Flasche leer

In der Kritik stand die althergebrachte Weinflasche aus Glas bereits bisher, und zwar aus ökologischen Gründen. Nun kommen auch noch die hohen Kosten für die Energie dazu, die für ihre Erzeugung nötig ist und zum Großteil aus (russischem) Erdgas gewonnen wird. Alternative Verpackungen sind folglich gefragter denn je.

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Text von Georges Desrues

Gewicht steht für Wertigkeit – das trifft auf ­Diamanten zu, auf SUVs und offenbar auch auf Weinflaschen. Wobei bei Letztgenannten das Gewicht nach aller Logik überhaupt nicht in Zusammenhang mit der Qualität des Inhalts steht. Und dennoch scheint eine alles andere als unbedeutende Zahl an Weinliebhabern darauf Wert zu legen, ihr Getränk aus möglichst schweren Flaschen auszuschenken. Zumindest behaupten das nicht wenige Winzer, die den Kundenwunsch als Hauptargument dafür nennen, dass sie nach wie vor in solche Flaschen abfüllen.

Das CO2-Problem
Ganz allgemein ist die Weinflasche, wenn es um Umweltschutz geht, der sprichwörtliche Elefant im Raum. So hat man das Gefühl, dass die meisten Winzer sehr wohl um die Belastung wissen, die ­Erzeugung, Transport, Entsorgung von Millionen von Glasflaschen und damit einhergehende Treibhausgasemissionen für den Planeten bedeuten. Anschneiden werden sie das Thema allerdings kaum. Selbst dann nicht, wenn sie kurz zuvor noch Abhandlungen gehalten haben über Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit ihrer Arbeit, über biologischen Anbau, naturnahe Erzeugungsmethoden und Vielfalt im Weingarten. Oder aber ihr Leid ­geklagt haben über Erderwärmung, Klimawandel, Unwetter und Frühlingsfrost. Kurz: über Wetter­phänomene, die bekanntlich und erwiesenermaßen allesamt mit unser aller (folglich auch ihrem) viel zu hohen CO2-Ausstoß in Verbindung stehen.

Ihre Abnehmer indessen scheinen sich des Problems bislang nur wenig bewusst zu sein – und bringen es vermutlich deswegen kaum zur Sprache. Und das, obwohl die Tatsachen auf dem Tisch liegen und besagen, dass 50 Prozent des CO2-Fuß­abrucks des globalen Weinbaus auf die gläserne Weinflasche zurückzuführen sind. Doch wird das Stillschweigen wohl bald ein Ende finden. In Amerika, wo ja bekanntlich alles Gute und Schlechte seinen Ausgang nimmt, wo aber auch die schwersten Autos und Flaschen erzeugt werden, wird längst über deren Gewicht diskutiert und nach Alternativen gesucht.

Die Leichtflaschen
Doch auch in Europa greifen immer mehr mutige Winzer das Thema auf und es entstehen Start-ups, die innovative Lösungen bieten. Als Ausgangswissen gilt, dass eine Weinflasche circa zwischen 300 Gramm und über ein Kilo wiegen kann. Eine recht breite Spanne, die allein schon das Einsparungs­potenzial beim Griff zur leichteren Flasche aufzeigt. Auch wiegen die Flaschen der allermeisten Premiers Crus im Bordeaux interessanterweise lediglich um die 500 Gramm, womit wohl auch mit dem ­Klischee, Gewicht stehe für Wertigkeit, aufgeräumt wäre.

Doch geht es natürlich nicht um Leichtigkeit allein. Eine Rolle spielen unter anderem auch Größe, Form, Stapelfähigkeit und alles andere, das Transport­kosten verringern könnte. Interessant ist, dass es einst bei der Entwicklung der schlanken und geraden Bordeaux-Flasche bereits darum ging, ein transportfreundlicheres Format zu finden, als es die bis dahin gebräuchliche und bauchigere Burgunder-Flasche bot, und dass viele Bordeaux-Produzenten ihren Wein bis in die 1960er-Jahre in Fässern zum für sie so wichtigen britischen Exportmarkt schifften, wo er dann in Flaschen abgefüllt wurde.

Wein aus der Bag-in-Box
Heutzutage ist die wohl bekannteste unter den ­alternativen Verpackungen der sogenannte Bag-in-Box, auch BiB genannt. Also ein Beutel, in der Regel aus Aluminium, mit eingebautem Plastik-Zapfhahn, der in einem würfelförmigen Karton steckt. Die Vorteile sind eindeutig und mannig­faltig: geringes Gewicht, das im Falle etwa eines 3-Liter-BiBs gleich vier Glasflaschen einspart und obendrein leicht stapel- und transportierbar ist. Als Bonus darf gelten, dass sich der Wein sehr leicht glasweise entnehmen lässt und dabei, geschützt vor Licht und Luft, tagelang frisch bleibt.

In die Monopolmärkte Skandinaviens, also nach Schweden, Finnland und Norwegen, traditionell bedeutende Absatzländer für österreichische Weine, exportieren einige namhafte heimische Winzer bereits jetzt in solchen BiBs. Darunter etwa die Weingüter Allram im Straßertal und Meinklang im Burgenland. Auch der Kamptaler Winzer Willi Bründlmayer verkauft dorthin, ist für BiB allerdings noch nicht zu haben. „Das ist für uns eine doch etwas zu schräge Art der Verpackung“, sagt der Winzer, „aber die Schweden verlangen ein Höchstgewicht für Flaschen, das wir natürlich einhalten.“ Solche umweltschützenden Auflagen sind freilich einer der wenigen Vorteile des ­ansonsten ziemlich anachronistischen und von skandinavischen Weinliebhabern heftig kritisierten Alkohol-Monopolsystems in besagten Ländern.

Recycelte Plastikflasche
Ein weiteres, viel ungewohnteres Verpackungssystem sind Flaschen aus ­alternativen Materialien wie zum Beispiel Papier, Flachs, Faserguss, Plastik. Wobei Plastik der am häufigsten zur Verwendung kommende Werkstoff unter genannten Exoten ist. Und dennoch ist die Zahl an europäischen Winzern, die damit arbeiten, bislang eher gering. Eine nennenswerte Ausnahme ist das Château Galoupet in der für ihre Rosé-Weine bekannten Provence, das vor zwei Jahren in den Besitz der Luxusmarken-Gruppe Louis Vuitton Moët Hennessy überging. Neben einem Rosé-Erstwein in einer schicken Glasflasche (immerhin aus 70 Prozent recyceltem Glas) erzeugt man nun auch einen Zweitwein namens „Nomade“. Dieser stammt gleichfalls aus biologischem Anbau und kommt in einer flachen Plastikflasche daher. Schön und gut, könnte man nun denken, Plastik ist vielleicht leichter, aber doch wohl kaum umweltfreundlicher als Glas. Ist es aber doch. Vor allem in diesem Fall. ­Handelt es sich doch um recyceltes Plastik, das am Meeresufer angeschwemmt und von einer Organisation namens Prevented Ocea Plastic gesammelt wurde.

Die Flasche aus Pappe
Einen noch revolutionäreren Weg geht das italienische Weingut Cantina Goccia in Umbrien. Dort setzt man auf eine Flasche namens „Frugal Bottle“, die aus 94 Prozent recycelter Pappe besteht und mit einer lebensmittelgerechten Innenbeschichtung ausgekleidet ist. Sie wiegt gerade einmal 83 Gramm, wird von der britischen Firma Frugalpac erzeugt und bietet den marketingtechnischen Zusatzvorteil, rundherum individuell bedruckt werden zu können.

Das französische Start-up Le Petit Baroudeur indessen hat vor Kurzem eine Flasche namens „Bio’teille“ aus Faserguss auf den Markt gebracht. Dieser wird aus Zellstoffmaterial wie Altpapier und Karton (man denke an Eierkartons) hergestellt und kann zu hundert Prozent wiederverwertet ­beziehungsweise kompostiert werden. Es hagelte Design- und Nachhaltigkeitspreise, abgefüllt wird aber bislang nur ein sehr einfacher Tischwein aus der Camargue.

Green Gen Technologies
Noch gar nicht im Einsatz ist die revolutionäre ­Flasche Green Gen Bottle, von der gleichfalls französischen Firma Green Gen Technologies. Sie wird aus geflochtenen pflanzlichen Leinfasern und Harz erzeugt. Derzeit wird mit potenziellen Abnehmern noch verhandelt, allerdings kann man auf starke Rückendeckung vonseiten des Unternehmens ­Louis Vuitton Moët Hennessy zählen.

Zu diesem zählen neben dem bereits erwähnten Plastikflaschen-Château Galoupet auch etliche weitere Wein- und Spirituosenerzeuger. Und es ­betreibt in Paris einen Start-up-Inkubator, in den der Flaschenerzeuger unlängst aufgenommen wurde. Was das ausgesprochene Ziel von Green Gen Technologies, nämlich im kommenden Jahr bereits eine halbe Million Flaschen zu erzeugen, durchaus plausibel erscheinen lässt. Bereits viel besser eingeführt ist da schon die Aluminiumdose, die vor allem in den USA von einigen namhaften Winzern eingesetzt wird, wie etwa vom bekannten Weingut des Filmregisseurs Francis Ford Coppola. Rechnet man Transport und Recycling ein, sei die CO2-Bilanz der Dose niedriger als die der Glasflasche, so heißt es. Wirklich attraktiv ist die Lösung dennoch nicht. Und ihre Nachhaltigkeit eher fraglich. Selbst wenn der Umsatz in den USA, angekurbelt durch die Pandemie und Online-Bestellungen, offenbar boomt.

Wie wäre es mit Flaschenpfand?
Bleibt noch eine weitere Lösung, die eigentlich ziemlich auf der Hand läge. Nämlich die gute alte Pfandflasche. In der Steiermark existiert bereits seit 2011 ein vom Land Steiermark initiiertes System der Flaschenrückgabe, an dem sich knapp 200 Weinbau­betriebe beteiligen. Die „Steiermarkflasche“, erkennbar an einem ein­gestanzten Panther, kann mehrmals befüllt werden. Wodurch nicht nur große Mengen an Altglas vermieden, sondern, so die Initiatoren, obendrein 96 Prozent der für die Herstellung von neuen Flaschen erforderlichen Energie eingespart werden.

Dass ein derartiges System nur mit einer einheitlichen Flaschenform funktioniert, liegt in der Natur der Sache. „Zurzeit aber ist die Flaschenvielfalt auf dem Markt zu groß, um an Sortierung und Wiederverwertung zu denken“, bedauert Willi Bründlmayer, „noch vor circa 20 Jahren klappte das bei einigen Gastronomie-Kunden noch gut. Sie wurden nahezu ausschließlich von einem einzigen Weingut beliefert, das das Leergut ­zurücknahm, reinigte und wieder­befüllte. Mit der wachsenden Vielfalt an Weinen in den Weinkarten und der damit einhergehenden Vielfalt an ­Flaschenformen wurde dieses Konzept allerdings obsolet.“ Deswegen ­nehme man heute das Leergut zwar nach wie vor zurück, führe es dann aber der Altglasverwertung zu, so der Winzer.

Auch international gibt es Bemühungen um ein einheitliches Pfandsystem. So hat etwa die spanische Winzerfamilie Torres ein Projekt initiiert, das sich Rewine nennt. Dabei werden über 80.000 Flaschen wiederverwendet, was, laut Homepage, dem Planeten bereits 170.000 Kilogramm CO2-Ausstoß erspart hat. Unterstützt wird das Projekt nicht nur von der Region Katalonien, sondern auch von der Europäischen Union. Überhaupt wäre wohl eine politische Entscheidung in Brüssel unabdingbar, um europaweit ein derartiges Pfandsystem effizient durchzusetzen. Denn dass die berühmte „unsichtbare Hand des Markts“ das Problem lösen könnte, scheint eher unwahrscheinlich. Zumal besagter Markt offenbar nach wie vor einigen Irrglauben erliegt, wie etwa jenem, dass Gewicht für Wertigkeit stehe. —

Adressen
greengentechnologies.com/green-gen-bottle
garconwines.com/wines-in-sustainable-bottles
packamama.com/what-we-do/better-bottles
preventedoceanplastic.com
frugalpac.com
rewine.cat

In vieler Hinsicht die ideale ­Verpackung, allerdings nicht ­gerade ein Sinnbild für Qualität: der Bag-in-Box
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Flache Plastik­flaschen wiegen weniger und lassen sich leichter transportieren als Glas.
Entscheidend bleibt, woher der Kunststoff dafür stammt.
© Chateau Galoupet
In den USA stark im Trend, in Europa bislang noch weit weniger gebräuchlich: Wein in Aludosen
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Genauso umweltschonend wie gewöhnungsbedürftig: die „Bio’teille“ aus Recyclingmaterial und mit geringem CO2-Ausstoß © Le Petit Baroudeur