Gegen den Trend

Auch wenn derzeit die Österreicher am liebsten heimische Weine trinken: Die Weine aus Australien, Neuseeland und Südafrika sind fast durchwegs besser geworden und haben vernüftige Preise.

Gegen den Trend

Text von Michael Prónay Foto: beigestellt
Was ist mit Herrn und Frau Österreicher los? Trinken sie nur mehr heimische Rote? Fast könnte man’s glauben, wenn man die vergleichsweise magere Ausbeute ansieht, die unsere Bitte um Weine aus Australien, Neuseeland und Südafrika bei den Importeuren ergeben hat. (Als Indiz für unsere Vermutung passt es genau, dass wir uns im Gegenzug durch deutlich über 400 heimische Rotweine für die Grand-Cru-Verkostung durcharbeiten mussten.)
Wie auch immer: Der Australien-Boom, der vor etwa zehn Jahren zu verzeichnen war, der ist jedenfalls vorbei. Was aber nicht bedeutet, dass es deshalb keine guten Weine mehr aus Australien gäbe, ganz im Gegenteil. Auch in Australien hat die Weinwirtschaft in den letzten Jahrzehnten nicht geschlafen, gewaltige Flächen wurden ausgesetzt, in Sachen Önologie sind die Australier ja sowieso mit an der Weltspitze – die "Flying Winemaker" wurden dort erfunden, nicht in Kalifornien oder Bordeaux –, und das Ganze so erfolgreich, dass Australien derzeit – ähnlich Bordeaux – an einer Überproduktionskrise laboriert.
Neuseeland hingegen ist ein eher unbeschriebenes Blatt. International ist das Land eher für seine Sauvignons bekannt, in zweiter Linie für ganz ausgezeichnete Pinot Noirs (und auch dafür, über 80% seiner Weinproduktion mit Schraubverschluss zu verschließen, aber das ist eine andere Geschichte).
Südafrika hingegen baut ebenfalls die bekannten Sortenvertreter an – Syrah, Cabernet, Merlot –, hat aber eine tatsächlich eigenständige Neuzüchtung zu bieten, den Pinotage, eine Kreuzung aus Pinot Noir und der südfranzösischen Cinsault. Fans südafrikanischer Weine werden nicht müde, das Loblied auf diese quasi-autochthone Sorte zu singen, allein: Ein wirklich großer Pinotage ist uns bisher nicht untergekommen. Das mag aber durchaus mit dem mehr als begrenzten Angebot in unseren Breiten zu tun haben – schließlich dürfen wir ja auch einem Weinfreund in Südafrika nicht gram sein, wenn er skeptisch auf unsere Behauptung reagiert, dass der Zweigelt Großes hervorzubringen vermag, der Weinliebhaber aber keine Chance hat, einen Schwarz-Rot oder Christian Fischers Gradenthal zu probieren.
Ein paar Worte zur Geschichte des Weinbaus in den drei Ländern. Mit Abstand das traditionsreichste ist Südafrika, das im 18. Jahrhundert in Constantia Dessertweine aus der Muskatellerrebe produzierte, die absolute Weltgeltung besaßen – zu einer Zeit, als Güter wie Romanée-Conti oder Lafite gerade erst im Entstehen waren. Constantia-Weine waren – nach den Kreszenzen aus Tokaj – die teuersten Weine der Welt. Die nächsten 200 Jahre waren allerdings vom Niedergang bis zur völligen Belanglosigkeit geprägt. Erst das Ende der Apartheid – und zehn Jahre später das Ende des Monopols der KWV, jener Großgenossenschaft, die den Markt bis ins Kleinste durchregulierte und dadurch jegliche qualitätsbewusste Privatinitiative im Keim erstickte – führte zu einem höchst erfreulichen (und überfälligen) Comeback.
In Neuseeland wurden die ersten Reben 1819 ausgesetzt, also deutlich später als in Südafrika. Ein richtiges Weinland wurde Neuseeland allerdings erst in jüngster Vergangenheit; nach wie vor ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Bier (100 l) fünfmal so hoch wie der von Wein (20 l).
Wenn die Chroniken stimmen, dann wurden die ersten Trauben in Australien im Jahr 1791 im Garten des Gouverneurs in Sydney geerntet; die Setzlinge waren übrigens drei Jahre zuvor aus Südafrika ins Land gekommen. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein waren australische Weine praktisch ausschließlich einerseits gespritete Weine ("Port", "Muscat") von zum Teil herausragender Qualität, während sich die Tafelweine braun und praktisch ungenießbar präsentierten. Hier ist der Punkt, Max Schubert vor den Vorhang zu bitten. Der war damals Betriebsleiter von Penfolds und machte 1950 eine Reise durch Europas wichtigste Weinbaugebiete. Bordeaux hat ihn am meisten fasziniert, und er kam mit der fixen Idee im Kopf zurück, auch in Australien einen Rotwein zu produzieren, "der 20 Jahre halten und dabei immer komplexer werden würde". 1951 gab’s den ersten (noch experimentellen) Jahrgang von "Grange Hermitage", jenem Wein, der in den nächsten Jahrzehnten zur unbestrittenen Ikone der australischen Weinkultur avancieren sollte.

Ein paar Zahlen
Der größte Produzent unserer drei Länder ist – nein, nicht Australien, sondern Südafrika. Mit etwa 10 Millionen Hektoliter jährlich und einer Rebfläche von etwa 100.000 ha (im Vergleich: Österreich liegt bei 2,5 Mio. hl und knappen 50.000 ha) liegt es weltweit auf Platz 7, gefolgt von Australien mit 8 Mio. hl (80.000 ha) auf Platz 8. Neuseeland ist mit etwas über 700.000 hl (8.000 ha) wesentlich kleiner. Ganz interessant ist die Tatsache, dass die Hektarerträge für unsere Begriffe enorm hoch liegen: 90 bis 100 hl/ha lauten die Zahlen für die drei Länder, verglichen mit etwas über 50 hl/ha bei uns. Das wiederum erklärt auch, dass es in allen drei Ländern einen ziemlich großen Anteil an unaufregenden Basisqualitäten gibt. An der Spitze hingegen sinken die Erträge – wie überall auf der Welt, wo es um Topqualität geht – ganz beträchtlich.
Unsere Verkostung hat gezeigt, dass es durchaus sinnvoll war, diese drei Länder gemeinsam auf den Prüfstand zu bitten. Allen dreien ist das Sortentrio Syrah, Cabernet und Merlot gemeinsam, wobei in Neuseeland noch der Pinot Noir, in Südafrika der Pinotage hinzutritt. Der Löwenanteil – 15 der 34 Weine – entfielen auf Syrah oder Cuvées mit Syrah, 12 Weine waren Cabernets, Merlots oder cabernetgeprägte Cuvées.
Im Summe war die Probe zwar klein, aber durchaus fein: Die Top Ten mit 90 und mehr Punkten bieten ausgesprochen hochklassiges Trinkvergnügen, und das zu durchaus vernünftigen Preisen: 15 Euro sind zwar nicht gerade Diskont, gehen aber im Vergleich – national wie international – durchaus in Ordnung.

Listing Weine aus Australien, Neuseeland und Südafrika

89 2003 Estate Merlot, Excelsior, Robertson, Südafrika 14,5% Vinson, EUR 7,90
Dezente Zwetschkenconfit-Kaffee-Note; sauber, klare Frucht, wunderschöne Balance, sehr elegant und fein.
89 2004 Paddock Shiraz, Excelsior, Robertson, Südafrika 14,5% Vinson, EUR 9,90
Schoko, Heidelbeer und schwarzer Pfeffer; knackige Säure, sehr sortentypisch, offen und zugänglich, schöner Biss.
89 2003 Barossa Valley Shiraz, Ross Estate, Australien 14,5% Vergeiner, EUR 18,50
Eukalyptus und Pfefferminze; Schoko und ein Hauch von Kokos, saftig und vergleichsweise mittellang.
89 2002 Cape Mentelle Shiraz, Margaret River, Western Australia 14,5% (Moët Hennessy, EUR 18,99
Pfeffer und Lebkuchen, dahinter feinwürzige Frucht; saftiger Biss, viel Spiel, saftig und freundlich.
88 2004 Cabernet Sauvignon, Excelsior, Robertson, Südafrika 14,5% Vinson, EUR 7,90
Deutlich-grünes Ribisellaub; üppig, dezente Schokonote, sehr sauber und klar, schöner Trinkwein, sehr harmonisch.
88 2003 Cabernet Sauvignon, Landskroon, Südafrika 14% Wineworld, EUR 9,20
Dezentes Cassislaub mit einem Hauch Kakao; herzhafter Biss, kraftvoller Holzeinsatz, dabei sauber und klar, harmonisch, könnte für diesen Holzeinsatz einen Hauch mehr Druck machen.
88 2003 Terra Hutton Cabernet Sauvignon, Darling Cellars, Südafrika, 14% Weinplateau EUR 11,90
Deutlich likörig, wie feine Crème de Cassis; herzhafte, süffige Art, sauber und geschliffen, attraktives Mittelgewicht.
88 2003 Cabernet Sauvignon, Neil Ellis, Süd-
afrika 13,5% Vergeiner, EUR 13,40
Hübsche, geradlinige, saubere Cassisnase; deutliche, aber nicht vorstechende Würze, schöne Frucht, sehr süffig.
88 2003 Graham Beck Shiraz, Südafrika 15% wineSelect, EUR 14,70
Rumtopf und Pfeffer; knackige Frische, deutlicher Alkohol, intensive Frucht, ein mächtiger Grenzgänger, der allerdings seine Fans hat.
88 2001 Linton Park Merlot River Garden, Paarl, Südafrika 14,5% St. Stephan, EUR 14,80
Weihnachtsbäckerei, Zwetschkenfleck, Powidl; am Gaumen süßer Stoff, aber hinten trocknet das Tannin doch deutlich aus.
88 2004 Sumaridge Pinotage, Hermanus, Südafrika 13,5% Weinplateau EUR 15,90
Pikante Nase, Hauch von Sandplatz und Zitrus; dezente Paprikawürze, sauber, herzhaft, frisch und ausgesprochen ordentlich.
87 2004 The Ruins, Bon Cap, Südafrika 14% Wineworld, EUR 7,70 (SY/CS; Biowein.)
Heidelbeeren, dazu ein Hauch Ribisel; zarte Weihnachtsgewürzmischung, herzhafter Biss, sauber, frisch, elegant und solid.
87 2002 Purebred Red, Excelsior, Robertson, Südafrika 14% Vinson, EUR 8,90 (CS/ME/SY)
Verhalten-marmeladig; vordergründige Blaubeerfrucht, sehr solid und extraktsüß, zeigt aber etwas wenig Tiefgang.
87 2003 Leopard’s Leap Pinotage Shiraz, Südafrika 13,5% Mounier, EUR 9,99
Etwas gewöhnungsbedürftige Nase, zart bittrig, dezenter Gummiabrieb; knackige, ein wenig rustikale Frucht, herzhaft und solid.
87 2002 Simon Hacket Shiraz, McLaren Vale, Australien 13,5% wineSelect, EUR 12,50
Muskat pur, ein ganzes Gewürzkästchen, harzig-zedrig; betont würzig-tintig, knackig, saftig, klar.
87 2003 Shiraz, Muratie, Südafrika 13,4% Wineworld, EUR 13,50
Würzig-mineralische, zart animalische Nase; herzhaft-straffer Biss, sauber und klar, knackig, frisch.
87 2001 Friedrich Laibach, Laibach Vineyards, Südafrika 13,5% Derksen, EUR 22,00 (CS/ME)
Etwas überreife Brom- und Maulbeerfrucht; saftig und herzhaft, extraktsüß, knackiger Biss, straff, braucht noch ein wenig Zeit zur Glättung der Kanten.
86 2004 Vintage Selection Shiraz, Salomon Estate, Australien 13,5% Wein & Co, EUR 7,99 (Vom australischen Ableger des Weinguts Undhof.)
Ribiselblätter und Gesteinsmehl, mineralisch; etwas hochgetönt säurig und schlank, leise Harmoniemängel.
86 2004 Lion’s Pride Reserve, Spier Group, Western Cape, Südafrika 14% Perkal, EUR 9,36
Unfeine Nase, feuchter Putz, UHU; am Gaumen animalisch, fast blutig. Die zweite Flasche am Gaumen merklich besser, solide Frucht, knackig, ordentlich, straff.
86 2003 Pinotage, Stellenbosch, Laibach Vineyards, Südafrika 14,5% Derksen, EUR 15,00
Witzige Zwetschken-Hollerkoch-Nase; geradlinige, saubere, ein wenig einfach gestrickte Frucht, solid und ordentlich.
86 2003 Mills Reef Reserve Syrah, Hawkes Bay, Neuseeland 14% Wein & Co, EUR 19,99 (Drehverschluss.)
Einfache, ein wenig vordergründige Frucht mit zarten Röstaromen; extraktsüß, pilzig, keine große Harmonie.
85 2004 Leopard’s Leap Cabernet Merlot, Südafrika 13,5% Mounier, EUR 9,99
Lakritze und Heidelbeeren; saftiger Fruchtbiss, herzhaft und fest, knackig und recht straff.
85 2003 Roulette Rouge, Lammershoek, Südafrika 14,5% Wineworld, EUR 13,70
1. Flasche Kork. Überüppige Fruchtbonbons; von allem ein bissel zuviel, vordergründig fruchtelnd, dadurch wenig animierend.
85 2002 La Motte Millennium, Franschhoek, Südafrika 14,5% St. Stephan, EUR 17,90 (CS/ME/CF/SY)
Unklare, etwas diffuse Frucht; kurz und wenig inspirierend, hintendrein kommen kernige Gerbstoffe (beide Flaschen gleich).