French Connection, die reine Lehre

Sie sind mittlerweile rar gesät. Sie widersprechen jedem zeitgemäßen Trend zur Regionalität. Und es gibt sie dennoch: die Austro-Bordeaux, die hehren Mischungen aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet franc und sonst nichts.

Text von Florian Holzer · Fotos Peter M. Mayr

Wer auf sich hält, macht Blaufränkisch. Alte Rebstöcke, Schiefer, Gneis, Kalk. Okay, oder St. Laurent, alte Rebstöcke, Schiefer, Gneis, Kalk, gerne auch Opok oder Antimonit. Und Cuvée geht natürlich auch immer, vor allem mit Blaufränkisch, St. Laurent und Zweigelt von alten Rebstöcken und aus steinigen Lagen (Schiefer, Gneiß …). Da darf dann auch ein bisschen Syrah dabei sein, der heißen Würze wegen, ein bisschen Merlot, wegen dem süßen Fett, Cabernet franc, der erdigen Dunkelbeerigkeit zuliebe. Cabernet Sauvignon? Aber nur ein bisschen. Und besser nicht aufs Etikett schreiben. Wegen dem ABC („anything but Cabernet“).

Die Zeiten, da Cabernet Sauvignon noch der Star im heimischen Rotweinportfolio war, sind erstens lange vorbei und währten zweitens auch nur sehr kurz. Mitte und Ende der 80er-Jahre wurde er im allgemeinen Rotwein-Fieber so ziemlich überall ausgesetzt, in so ziemlich jeder Reifestufe vinifiziert und selbstverständlich ins neue Barrique gelegt. Bald kam man aber zur Einsicht, dass Cabernet Sauvignon in Österreich nicht die nötige Gradation erreiche, Blaufränkisch wurde der Star, der Cabernet verschwand in der Versenkung, wurde umveredelt, ging zu immer geringeren Anteilen in Cuvées oder wurde höchstens als reinsortige Kuriosität behalten.

Nur ganz wenige österreichische Rotwein-Cuvées, die sich an die originale Rezeptur aus dem Bordelais halten, überlebten bis heute und verdienen aus genau diesem Grund nähere Betrachtung beziehungsweise eine Einschätzung, inwieweit diese Protagonisten an das Original herankommen können oder wollen.

Die Historischen. Da sind zum Beispiel jene Exemplare, bei denen eine gewisse historische Komponente mitspielt. Diese Weine sind Teil der österreichischen Rotweingeschichte und ihrem Konzept einfach treu geblieben. Malteser Kommende Mailberg, zum Beispiel, eine kühle, würzige Cuvée aus dem nördlichen Weinviertel, 1986 erstmals zusammengestellt. Oder die elf Jahre später auf den Markt gebrachte Cuvée O’Dora des Klosterkellers Siegendorf, beide aus der Lenz Moser-Kellerei.

Oder da ist die Cuvée Privatkeller von Schlumberger mit ihrer ganz besonderen Geschichte. Nämlich jener, dass Firmengrüner Robert Schlumberger 1842 in Bad Vöslau für den wahrscheinlich ersten Rotwein Österreichs sorgte, zumindest nach heutigem Dafürhalten: Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet franc, ausgebaut in kleinen Holzfässern. Leider ist heute keiner dieser Ursprungsweine mehr erhalten, das Rotwein-Projekt wurde von Schlumberger aber über die Jahrzehnte hinweg aufrecht erhalten, „als Verpflichtung der Geschichte gegenüber“, sagt Unternehmenssprecher Benedikt Zacherl. Zwischen 1988 und 1989 wurden die Rebanlagen komplett neu gesetzt, unter der Marke „Goldeck“ kam eine günstige Cuvée für den Lebensmitteleinzelhandel heraus, unter „Privatkeller“ eine Cuvée, die in äußerst limitierter Auflage der Gastronomie vorbehalten war. Vor einigen Jahren fasste der heimische Sekt-Marktführer unter Produktionsleiter Herbert Jagersberger, den Entschluss, Goldeck aufzulassen und dem Privatkeller mehr önologische Ambition angedeihen zu lassen.

Seitdem wird dieser Wein immer besser: Die Cuvée besteht zu zwei Dritteln aus Cabernet Sauvignon, zu einem Drittel aus Merlot und zu ein paar Prozent aus Cabernet franc, der 2011er lässt seinen Cabernet-Anteil überdeutlich erkennen, Paprika und Cassis, und fragt man Sommelier Hermann Botolen, welche Herkunft er mit diesem Wein assoziieren würde, hört man ihn „günstiger Bordeaux, Entre-deux-Mèrs und rechts davon“ sagen, mürbes, geschliffenes Tannin, ein schöner, kleiner Bordeaux, der Spaß macht. Eine Stufe darüber angesiedelt der großartige 2009er, exakt definiert, scharf geschliffen, engmaschig, frisch, kühl und strahlend, „ohne Weiteres ein St. Emilion“, meint Hermann Botolen dazu.

Die Experimentellen. Dann gibt es die Cuvées, die dieses Thema aber doch ein wenig individualisiert beziehungsweise interpretiert wissen wollen. Etwa die Cuvée Vincent von Willy Bründlmayer aus Langenlois, Cabernet franc und ein bisschen Merlot (weniger als 15%), die Mitte der 80er-Jahre auf Terrassen am Heiligenstein gesetzt wurden. Das würde man heute wohl nicht mehr machen, andererseits steht natürlich nirgendwo geschrieben, dass der einzigartige Konglomerat-Boden nur für Riesling und Veltliner passt.

Wir verkosteten die Jahrgänge 2006, 2008 und 2009, der 2006er zeigte sich heiß, ein wenig plump, Soja und Algen kamen uns in den Sinn, Dörrzwetschken, blind verkostet hätte man ihn wahrscheinlich irgendwo in die Neue Welt, vielleicht auch nach Portugal verortet. Soja auch beim 2008er, viel Holz, viel Würze, schön, erinnerte an toskanische Tafelweine der späten 80er. Und dann der 2009er. Fruchtig, cremig, engmaschig und spürbar mineralisch, von kühler Würze durchzogen, leichte Schokoladenoten parallel – ein großartiger Rotwein, ein exzellenter Cabernet franc, weit weg von Bordeaux, dafür umso näher an der Loire.

Ebenfalls in die experimentelle Kategorie könnte man „Panta Rhei“ einordnen: Das 2006 von den beiden Traubenproduzenten Karl Leiter und Hans Wimmer mit Helmut und Heinz Velich sowie Hans Schwarz gestartete Weinprojekt orientiert sich nämlich weniger an Sortenstilistik, sondern ausschließlich am Terroir St. Georgens. Im Portfolio des Weinguts befindet sich auch eine – zumindest, was die Zutaten betrifft – überaus klassische Bordeaux-Cuvée namens „Caberhei“, Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet franc. Frisch geöffnet mutet der kühl-würzige Rotwein an, als wäre er aus irgendeiner vergessenen, autochtonen Rebsorte gekeltert worden, kalte Asche, Weihrauch, Ruby-Port; nach einigen Tagen öffnen sich dann die Cabernet-Aromen, dennoch auf der ganz kühlen Seite.
Die Österreichischen. Und es gibt jene, deren burgenländische Herkunft zweifelsfrei erkennbar ist. Die seit dem Jahr 1992 gekelterte „1000er“-Serie von Kurt Feiler aus Rust zum Beispiel: Cabernet franc, Merlot und Cabernet Sauvignon, zwar „international“ angelegt, aber meistens eindeutig Rust. Den „1010“ aus dem Jahr 2004 – samtig, aber mit hoher Säure – ins Burgenland zu raten, war nicht schwer, der dunkle, hitzige „1012“ aus dem Jahr 2006 erinnerte schon eher an einen Napa-Cab aus Oakville.

Der 2011er Cablot von Josef Gager überrascht ein wenig, weil man beim Meister des dunklen Kraftweines auch eher Übersee-Anklänge erwarten würde. Doch nein, die Cabernet Sauvignon-Merlot-Cuvée mit der Kleinigkeit von 14,5 Volumsprozent zeigt sich zwar dunkelbeerig, aber durchwegs kühl, engmaschig und verhältnismäßig fein. Mit einem Bordeaux wird man den Cablot dennoch nie verwechseln, dafür schmeckt man aber pures Mittelburgenland.

Und schließlich Bela Rex: Albert Gesellmann erzählt, dass sein Vater den Cabernet schon 1983 gesetzt hatte, Albert war Anfang der 90er gerade in Südafrika und Kalifornien, da war die neue Opus One-Winery gerade fertig und beeindruckte ihn sehr, Vorbild beim eigenen Cabernet war trotzdem das linke Ufer. Als 1992 der erste Bela Rex – 80 Prozent Cabernet Sauvignon von der schottrigen Riede Kart, 20 Prozent Merlot – ins Fass kam, war aber schon klar, dass es weder ein Bordeaux noch ein Opus One werden solle, „nicht üppig, nicht fett, sondern einfach unsere Region“. Und dass da jetzt eine Bordeaux-Cuvée der teuerste Wein des Betriebs war, wurde spätestens 1997 mit Einführung des „G“ und dann mit dem Prämium-Blaufränkisch „Hochberc“ geändert. In Österreich verkaufe sich der Bela Rex immer noch sehr gut, verrät Albert Gesellmann, international sei man an seiner Cuvée aber weniger interessiert, da ginge Blaufränkisch sehr viel besser …

Die Internationalen. Bleiben noch drei Cuvées, denen man den Willen zu einer gewissen Internationalität nur schwer absprechen kann. Und durchaus mit Absicht, wie Ernst Triebaumer erzählt. Mit Rotweinen internationaler Sorten konnte man sich in den 80er-Jahren bei Tastings weltweit gut profilieren, als das mit Blaufränkisch noch völlig undenkbar war. Nachvollziehbar, wir probierten den 2004er, der sich von köstlicher, lebendiger Kühle zeigte, pures Cassis, „Cabernet as Cabernet can“, so Hermann Botolen. Nach Bordeaux hätten wir diesen „festen, kompakten“ Wein nicht unbedingt geschätzt, eher an eines der kühlen Randgebiete Napas, nach Norditalien oder vielleicht sogar in eines der Gebirgstäler von Paarl.

Auch Fritz Wieninger hatte seine Gründe, warum er 1985 auf den Cabernet setzte: Wein-Doyen Dr. Helmut Romé behauptete damals nämlich, dass österreichischer Rotwein grundsätzlich zu vergessen sei und der aus Wien ganz besonders. Das spornte Vater und Sohn Wieninger an, man setzte was Kleinbeeriges, Dickschaliges, mit dem man dem einflussreichen Journalisten das Gegenteil beweisen wollte, „und wie man mit Fässern umgeht, davon hatte ich seit meiner Zeit in Kalifornien ein bisschen eine Idee“. Fritz Wieningers „Danubis Grand Select“ gärt mittlerweile vier bis fünf Wochen auf der Maische, was einen Wein ergibt, „den Leute, die gern richtigen Rotwein mögen, auch gerne trinken“. Das Wieninger’sche Vorbild Cheval blanc würden wir zwar nicht unbedingt wiedererkennen, dazu fehlt einfach der Cabernet franc (Wieninger: „der mich sehr reizen würde“), aber das Bordelais ist bei diesem kühl-samtigen, Cabernet-getragenen, extrem dicht verwobenen Wein zweifellos nicht weit. „Es ist vielleicht nicht die optimale Sorte für Österreich, aber der Wein hat durchaus seinen Platz. Die Reben werden in neun von zehn Jahren reif und um den Absatz meiner drei- bis fünftausend Flaschen muss ich mir keine Sorgen machen“, sagt Fritz Wieninger. Neu auspflanzen würde er Cabernet und Merlot trotzdem nicht mehr.

Ein absolutes Sonderkapitel ist die Cuvée Jungenberg vom Weingut Schloss Halbturn. Hier arbeitet man nämlich so nahe am Original wie sonst nirgendwo in Österreich – sei es Rebsorten-Mix, sei es die Vinifikation, sei es Preisgestaltung (90 Euro).

Es war 2001, als der Gastronom und Weinhändler Carlo Wolf den Auftrag angenommen hatte, aus dem bis dahin bedeutungslosen Schloss-Weingut einen Betrieb der Top-Kategorie zu machen. Und Carlo Wolf kennt Bordeaux wie seine Westentasche, hatte jahrelang mit den besten Weinen von dort gehandelt, hatte Anteile eines kleinen Weinguts in Saint-Emilion, wusste, wie man dort arbeitet. Und holte sich deshalb sowohl Geologen aus Bordeaux, als auch den Önologen François Xavier Gaboriaud, setzte Cabernet franc und Merlot in einen Hightech-Garten am Joiser Jungenberg und machte aus den Stallungen des Barockschlosses ein Chai nach Bordelaiser Vorbild.

Wolf verließ Schloss Halbturn 2005, mit dem Jahrgang 2006 gab es die erste „Cuvée Jungenberg“, seither jedes Jahr bis 2009. Auf Weinkarten findet man diesen bemerkenswerten Wein allerdings kaum, was einerseits am hohen Verkaufspreis liegen dürfte, andererseits am doch sehr limitierten Verkauf dieses Weins. Wir probierten den 2009er und waren überrascht, wie sehr ein burgenländischer Wein nach Bordeaux schmecken kann, „dicht, cremig, Laub, Waldboden, etwas Merlot-Hitzigkeit, etwas hoher Alkohol“, „aber wenn ich einen Pontet-Canet oder einen Phélan Ségur aufmach’, ist das genauso“, sagt Hermann Botolen – Bordeaux pur.

Fest steht, dass Bordeaux-Cuvées wohl nie mehr die Leitsorte Österreichs sein werden. Aber fest steht auch, dass diese Handvoll Weine klassischer Bordeaux-Bauart eine absolut erfrischende Ergänzung der heimischen, autochtonen Rotwein-Landschaft darstellen. Und fest steht auch, dass einige dieser Weine neben den Originalen eine wirklich gute Figur machen.

Adressen

Schlumberger
Hans Haderer-Gasse 8, 2540 Bad Vöslau,
Tel.: 01/368 22 58-0,
www.privatkeller.at

Weingut Bründlmayer
Zwettler Straße 23, 3550 Langenlois,
Tel.: 02734/217 20,
www.bruendlmayer.at

Weingut Wieninger
Stammersdorfer Straße 31, 1210 Wien,
Tel.: 01/290 10 12,
www.wieninger.at

Weingut Schloss Halbturn
Im Schloss, 7131 Halbturn,
Tel.: 02172/201 62,
www.weingut-schlosshalbturn.com

Feiler Artinger
Hauptstraße 3, 7071 Rust,
Tel.: 02685/237,
www.feiler-artinger.at

Panta Rhei
Seeuferstraße 12, 7143 Apetlon,
Tel.: 0664/434 41 90,
www.panta.at

Weingut Ernst Triebaumer
Raiffeisenstraße 9, 7071 Rust,
Tel.: 02685/528,
www.triebaumer.com

Josef Gager
Kellergasse 2 und 8, 7301 Deutschkreutz,
Tel.: 02613/803 85,
www.weingut-gager.at

Albert Gesellmann
Langegasse 64, 7301 Deutschkreutz,
Tel.: 02613/803 60,
www.gesellmann.at