenweinrebsorte ist Chenin Blanc, als deren europäische Heimat das Loiretal in Frankreich gilt. Wir bekennen ehrlich, mit den weißen Loireweinen aus dieser Sorte (Anjou, Touraine, Vouvray) unsere Probleme gehabt zu haben – wirklich begeistert hat kaum je ein Wein –, aber was wir da aus Südafrika gekostet haben, erinnert irgendwie an Sauvignon, Veltliner und vielleicht auch Rotgipfler, und das ist durchaus als Kompliment gemeint.
Südafrikas mehr oder weniger autochthone rote Rebsorte ist der Pinotage, eine Kreuzung der Universität Stellenbosch aus dem Jahr 1925 zwischen Pinot Noir und Cinsaut. Die Winzer haben diese Sorte in jüngster Zeit wesentlich besser im Griff, noch vor einigen Jahren hatten wir kaum Bemerkenswertes im Glas.
Noch ein Detail ist erwähnenswert: Es gab in Südafrika nie ein Pendant zum australischen Grange, einem Kultwein zu entsprechenden Höchstpreisen. Das führt dazu, dass die Weine durch die Bank ein bemerkenswert gutes Preis-Leistungs-Verhältnis aufweisen. Ein kleines Kuriosum am Rande: bei den drei "STELL"-Weinen vom Weingut Stellenrust hat Heinz Kammerer nicht nur mitverkostet und seine Vorstellungen eingebracht, auch bei der Aufmachung ließ er sich von Weinen aus Österreich inspirieren, genauer gesagt von den "HILL"-Weinen des Joisers Leo Hillinger, der prompt befragt wurde, ob er jetzt auch schon in Südafrika Weine produziere.

Die Besten

Sekt
2007 Simonsig Kaapse Vonkel Brut, Stellenbosch, 12,5%, SK, € 11,99
(Cape Classic = traditionelle Flaschengärung, PN/CH/PM) Relativ kräftiges Gelb; feine, saftige, durchaus champagneske, ein wenig dünklere, vom Pinot geprägte Nase, charmant, viel Frucht; feines, doch festes Mousseux, cremig und doch sehr fein.

Weisswein
2008 Thelema Sutherland Sauvignon Blanc,
Stellenbosch, 13%, DV, € 9,99 (Stahltank) Etwas vorlaute, aber abersolut typische Sortennase, eingelegte Pfefferoni, papriziert, auch Cassis; saftig und herzhaft, schöner Fruchtbiss, im Finale auf der weicheren Seite, Hollerbeeren und Cassis bleiben lang, schöner Fischwein.
89 2009 Springfield Sauvignon Blanc Life from Stone,
Robertson, 12,5%, DV, € 14,99 (Kühlere Klima, kalkhaltige Böden)
Paprika, Dill, Minze und Eukalyptus, ätherisch kühl, auch frisch gemahlener weißer Pfeffer; salzig, merkliche Mineralik, hinten Grapefruit und Zitrus, etwas "goschert", eigenwillig, aber gar nicht schlecht.
88 2008 Mulderbosch Small Change Chenin Blanc,
Stellenbosch, 13,5%, DI, € 23,99 (Small Change, Kleingeld, so heißt der Hund des Winemakers.) Feines Holz, elegante Fülle, Akazienblüten, Heublumen, verwoben, viel Stoff; kraftvoll und fast üppig, aber durchaus kontrolliert, gute Statur; feine Länge, Holz präsent, aber diskret, erinnert ein wenig an die Thermenregion, sehr fein, extrakt- und vielleicht ganz zart restsüß.

Preis-Leistungs-Weine
89 2009 Simonsig Chenin Blanc, Stellenbosch, 14%, DV, € 5,99
Wiederum ein wenig auf der vorlauten Seite, durchaus sauvignonesk (durch Vollreife plus Stahltank); hübscher Biss, sauber, unkompliziert, der Alkohol völlig locker weggesteckt, Zitrus, Grapefruit, Blutorangen, gute Länge, sehr attraktiv.
88 2009 Stellenrust STELL White,
Stellenbosch, 13%, DV, € 5,99 (Idee: Sommerwein, nicht zu üppig; SB/Chenin)
Sehr fein sauvignoneske Aromen, Blütenhonig, freundlich; am Gaumen schöner Druck (vom Chenin), rund, dabei sogar vielschichtig, erstaunliche Länge, fester mineralischer Grip, blitzsauber und klar.
87 2009 Stellenrust STELL Rosé,
Stellenbosch, 13,5%, DV, € 5,99 (Pinotage) Knackig-frisches Pink; erztypische Beerenfruchtnase; elegante, weiche Frucht, Hauch Isabella und Walderdbeeren, deutlich extraktsüß, süffig und ätherisch.
88 Vaughan Johnson’s Good Everyday Cape Wine NV,
Stellenbosch, 13,5%, DV, € 4,99 (Rotwein ohne Jahrgangs- und Rebsortennennung) Sehr feine, hübsche, attraktive Dunkelfrucht, getrocknete Heidelbeeren und frische Beeren, zart selchige Aromatik (was auf Pinotage hindeutet); herzhafter Fruchtbiss, knackige Säure, schreit nach Fleisch mit Fettrand, sehr süffig, auch kühl zum Grill, tolles Preis-Leistungs-Verhältnis.
88 2009 Stellenrust STELL Red,
Stellenbosch, 14%, DV, € 5,99 (CS/ME/SY)
Sehr würzige Nase, merklicher Biss; herzhaft, saftig, burschikos, dabei gute Länge, passender Gerbstoff, Hauch Röst- und selchige Noten, herzhaft, viel Frucht hintendrein, ein wenig burschikos, aber durchaus mit Anspruch.
87 2008 Middelvlei Red Falcon,
Stellenbosch, 13%, PL, € 6,99 (Relativ kleines Weingut mit 70 ha, normal wären 200; ME/SY) Schöne Brombeeren, auch Maulbeeren; feine Dunkelfrucht, komplex, erschließen sich nicht auf den allerersten Schluck, braucht unbedingt etwas Fleischliches dazu (Springbock, Krokodil), auch salzig mineralisch korsettiert.

Merlot und Merlot-Cuvées
92 2008 Rust en Vrede Merlot,
Stellenbosch, 14,5%, NK, € 19,99 (Eines der ältesten Weingüter, die Architektur noch sehr holländisch geprägt) Klassisches Brombeerconfit, dicht, tief, vollreif, komplex, auch pfeffrig, dunkelbeerig; wunderschöner Fruchttiefgang,
ausgesprochen trinkfreundlich und zugänglich, sehr feiner Stoff, zarte Speck- und Dörraromen hinten, sehr lang.
92 2006 Rustenberg John X Merriman,
Stellenbosch, 14,5%, NK, € 29,99 (CS/ME/PV/CF/Malbec; riesiges Weingut)
Wunderschön klassisch, fast Pomerol-artig, dabei tief und saftig; klar, klassisch, absolut seriös, keine Spur von vordergründig, wiederum röstig-rauchig, dabei feste Frucht, vielschichtig und spannend, Paprika und Pfeffer, sehr kontrastreich und lang.
91 2003 Springfield the Work of Time,
Robertson, 14,5%, NK, € 23,99 (75 ME, dazu CF/CS/PV; eigenwillige Art, arbeitet mit Naturhefen, dadurch ist es der zweitgrößte Essigproduzent in Südafrika)
Schön gereifte Farbe; pikant, Hauch Lakritze, ätherisch; sehr reif, ganz zarte, aber kaum störende Oxidation, ein wenig sprödes Tannin, dennoch nicht uncharmant, eigenbrötlerisch, aber dennoch jetzt mit Vergnügen zu trinken.

92 2006 Camberley Cabernet Merlot,
Stellenbosch, 14,5%, NK, € 19,99
1. Flasche Korkschleicher. Feine, klare, klassische Frucht, Cassis, Campino-Bonbons, feine erste Reife; feine Fülle, charmant eingebundene Gerbstoffe, füllig und geradlinig, fein-seidiges Finish, sehr schön.

Cabernet Sauvignon
92 2007 Thelema Cabernet Sauvignon The Mint,
Stellenbosch, 13,5%, NK, € 27,99
Deutliche Minze, Hauch Teebläter (wie Cabernet Franc), auch Earl Grey, Tinte, aber durchaus spannend; saftig-dichte Frucht, klassisch, viel Kraft im Mittelteil, hinten aber feingliedrig ausklingend, kühle Anlage, sehr elegant und voller Finesse ausklingend.
94 2007 Boekenhoutskloof Cabernet Sauvignon,
Paarl, 14,5%, NK, € 34,99 (Extrem geringe Menge, 30 Flaschen hat Wein & Co als Erstlieferung bekommen, nur in Wien in den Bar-Filialen im Verkauf)
Sehr klassische Cassisnase, dicht, tief und fest; wunderschön dichte Frucht, präzise und ungemein stoffig, dabei lebendig und trinkfreundlich, ganz tolle Sache.
93 2006 Rust en Vrede Cabernet Sauvignon,
Stellenbosch, 15%, NK, € 34,99 (Traditionelle Ausbaustilistik, kommt deshalb später auf den Markt) Eher füllige Nase, sehr zwetschkig, die Cassiselemente eher im Hintergrund; sehr geradlinig, kein Chichi, durchaus seriös wirkend, ernsthaft, sehr solid, sehr trinkbar, Tannin erst ganz hinten, feine Pflaumen- und Kletzenfrucht.
90 2005 Rustenberg Peter Barlow,
Stellenbosch, 14,5%, NK, € 59,99 (Topwein des Guts; CS) Ein wenig vordergründige Frucht, hat von allem viel, fast zuviel; unglaublich dicht und fett, Bratapfel, Birne, ein Schwarzenegger von einem Wein, dahinter eine Unmenge Tannin, etwas gewöhnungsbedürftig.
94 2006 Kanonkop Cabernet Sauvignon,
Stellenbosch, 14%, NK, € 24,99 (Rustikale Bereitung in Lagares wie Portwein, aber auch extrem lagerfähig.) Strenge, durchaus geradlinige Stilistik, feine Cassis-Zwetschken-Noten; schöner Schmelz, feine Fruchtsüße, die Gerbstoffe präsent, aber nicht störend, trotz Gerbstoff sehr freundlich und entgegenkommend, sehr fein, tolle Länge, ganz ausgezeichnet.

Pinotage
89 2007 Simonsig Pinotage Redhill,
Stellenbosch, 14,5%, NK, € 19,99 ("Simonsig ist der Gernot Heinrich von Südafrika", so Gerhard Hammer.) Fleischig, fruchtsüß, wenig Ecken und Kanten,extraktsüß, Rum-Kokos, amerikanisches Holz, hintendrein zerflattert er ein ganz wenig.
92 2005 Kanonkop Pinotage,
Stellenbosch, 14,5%, NK, € 24,99 (Über Jahre verlässlich einer der besten Pinotages des Landes.) Süße Dunkelfrucht, auch ein wenig Vanillekipferl, Lychee, auch Leder; saftige Fülle, wiederum interessante Lycheenoten, engmaschig, kompakt, verwoben, tanninig, röstig, rauchig, fleischig, ausgezeichnet.

Shiraz und Shiraz-Cuvées
93 2003 Mulderbosch Faithful Hound, Stellenbosch, 13,5%, NK, € 14,99 (CS/ME/SY/MA/CF)
Beide Flaschen Kork. 2007 Lammershoek Syrah, Swartland, 14,5%, NK, € 27,99 (Das Gut wird von Paul Kretzel, aus Österreich ausgewandert, geführt.)
Explodiert richtiggehend vor Frucht, kühle Minze und deutlich pfeffrig, Maulbeeren; ungemein saftig und frisch, ein richtiger Bilderbuchsyrah, hinten die schwarzen Oliven, sehr fein, eigenständig, wenig Marmelade, aber auch nicht spröde wie Rhône.
91 2005 Waterford Kevin Arnold Shiraz,
Stellenbosch, 14%, NK, € 29,99 (Neues Weingut, 15 Jahre alt, pflegt internationale Stilistik.) Röstig, neues Holz, aber dennoch kühl, weißer Pfeffer; schöner Druck, modern, aber durchaus mit Persönlichkeit und Sortenfrucht versehen, feines Tannin, gesicherte Zukunft.

Süsswein
93 2008 Lammershoek Straw Wine,
Swartland, 10%, NK,€ 29,99 (Strohwein) Wunderschön klare, feine Marillennase, süß, absolut klar, auch Steinobst; sehr cremig und geschmeidig, wie Wein gewordene Marillenmarmelade, reifes Steinobst, dennoch durchaus balanciert, sehr, sehr gut gemacht, picobello, Kompliment!